Muttertag zwischen Geschäftemacherei und ehrlichem Bemühen
![Andreas Hasibeder / laumat.at / Matthias Lauber Andreas Hasibeder](/img/83/f5/1cd4d0c26917e8aafe10/Andreas_Hasibeder-predigt_andreashasibeder.jpg)
Liebe Pfarrgemeinde!
Der Muttertag steht immer in der Spannung zwischen Geschäftemacherei und ehrlichem Bemühen, den Müttern zu danken. Die einen wollen und können das sehr emotional, die anderen möglichst rational tun. Auf jeden Fall kommt niemand ohne gewisser Auseinandersetzung an diesem Tag vorbei. Das hat für manche etwas Abschreckendes, aber für viele auch etwas Positives an sich, denn so muss sich jeder und jede von uns zumindest ein paar Gedanken über seine Mutterbeziehung machen.
Was bringt es, könnte man fragen, einen Tag die Mütter in den Mittelpunkt zu stellen, wenn drum herum das Leben sowieso wieder im Alltagstrott weitergeht? Die Mütter die Hauptlast durch Familie und Beruf, jetzt auch noch durch Homeoffice und Lehrerinnendienst tragen. Ist das nicht nur Heuchelei oder Geschäftemacherei? Eine Alibiaktion, die man sich sparen könnte?
Genau in dieser Spannung befindet sich der heutige Festtag: zwischen Sentimentalität und Ablehnung, Kommerzialisierung und echter Besinnung. Ich denke, dass es genau diese Spannung ist, die uns aber auch die wahre Bedeutung des Tages zeigen kann.
Es reicht keineswegs, einmal im Jahr die Mutter mit Blumen zu verwöhnen oder schöne Ausflüge zu planen und essen zu gehen. Ich meine wir sollten uns alle auf das besinnen, was Mütterlichkeit in unserem eignen Leben bedeutet und bewirkt.
Wir alle haben es erfahren, wie es ist, eine Mutter zu haben. Wir alle sehen auf mehr oder weniger glückliche Jahre zurück, die wir mit dieser Frau verbringen durften. Gerade da, wo die Mutter, aus welchen Gründen auch immer, zu früh Bedeutung im Leben des Kindes verloren hat, gibt es starke Defizite. Die Sehnsucht nach Geborgenheit und tief erfahrener Mutterliebe hängt manchen Menschen ein Leben lang nach.
Dieser Erfahrung steht aber das heutige Leistungsdenken oft im Weg. Lassen wir diese Sehnsucht nach Mütterlichkeit überhaupt zu? Der Muttertag kann ein Anlass sein, in sich selber hineinzuhorchen. Hinhören und wahrnehmen, was wir selber mit Mütterlichkeit verbinden.
Wenn wir einen Blick auf die Bibel werfen, so sehen wir, dass hier sehr oft und eindringlich von Mütterlichkeit die Rede ist. Im Hebräischen haben Mütterlichkeit, Barmherzigkeit und Erbarmen dieselbe Wurzel. All diese Eigenschaften werden auch Gott zugesagt. Der Gott, zu dem wir Vater sagen, ist somit von der Bibel her auch ganz wesentlich ein mütterlicher Gott. Er nimmt sich unser an, wie eine Mutter ihr Kind liebt. Es heißt sogar, dass Gott uns wie eine liebende Mutter auf den Armen trägt, auf seinen Knien schaukelt, dass er uns tröstet, uns führt und leitet.
Eine Mutter hat nicht nur eines oder mehrere Kinder geboren, sie weiß auch, dass aus einem normalen beruflichen Arbeitstag ein 24 Stundentag geworden ist und das während 7 Tagen in der Woche. Es gibt keinen Urlaub vom Muttersein. Mütter sind immer in Anspruch genommen: sie sollen eine gute und verständnisvolle Partnerin für den Ehemann sein, eine gute Haushälterin, Putz-, Wasch- und Reinigungsfrau, Beschützerin, Spielgefährtin, Pflegerin, Erzieherin, Katechetin, Nachhilfelehrerin, partnerschaftliche Freundin, Chauffeur für die Kinder, Konfliktberaterin und vieles mehr. Mutter sein ist also eine multifunktionale Aufgabe, aus der es kein Aussteigen gibt. Die Anforderungen ändern sich zwar mit den Jahren, die Belastungen werden aber deshalb nicht unbedingt weniger.
