Wir sind nicht verlassen
![Andreas Hasibeder / laumat.at / Matthias Lauber Andreas Hasibeder](/img/85/ce/b3b221ed3254807c62c7/Andreas_Hasibeder-predigt_andreashasibeder.jpg)
Liebe Pfarrgemeinde!
Manchmal fühlen wir uns von Gott und der Welt verlassen.
Als ich vor einigen Wochen meine allein lebende Mutter angerufen habe, sie ist gerade 86 geworden, sagte sie mir etwas deprimiert: jetzt wird es schon ziemlich fad und einsam. Mit meinen Freundinnen kann ich mich nicht treffen, die Kinder dürfen nicht kommen, nur telefonieren ist auf die Dauer nicht dasselbe. In ihr entstand das Gefühl der Einsamkeit und der Verlassenheit. Vermutlich ist es in den vergangenen Wochen vielen Alleinstehenden so ergangen.
Im Evangelium erleben die Schüler und Schülerinnen des Jesus von Nazareth diese Verlassenheit und Einsamkeit in ähnlicher Weise, oder vielleicht noch viel drastischer, denn Jesus, ihr Lebenslehrer, wurde ihnen, wie sie meinten, für immer genommen. Der Herr und Meister, auf den sie ihr ganzes Leben aufgebaut und ausgerichtet haben. Hilflos bleiben sie zurück.
Bei Jesus haben sie keine bestimmten Fertigkeiten gelernt. Vielmehr war es eine Weiterbildung zur Entfaltung der Persönlichkeit. Es ging um Herzensbildung, um Vertrauensbildung, glauben können, Liebe und Hoffnung erfahren, sich auf den barmherzigen Vater verlassen können.
Es ging darum, die Gottesliebe und die Nächstenliebe einzuüben. Zu lernen, dass die mütterliche Liebe des Vaters grenzenlos und tragfähig ist und dass wir alle Schwestern und Brüder sind.
Jesus hat ihnen beigebracht, dass das Leben, selbst in Krankheit und Tot, von diesem liebenden Gott aufgefangen und getragen ist. Dass das Leben nicht verloren geht, sondern gewandelt und vollendet wird.
Diese Lebensweisheiten können sich Menschen nicht beibringen, dazu braucht es einen Lehrer mit einer innigen Gottesbeziehung. Einen Lehrer, der weiß, wovon er authentisch reden kann. Einen, der das Gottesgeheimnis kennt. Den wir den Sohn Gottes nennen.
Dieser Lehrer ist den Jüngerinnen und Jüngern aber abhanden gekommen und die Verlassenheit war groß.
Daher brauchte es einen Beistand, eine tatkräftige, wirksame und dauerhafte Hilfe, um diesen Weg Jesu weiter gehen und durchhalten zu können.
Dieser Beistand, den wir den Geist Gottes, den heiligen Geist nennen, ist diese dauerhafte Hilfe.
Er wird auf die Jüngerinnen und Jünger herabkommen, von ihnen Besitz ergreifen, er wird sich ausbreiten und wirksam bleiben. Diese Wirksamkeit reicht bis zum heutigen Tag. Er wird sie und uns mutig und begeistert sein lassen. Er wird ihnen und uns neuen Mut in der Verlassenheit und Einsamkeit geben, weil er auch in uns lebendig ist, seit Taufe und Firmung. Ohne ihn wären wir Verlassene, ohne Orientierung und ohne Zukunft.
Ich wünsche Ihnen die spürbare Kraft und den Mut dieses Beistandes, des heiligen Geistes für Ihr Leben. Und ich wünsche Ihnen hilfreiche Erfahrungen in jeder Verlassenheit und Einsamkeit. Amen.