Die Pfarrkirche Vichtenstein wurde zwischen 1877 und 1881 im Stil der Neugotik erbaut. Sie ist dem heiligen Hippolyt geweiht, der 170 n. Chr. geboren wurde und der als frühchristlicher Bischof von Rom bis 235 n.Chr. gelebt hat. Der hl. Hippolyt gilt als Schutzpatron der Gefängniswärter, der Pferde und gegen Körperschwäche. Die Pfarrkirche Vichtenstein ist eine neugotische, zweischiffige Kirche mit einer Gesamtlänge von 33 m. Die Turmhöhe erreicht 40 m und das Doppelschiff wird durch 6,50 m hohe Fenster erhellt.
Die Pfarrkirche weist zahlreiche kunstgeschichtliche Stilelemente auf, die im folgenden Abschnitt näher vorgestellt werden.
Architektur der Pfarrkirche Vichtenstein
Aus architektonischer Sicht sind das Strebewerk, das Portal, das Gewölbe, das Maßwerk und die Fenster besonders hervorzuheben.
Das Strebewerk in der Pfarrkirche Vichtenstein ist sehr ähnlich dem Strebewerk, wie es auch in anderen großen Gotteshäusern, wie dem Stephansdom zu Wien, zu finden ist. Das Strebewerk setzt sich aus Strebebögen und Strebepfeilern zusammen. Die Strebepfeiler sorgen für die Entlastung der Wände, wodurch hohe Fenster und große Höhen beim Bau erreicht werden können. Der Linzer Dombaumeister Otto Schirmer verwendete 14 Pfeiler, die das Kirchenschiff tragen. Das Granitgestein stammte aus den umliegenden Wäldern und wurde von Josef Lautner aus Stadl behauen.
Das Bogenfeld über dem Portal zeigt Christus als Weltenrichter im Jüngsten Gericht inmitten der Völker der Erde. Die umrahmenden Bögen zieren dekorative Ornamente wie z. B. Blätter , Schleifen, christliche Zeichen, Figuren, Symbole, manchmal auch Sprüche. Die Darstellung soll die „maiestas domini“, die Würde bzw. das Ansehen des Herrn verkörpern, wie Sie auch in der Kathedrale Saint-Lazare in Autun in Frankreich zu finden ist.
Die Symbolik auf dem Eingangsportal von St. Hippolyt gestaltete der Benediktinermönch Sebastian Koller aus dem Stift Lambach. Zu sehen sind die Buchstaben Alpha und Omega sowie Genesis und Apokalypse für Anfang und Ende des menschlichen Daseins. Ebenso die Gestalt Moses mit den Gesetzestafeln als Mahnung zur Einhaltung der Zehn Gebote.
In der Pfarrkirche Vichtenstein ist ein Fächergewölbe zu sehen, das von drei Säulen getragen wird. Durch das Strebewerk gestützt, können die Pfeiler ungehindert im Kirchenschiff vom Boden bis zur Decke führen. Das Gewölbe wird von einem Geflecht von mehr oder weniger verknüpften Rippen überzogen, in deren Scheitelpunkt sich meist ein besonders gestalteter Schlussstein befindet. In unserer Kirche trägt der Schlussstein im Chorraum das Antlitz des Kirchenpatrons. Ähnliche Gewölbeformen sind zum Beispiel im King´s College in Cambridge und in der Kapelle des Heinrich VII in Westminster Abbey (beide Großbritannien) zu finden.
Das Maßwerk ist das auffälligste Architekturelement der Gotik. Es ist ein steinernes Gerüst im Spitzbogen der Fenster, das aus profilierten Stäben, Kreissegmenten oder Geraden besteht, die das Glas sichern. Es herrscht eine schier unerschöpfliche Schmuckformenvielfalt: Flammen-, Fischblasen-, Herzen-Blumen,- Dreieck-, Viereck- oder Fünfeckmuster, die rund oder eckig gefertigt sein können. Das Maßwerk der Pfarrkirche Vichtenstein weist Ähnlichkeiten mit der Kathedrale von Brügge und dem Kloster Bebenhausen auf und zeigt u.a. ein obenliegendes Dreiblatt mit zwei Nonnenköpfen.
Typisch für den gotischen Stil sind hohe, großformatiger Fenster. Diese ließen reichlich Sonnenlicht ein, und machten so den Kirchenbau zu etwas Überirdischem – zum Portal ins Paradies und zur “Himmelstadt Jerusalem“ auf Erden. Zugleich erzählten die mit Szenen aus der Bibel bemalten Fenster oftmals biblische Geschichten, da im Mittelalter nur ein geringer Anteil der Bevölkerung das Lesen beherrschte. Auch die Pfarrkirche Vichtenstein weist imposante, bunt gefärbte Fenster mit biblischen Symbolen auf, wie sie z.B. auch in der Sainte-Chapelle in Paris zu sehen sind. So schildert das Fenster im Altarraum den Lebens- und Leidensweg des Märtyrers Hippolyt durch Abbildungen von Bischofsmütze, Bischofsstab, Evangelienbuch, Hand-und Fußfesseln.
Skulpturen & Bildhauereien
Die Madonnen in der Gotik sind so geformt, dass sie die Gestalt einer Säule bewahren, da Säulen als Stütze des Glaubens betrachtet wurden. Sie werden auch als „schöne Madonnen“ bezeichnet. Das obligatorische Jesuskind halten sie dicht an ihrem Körper, so dass Gottesmutter und Gottessohn eine optische Einheit bilden. Als ein kleines Heiligtum reiht sich folgerichtig "die Hausmutter von Vichtenstein", eine Holzstatue der Madonna mit Jesuskind ein, die um 1430 entstanden ist und die in der Schlosskapelle ausgestellt ist.
Malereien der Pfarrkirche Vichtenstein
Als letzter wichtiger kunstgeschichtlicher Aspekt sind die Malereien in der Pfarrkirche Vichtenstein zu nennen. Die Kreuzwegmotive ähneln jenem Motiv, wie es auf der „Kreuzabnahme“ von Rogier van der Weyden (1435 – 1440) zu sehen ist. Typisch für die Epoche ist das Vorherrschen der Bedeutungsperspektive, bei der die räumliche Tiefe fehlt. Bildhintergründe oder Bilderrahmen sind vornehmlich in der Farbe Gold gehalten, da die Kirche das Aussehen und das Motiv der Gemälde bestimmte.
Diese Zusammenfassung soll einen kurzen Überblick über die historischen und kunstgeschichtlichen Perspektiven, die in der Pfarrkirche Vichtenstein zu finden sind, geben. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an das Pfarrbüro.
Ein besonderer Dank sei an dieser Stelle an Karl Heinz Dörr gerichtet, der die kunstgeschichtlichen Aspekte der Pfarrkirche Vichtenstein umfassend recherchiert und dieses Wissen anschaulich aufbereitet hat.