Die Gefahr der Überlastung, verbunden mit zu hohen Idealen, ist sehr groß.
Wenn wir heute, am Festtag der Mütter diese Gedanken hören, dann verwundert es wahrscheinlich so manchen, dass Frauen sich immer wieder auf dieses Abenteuer der Mutterschaft einlassen. Tatsächlich tun es ja immer weniger Frauen aufgrund der verschiedensten gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen.
Was geschieht, wenn eine Frau ein Kind erwartet: Sie wird überwältigt von dem Wunder der Menschwerdung. Mütter nehmen ihre Kinder meist bedingungslos an. Sie lernen in der Schwangerschaft zu warten und dem neuen Leben in sich Raum zu geben. Mütter erfahren, dass das Tiefste im Leben nicht machbar ist. Mütter tragen und nähren dieses neue Leben in sich. Sie schenken ihm Geborgenheit, Wärme, Nähe und Liebe, machen es lebensfähig.
In all diesen Monaten fragen sie sich sicherlich auch oft: "Und wer trägt mich? Wer hilft mir, meine Verantwortung wahrzunehmen?" Wenn die Beziehung der beiden Elternteile tragfähig ist, wird der Partner sicher so gut es geht die Freuden und Sorgen der werdenden Mutter mittragen. Aber es gibt auch in der glücklichsten Beziehung Bereiche, wo sich beide nur voll Vertrauen an den väterlichen und mütterlichen Gott wenden können.
Ich erinnere mich an ein junges Paar, das mir tränenüberströmt gegenübersaß, weil sie ihr Kind im 7. Monat verloren haben.
Ein liebender, mütterlicher Gott kann in dieser Situation tröstend wirken.
Und das ist vermutlich das Geheimnis wahrer Mütterlichkeit: wir Menschen können nur mütterlich sein, wenn wir uns selbst ganz geborgen und aufgehoben fühlen im Erbarmen und der Barmherzigkeit Gottes.
Das ist die Quelle aller Geborgenheit und Mütterlichkeit.
Ist Mütterlichkeit also nur die Aufgabe oder das Talent von Frauen, die Kinder haben?
Ich glaube wahre Mütterlichkeit ist nicht an Geschlecht und an die leibliche Mutterschaft gebunden.
Sie alle kennen sicherlich kinderlose Frauen, die sehr mütterlich sind. Immer öfter gibt es auch alleinerziehende Väter, die durch ihren liebevollen Einsatz mütterlich und väterlich sein können.
Ich meine, dass jeder Mensch mütterlich sein kann, wenn er diese Kraft des Herzens aufbringt, sich in Liebe für andere einzusetzen. Im heutigen Evangelium mahnt uns Jesus eindringlich einander zu lieben, dann werden wir von Gott alles Notwendige erhalten.
Mütterlich sein im Umgang mit anderen bedeutet, den anderen als einmaliges Wunder Gottes anzunehmen. Mütterlich sein heißt weiters warten können und wissen, dass das Wichtigste in unserem Leben nicht machbar ist, sondern Gabe Gottes bleibt.
Mütterlich sein heißt aber auch im gegebenen Zeitpunkt frei zu geben, selbständig werden lassen und zusehen lernen, wie das Kind, der Partner seine eigenen Schritte in der Welt macht.
Mütterlichkeit zeigt sich im Empfangen, im Schweigen, Warten und Reifen lassen, im Gebären und Ernähren, im Anleiten und Fordern und schließlich in der Freigabe zum eigenständigen Leben.
So zeigt uns der heutige Festtag unserer Mütter was Mütterlichkeit bedeuten kann. Es ist eine göttliche Eigenschaft, eine Begabung, die es für uns alle zu entwickeln gilt, und das wünsche ich uns heute.
Amen.