Da ist doch das Scheitern schon vorprogrammiert!
Liebe Mitchristinnen,
liebe Mitchristen!
Was für eine Aufgabe, die uns da im heutigen Evangelium gestellt wird: Wir sollen Gott lieben, wir sollen unseren Nächsten lieben und wir sollen uns selbst lieben.
Da ist doch das Scheitern schon vorprogrammiert.
Uns selbst sollen wir lieben – ist nicht auch unsere Kirche lange nicht sehr gut mit diesem Gebot umgegangen? Selbstliebe, das ist doch Egoismus und außerdem, wir sind doch alles Sünder, sind wir denn da wert, dass wir uns selbst lieben?
Nächstenliebe – ja das verstehen wir schon besser. Aber das ist halt nicht so leicht. Manche Menschen machen es uns schon recht schwer, sie zu lieben. Es gibt schon ziemlich unangenehme Zeitgenossen. Und auch der Ehepartner, der Freund, die Freundin, der Kollege oder die Nachbarn können manchmal recht anstrengend und schwierig sein.
Mit der Gottesliebe – da geht es uns ja nicht so schlecht. Gott geht einem ja auch nicht so oft auf die Nerven wie unsere Mitmenschen das tun können. Außerdem widerspricht er uns ja nicht direkt und hält sich meistens im Hintergrund.
Aber Jesus war nicht weltfremd als er das zu dem Gesetzeslehrer gesagt hat. Er kennt die Menschen und weiss um Ihre Schwächen und Fehler.
Ich habe vor kurzem gelesen:
„der liebende Mensch muss seine Spontanität wiederfinden. Er muss seine Sinne einsetzen und andere wieder berühren, sie umarmen, sie anlächeln, an sie denken und sich um sie kümmern. Wir haben vergessen, einander anzuschauen. Wir schauen uns nicht an, wir hören uns nicht zu, wir berühren uns nicht.“
Seit Corona ist das mit dem Berühren nicht mehr so einfach. Obwohl uns Umarmungen so unendlich gut tun, halten wir seit der Pandemie unsere Mitmenschen auf Abstand.
Aber lächeln und einander anschauen, wirklich anschauen, das können und sollen wir machen!
Wenn wir jemanden wirklich anschauen, dann wenden wir uns diesem Menschen ganz zu.
Zuwendung, das ist die freundliche, liebevolle Aufmerksamkeit und Beachtung, die wir dem anderen schenkt.
Mütter werden nicht müde ihr neugeborenes Kind voll Liebe anzuschauen… sie können sich nicht satt sehen an diesem kleinen Wesen, dass wie ein Wunder durch sie in die Welt gekommen ist. Frisch verliebte Menschen haben nur Augen füreinander, sagt man oft. Sie haben ständig das Bedürfnis einander in die Augen zu schauen. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder…. Sagt man beim Abschied zu guten Freunden.
Wir alle haben das Bedürfnis gesehen zu werden. Wir alle haben das Bedürfnis anerkannt zu werden und wir möchten, dass sich andere freuen, wenn sie uns sehen.
Darum: Schauen wir uns in die Augen, üben wir uns wieder mehr darin, unser Gegenüber auch wirklich anzuschauen. Ohne dabei gleichzeitig die letzte Whatsapp-Nachricht zu checken oder am Gegenüber vorbei zu blicken um zu schauen wer denn noch so alles da ist. Schenken wir unserem Mitmenschen unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Neigen wir uns dem Anderen zu, mit all unseren Sinnen, mit den Augen, den Ohren und nicht zuletzt mit dem Herzen.
Wenn wir dem Anderen unsere ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, dann nehmen wir ihn als Ganzes wahr, dann können wir mitfühlen.
Und hören wir zu, richtig zu, ohne schon beim Zuhören unsere eigenen Gedanken zu ordnen oder das Gesagte zu bewerten und zu beurteilen, oder gar zu ver-urteilen.
Und … wenn du deinen Nächsten nicht magst wie einen Freund, dann schau ihn trotzdem hin und wieder an – damit er sein Ansehen behält. Sei höflich zu ihm und leg ihm keine Steine in den Weg. Und achten wir darauf, dass die Gerechtigkeit gewahrt wird. Dass auch der andere das bekommt, was Gott ihm zugedacht hat – weil du das doch auch für dich selbst so erwartest.
Auch bei uns sollen wir unsere Sichtweise korrigieren. Wir betrachten uns schon immer wieder… aber recht oft kritisch und negativ. Wir betrachten unsere Makel und Fehler – wir sind nicht schön genug, wir sind zu dick und wir haben Falten….. anstatt unserem Spiegelbild liebevoll und freundlich gegenüber zu treten. Lächeln wir uns doch selbst an, denn wenn wir uns selbst finster anschauen, dann wird das auch nichts mit einem freundlichen Blick an unser Gegenüber.
Wir dürfen und sollen zu uns selbst sagen: Du bist OK wie du bist. Du bist perfekt, weil Gott dich so wie du bist geschaffen hat.
Jetzt bleibt noch die Gottesliebe:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken.
Ich weiss nicht wie es Ihnen geht, aber mir passiert es schon öfters, dass ich am Sonntag im Gottesdienst vollkommen abwesend bin. Auf einmal merke ich, dass ich alles überhört habe und mit meinen Gedanken ganz woanders bin. Gott hat da gar keine Chance zu mir durchzudringen.
Er möchte mir aber was sagen, er möchte mit mir in Kontakt treten. Geben wir ihm die Chance. Jeden Tag, nicht nur am Sonntag beim Gottesdienst.
Wenden wir uns IHM zu – wenn es beim sonntäglichen Gottesdienst nicht klappt, dann geben wir IHM auch an anderen Tagen, jeden Tag die Chance uns mitzuteilen, was er für uns bereithält.
Was hält er bereit? Aufgaben, die wir in seinem Sinn erledigen sollen. Er schickt uns Menschen, die uns helfen können, und andere denen wir helfen sollen. Aber vor allem hält er seine LIEBE zu uns bereit. Die wir spüren können wenn wir IHM die Chance geben.
Das heutige Evangelium ist so schwierig umzusetzen aber doch auch ganz einfach:
Gott ist wichtig und wir Menschen sind auch wichtig, allein schon deshalb, weil wir Gott wichtig sind und er uns liebt.
Darum lieben wir Gott und seien wir achtsam gegenüber unserem Nächsten und achtsam gegenüber uns selbst.
Denn der Nächste ist genauso Sohn und Tochter dieses Gottes – wir wir selbst.
Amen.