Ostern ist "not-wendig"
![Johann Bräuer / laumat.at/Matthias Lauber Johann Bräuer](/img/8d/f2/28a3b7e0153f50e705cf/Johann_Br_uer-predigt_johannbraeuer.jpg)
Aristoteles, ein griechischer Philosoph, er lebte vor etwa 2300 Jahren, berichtet von einem abscheulichen Brauch, den er von Seeräubern kannte.
Diese - so schreibt er - banden ihre Gefangenen, um sie zu quälen, lebendigen Leibes an Leichen, Angesicht gegen Angesicht.
In dieser gewaltsamen Verkettung des Lebens mit dem Tod und dem Geruch der Verwesung ließen sie ihre Opfer allmählich dahinschmachten." -
Eine makabre Geschichte.
So ist das Leben, meinte Aristoteles: du bist "an den Tod gekettet", du kommst ihm nicht aus. Schrecklich, diese Vorstellung, aber ist nicht doch etwas Wahres dran?
Beim Nachdenken über unsere derzeitige Situation ist mir diese Geschichte wieder in den Sinn gekommen.
Wenn jetzt jeden Tag die Zahlen den Verstorbenen in den Nachrichten kommen, oder wenn man die Bilder sieht, von den Massen an Särgen in leeren Kirchen und Hallen - läuft es einem da nicht "kalt über den Rücken"?
Spürt man nicht ganz "hautnah" den kalten Hauch des Todes?
Wenn so vieles nicht mehr geht, was unser normales Leben ausmacht, wenn Familien nicht miteinander feiern können, wenn Großeltern und Enkelkinder nicht zusammenkommen dürfen, wenn alles stillsteht - fühlt man sich da nicht wie "gefesselt"?
Wir sind an den Tod gekettet. Diesem Schicksal kommen wir nicht aus. So scheint es. Ist es wirklich so? Nein.
Zu Ostern, liebe Schwestern und Brüder, da wird uns eine ganz andere Geschichte erzählt.
Zu Ostern, da dürfen wir hören, dass wir eben nicht an den Tod und den Untergang "gekettet" sind, sondern zum Leben "befreit".
Wir singen: "Der Heiland ist erstanden, befreit von Todesbanden". - Die Ketten sind gesprengt. - "Der Tod hat keinen Stachel mehr, der Stein ist weg, das Grab ist leer..."
"Das Leben ist stärker als der Tod."
Das ist doch die Grundbotschaft dieses Festes. Ausgehend von dieser Botschaft kann auch auf unsere derzeitige Situation ein "erhellendes" Licht fallen.
Und wir können Anzeichen dafür finden, dass es stimmt:
Das Leben ist stärker als der Tod.
Und wir sind zum Leben befreit und gerufen.
Mir geht in diesen Tagen, auch in den Nächten, ein Vers aus einem alten Hymnus nicht aus dem Sinn.
Da heißt es:
"..wachsam und lauter sei der Geist,
dass der Weg dieser Zeit
Durchgang zur Auferstehung sei.
Die Erde zu heilen, schuf Gott diese Tage."
Ich meine, es ist es wert, dass wir diesen Aspekt beachten:
Viele können der ganzen Situation auch Positives abgewinnen: die Ruhe, die Besinnung auf das Wesentliche, die Zeit für Dinge die sonst eher zu kurz kommen.
"Die Erde zu heilen, schuf Gott diese Tage" -
Es stimmt ja, es ist vieles "krank" in unserer Welt, in unserer Art zu wirtschaften, in unserem Umgang miteinander...
Viele Kommentare in den Medien machen sich Gedanken über die Zeit "nach Corona". Es muss vieles anders werden. Es werden viele wunde Punkte erkannt, es wird auch viel guter Wille gezeigt. Hoffentlich werden die guten Ansätze dann nicht gleich wieder vergessen.
Wir feiern "Auferstehung". Die Auferstehung Jesu.
Und die "Auferstehung" Jesu darf man auch so denken:
Was Jesus war und wie Er war - sein Geist, seine Visionen und Träume, seine Art von Gott zu reden und sein Bild vom Menschen, seine Menschlichkeit - all das ist nicht umzubringen.
Es wird immer wieder "auferstehen", neu zum Leben kommen, auch in uns und durch uns. So sehr, dass wir - in seinem Geist - "aufstehen" gegen den Tod.
Und dieser "Aufstand" beginnt im Alltäglichen und im Kleinen.
Gar nicht gleich im Außergewöhnlichen.
Wer heute z. B. einem traurigen Menschen neuen Mut zuspricht, der lässt ihn "auferstehen".
Wer einen einsamen Menschen spüren lässt, dass er nicht allein ist, der lässt ihn "auferstehen".
Wer einen Kranken pflegt, einem bedürftigen Menschen die Hand reicht, einem Verzweifelten einen Ausweg ermöglicht, der beteiligt sich am "Aufstand" gegen Tod und Verwesung.
Wer als Politiker einen Rahmen schafft, in dem jeder in diesem Land als "Mensch" leben kann, wer sich einsetzt für Gerechtigkeit und Frieden, wer sich engagiert für alle, die schlecht dran sind,
der ermöglicht "Auferstehung", der ist auf der Seite des Lebens.
Diese Dynamik von Ostern möge uns nie verloren gehen.
Sie ist "not -wendig" im wahrsten Sinn des Wortes.
Das Leben ist stärker als der Tod. -
Und wir sollten die Zeichen beachten, die uns darauf hinweisen möchten. Gerade jetzt - im Frühling.
Dazu ein Gedicht, das mir viel bedeutet:
1942 - mitten im Krieg, hat Ben Chorin, ein jüdischer Politiker- es geschrieben. Ein Mandelbaum - vor seinem Fenster- hat ihn dazu angeregt:
Der Mandelzweig
Freunde, dass der Mandelzweig
Wieder blüht und treibt,
ist das nicht ein Fingerzeig,
dass die Liebe bleibt?
Dass das Leben nicht verging,
so viel Blut auch schreit,
achtet dieses nicht gering
in der trübsten Zeit.
Tausende zerstampft der Krieg,
eine Welt vergeht.
Doch des Lebens Blütensieg
Leicht im Winde weht.
Freunde, dass der Mandelzweig
sich in Blüten wiegt,
das bleibt mir ein Fingerzeig
für des Lebens Sieg.