Predigt zum Evangelium des 4. Fastensonntags

Blindheit ist keine Strafe Gottes! Vielmehr schenkt Gott Klarsicht, wo wir es am Wenigsten erwarten
Liebe LeserInnen! Heute begegnet uns eine der vielen Heilungsgeschichten aus der Bibel: Ablauf wie immer. Jesus kommt mit seinen Jüngern in ein Dorf. Sie begegnen einem Blinden. Jesus heilt ihn. So weit, so bekannt. Doch einige Dinge sind bemerkenswert anders an dieser Geschichte. Ähnlichkeiten mit der derzeitigen Situation nicht ausgeschlossen.
Dieses Mal fragt Jesus den Blinden nicht, ob er geheilt werden will. Er schreitet zur Tat. Er macht einen Teig aus den vorhandenen Mitteln, Erde und Speichel, und klatscht ihn dem Blinden ins Gesicht. Er drückt ihm buchstäblich „was auf Auge“. Angenehm war das sicher nicht. Dann schickt er ihn fort, sich zu waschen. Uns wird gerade einiges von Fachleuten, Politikern und auch von Kirchenoberen „aufs Auge gedrückt“. Wir sehen, hören, spüren nichts Besonderes. Trotzdem sollen wir nicht arbeiten, nicht zur Schule gehen, nicht mit Freunden treffen. Keine Gottesdienste. Da wird uns was zugemutet! Gemeinschaft leben, indem wir uns von einander fernhalten.
Jesus schickt den Blinden also fort, um sich zu waschen. Runter mit dem ganzen Dreck, der sich auf ihm abgelagert hat. Auf dem Leib und auf der Seele. Der pure Mensch kommt darunter hervor. Und der kann sehen. Er sieht Bäume und Häuser und Menschen. Er sieht, wohin ihn sein Leben gebracht hat. Er kann Altes hinter sich lassen und ist jetzt bereit für einen Neubeginn. Klarsichtig ist der ehemalige Blinde, kaum wieder zu erkennen. Und er weiß genau, wem er diese Klarsicht zu verdanken hat: Jesus. Er ist der von Gott gesandte Messias, der mitgeht, heilt und stärkt. Darum rennt der Geheilte auf dem schnellsten Weg zurück zu ihm.
Was wird uns klar geworden sein, wenn wir wieder „zurückkommen“ in unseren Alltag? (Wie) wird sich unserer Wahrnehmung verändert haben? Welcher „Teig“ muss runter, damit wir den puren Menschen erkennen? Werden wir Gottes Handeln an uns wahrnehmen können?
Nun fehlt noch die offizielle Bestätigung der Heilung durch die Pharisäer, der anerkannten Kontrollinstanz für Gesundheit und Gesellschaftsfähigkeit. Doch die Pharisäer bleiben blind. Was sie sehen: ein Blinder = ein Sünder. Was sie sehen: Jemand hat am Sabbat einen Teig gemacht. Das ist Arbeit und ist verboten. Klarsicht? Fehlanzeige. Sie können sich nicht vorstellen, dass Gott anders handelt als sie es gewohnt sind. Außer der Norm. Durch einen dahergelaufenen Wanderrabbi. Vielleicht auch durch Ärzte, Pflegende, Helfende, Betende.
Werden wir ihn erkennen? Und wird uns diese Begegnung verändern