Es soll dir geschehen, wie du willst!
Die Oma geht mit ihrem Enkerl wallfahrten.
Man sieht schon das Kircherl, oben auf dem Berg.
"Wenn wir oben sind", verspricht die Oma, "gehen wir ins Gasthaus. Da gibt's eine gute Jause und etwas zu trinken."
Bald sind sie oben. Aber zuerst zieht es die Oma natürlich in die Kirche. Dort kniet sie und betet und betet. Der Kleine wird schon etwas ungeduldig und fragt: "Oma, wann gehen wir denn endlich?"- Die Oma meint: "Ein wenig musst du noch warten. Ich möchte noch für jemanden beten." Und sie betet weiter.
Nach einigen weiteren Minuten: der Bub ist schon sehr unruhig und er meint: "Oma glaubst du nicht, dass du dem lieben Gott jetzt schon auf die Nerven gehst?"
"Jemandem, sogar dem lieben Gott, auf die Nerven gehen"? Darf man das?
Die Frau im heutigen Evangelium geht Jesus, mehr noch seinen Jüngern, "auf die Nerven". "Schick sie weg! Sie schreit hinter uns her!" Aber sie lässt nicht locker und ihre Hartnäckigkeit hat schließlich Erfolg.
Von dieser Frau können wir einiges lernen:
Wir dürfen und sollen für unsere Anliegen eintreten und kämpfen, auch wenn es anderen "auf die Nerven geht".
Wir können weiters lernen: "Die Verwirklichung vieler Dinge hängt von dem Vertrauen ab, mit dem wir sie erwarten, erhoffen, erbeten" - habe ich gelesen. (Jesuit, Alfred Delp)
Dass wir es "für möglich halten", was wir wünschen, wofür wir beten, darauf kommt es an.
Ohne Vertrauen geht's nicht.
Was wir auch noch lernen können von dieser Frau - und das halte ich für ganz wichtig - beim Beten, aber auch im alltäglichen Umgang miteinander: dass wir unsere Wünsche und Nöte klar formulieren und direkt vortragen, statt zu erwarten, dass man ja sehen müsste, was ich brauche, was ich möchte.
Mir scheint viele Enttäuschungen kommen daher, dass wir nicht direkt sagen, worum es uns wirklich geht und was wir brauchen. Und dann sind wir beleidigt, weil andere nicht tun, was wir von ihnen erwarten. Ich meine, wenn uns selber klar ist, was wir möchten, dann ist schon viel erreicht. Dann kann sich auch etwas ändern.
Diese Frau sagt deutlich, was sie will. Sie erreicht auch, was sie will. Auch wenn sie "nervt": "Es soll dir geschehen, wie du willst!" - "Und ihre Tochter wurde geheilt."
Was mir an dieser Geschichte auch sehr wichtig scheint:
Ich meine: auch Jesus hat "gelernt", durch diese Begegnung mit dieser hartnäckigen Frau.
Es herrschte damals die Meinung - und in der ist Jesus auch aufgewachsen - Jahwe schaut nur auf sein Volk. Alle anderen sind vom "Heil" ausgeschlossen.
Deswegen sagt Jesus ja zunächst: "Für dich bin ich nicht zuständig. Ich bin nur für meine Leute da., für das "Haus Israel". Und es klingt ziemlich grob, wenn er sagt: "Es ist nicht recht, das Brot den eigenen Kindern wegzunehmen und den "Hunden" vorzuwerfen."
Jesus lernt durch diese Begegnung, was es bedeutet zu sagen: "Gott ist der Vater aller." Er ist nicht nur der Gott einiger "Auserwählter". Diese Überzeugung, dass Gott "der Vater aller ist", dass seine Liebe allen gilt, war zwar immer schon da. Theoretisch. Praktisch aber taten sich die Leute schwer damit. Man grenzte sich lieber ab, man fürchtete das Fremde. Man fühlte sich nicht zuständig für die "Heiden".
Für Jesus aber wurde - auch durch diese Begegnung - der Glaube an die Offenheit und Weitherzigkeit Gottes zur gelebten Praxis, immer mehr und intensiver.
Den konkreten Menschen sehen. Ihn wahrnehmen, in seiner Bedürftigkeit, seiner Not - egal, woher er kommt: darauf kommt es an. -
Man lernt nie aus. Das gilt auch heute.
Selbstverständlich auch für uns.
Es "nervt" uns, wenn wir "den Schrei der Not" in unserer Welt hören. - Aber wir dürfen uns nicht verschließen. Wir können lernen damit zurecht zu kommen:
Wir hätten ja gute Voraussetzungen, wir Christen:
Zunächst den Grundsatz: dass Gott der Vater aller ist und seine Liebe grenzenlos.
Wir haben einen guten "Lehrmeister" in Jesus Christus. Wir haben ein Lehrbuch: sein Evangelium.
Wir teilen seine Vision vom "Reich Gottes", von einer gerechten, friedlichen, menschlichen Welt,
Wir haben Vorbilder und viele Verbündete - alle Menschen guten Willens.
Das alles kann uns helfen, zu lernen, was heute für eine gute Zukunft notwendig ist.
Man lernt nie aus.
Wir können lernen von dieser Frau, von ihrer Hartnäckigkeit und Klarheit, von ihrem starken Vertrauen.
Wir können lernen von Jesus, von seiner Art zu glauben, zu denken und zu leben.
Dass wir immer "offen und "lernwillig" bleiben, das wünsche ich uns allen.
Er möge unser "Lehrer" und "Meister" sein und bleiben.