... damit ich keinen Durst mehr habe!
Was Jesus auszeichnete, war sein Gefühl für Menschen und deren Situationen.
Das lässt sich in diesem Gespräch am Brunnen erkennen. So kann man sich Gespräche nur wünschen. Das ist kein leeres, belangloses Gerede.
Es geht tief und bewirkt Selbsterkenntnis und damit Heil.
Schon der Einstieg hat es in sich:
Eigentlich war es zur Zeit Jesu gegen jeden Anstand eine fremde Frau anzusprechen. Noch dazu eine Samariterin.
Juden verkehren nicht mit Samaritern.
Jesus setzt sich einfach darüber hinweg.
Täte er es nicht, das Gespräch käme nie zustande.
Einmal mehr zeigt sich die Souveränität Jesu.
Ihm ist der Mensch wichtiger als das Gesetz.
Das ist eine Grundhaltung von ihm.
Nur so kann sich zwischen Menschen Wesentliches ereignen.
So vieles passiert nicht, weil wir uns hemmen lassen: "Das geht nicht!" "Das kann man doch nicht!" "Was würden denn die Leute sagen!" - Da wird viel verhindert.
Es beginnt eigentlich ganz harmlos, dieses Gespräch. Vom "Durst" ist die Rede und vom "Wasser".
Von der Bedeutung dieses Brunnens.
Aber dann bringt Jesus das Gespräch auf eine andere Ebene. Plötzlich redet er von einer anderen Art von "Durst" - er meint die innere "Bedürftigkeit" und die Sehnsucht nach dem, was wirklich unseren "Durst nach Leben" stillen kann.
Was tut der Mensch nicht alles, um seinen "Lebens - Durst" zu stillen? - Von "Brunnen zu Brunnen" rennt er. Verschiedenste Angebote probiert er. Das und jenes "konsumiert" er - und der "Durst" bleibt, ja wird immer größer.
Wir suchen die "Erfüllung". Wir suchen sie in Dingen, die wir uns zulegen. Von denen uns gesagt wird, dass wir sie zum Leben unbedingt brauchen.
Wir spüren aber bald, dass alles, was wir "haben", niemals genügen kann, niemals wirklich "sättigen" wird. -
Wir suchen die "Erfüllung" oft auch bei anderen Menschen. In Beziehungen, die wir uns "zulegen".
Und bleiben doch "leer" und "durstig".
Genau das scheint das Problem dieser Frau zu sein.
Scheinbar ganz ohne Zusammenhang sagt Jesus plötzlich: "Geh, ruf deinen Mann!" - "Ich habe keinen" - muss sie gestehen. "Richtig", meint Jesus, "fünf Männer hast du gehabt und der, den du jetzt hast, ist auch nicht der Deine." -
Wir dürfen uns diese Frau denken, als eine, die immer auf der Suche ist und nie das "Richtige" findet,
auch nicht "den Richtigen".
Sie bleibt unerfüllt in ihrer Sehnsucht.
Sie erlebt eine Enttäuschung nach der anderen.
Und dieser Teufelskreis von Suche und Enttäuschung wird sich weiterdrehen.
Kein Mensch wird dieser Frau jemals "genügen". -
Es kann kein Mensch einem anderen ganz "genügen".
Es wäre eine Überforderung, das zu erwarten.
"Die Wahrheit wird euch frei machen" - heißt es.
Darauf geht das Gespräch hinaus.
Jesus versteht es, diese Frau so hinzuführen, dass sie ihre Wahrheit erkennen kann. "Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe."
Wir tun uns oft schwer mit der Wahrheit.
Vor allem, wenn es eine unbequeme, oder peinliche Wahrheit ist. Wir vertuschen sie, wir streiten sie ab, wir wollen sie nicht "erkennen".
Aber es ist ein Segen, wenn ein Mensch zu seiner Wahrheit geführt wird. Behutsam, aber doch gezielt.
Es ist heilsam und befreiend.
"Wie wenn eine Quelle aufbricht und das Leben wieder in Fluss kommt", kann sich das anfühlen.
So erlebt es diese Frau am Brunnen. Sie lässt ihren Krug stehen, sie eilt ins Dorf und sagt allen: "Kommt her, seht, da ist einer, der mir die ganze Wahrheit gesagt hat.
Ist er vielleicht der Messias, der Erlöser?"-
- Ja er ist es. "Er ist wirklich der Retter der Welt!" - bekennen die Leute, nachdem sie ihn selbst gehört haben.
Es gibt solche Begegnungen und Gespräche, die uns "zur Wahrheit führen", das kennen wir ja auch alle.
Auch wie befreiend solche Begegnungen sind.
Jesus hat nichts getan, nur mit ihr geredet.
Aber das auf eine Art und Weise, die heilsam und befreiend für sie war.
In dieser "Art und Weise" können wir uns üben.
Im Umgang miteinander.
Und seine "rettende Tat", seine durch ihn gewirkte "Erlösung" besteht - damals wie heute - darin, dass er uns die Wahrheit erkennen lässt und uns zur Quelle führt, aus der wir schöpfen können, was uns wirklich leben lässt.
Die Fastenzeit, liebe Gemeinde, ist eine gute Gelegenheit, die Wahrheit, die uns frei macht, zu suchen, dem "was uns wirklich leben lässt" nachzufragen.
Ich meine, diese Frau - oder jede, jeder, der ähnliches erfahren konnte - könnte dieses Lied mit Überzeugung singen:
"Alle meinen Quellen entspringen in dir,
in dir mein guter Gott.
Du bist das Wasser, das mich tränkt und meine Sehnsucht stillt.
Du bist die Kraft, die Leben schenkt, eine Quelle, welche nie versiegt..."