Dr. Ines Bernt-Koppensteiner
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Leidensweg von drei am Friedhof in Sierning in einem Massengrab begrabenen Opfern eines menschenverachtenden Regimes
Mit diesem „Mahn-Denk-Mal“ gedenken wir Menschen, die einen Namen, eine Identität hatten, die ihnen ein menschenverachtendes Regime bewusst geraubt hatte.
Wir gedenken dreier Opfern, deren Namen wir jetzt nach langer Zeit durch Zufall kennen lernten. Aber wir denken auch an die zehn ungarischen Juden und 23 KZ-Häftlinge der Saurer Werke in Simmering unterschiedlicher Herkunft und Konfession, deren Namen die historischen Quellen noch nicht preisgegeben haben.
Stellvertretend für alle vergessenen, unbekannten, hier begrabenen Opfer geben wir den drei Identifizierten ihre Namen und damit ihre Identität zurück.
Der Franzose Lucien TRUFFY kannte das KZ Steyr bereits, bevor er für die Saurer Werke in Wien arbeiten musste. Er wurde am 31. März 1904 in Saint Savin (früher Saint-Savin-sur-Gartempe im Département Vienne in der Region Nouvelle-Aquitaine) geboren, war von Beruf Dreher, ein in der NS-Rüstungsindustrie gefragter Beruf, war verheiratet und hatte einen Sohn.
Er wurde als Aktivist der französischen KP mit anderen „Kämpfern“ festgenommen und nach verschiedenen Gefängnisaufenthalten im Sammellager Compiègne interniert. Über das Gestapo-Lager Neue Bremm in Saarbrücken kam er am 25. März 1944 in das KZ Mauthausen. Er erhielt die Häftlingsnummer 60 647 und wurde als Dreher ins Außenlager Steyr zu den SDP-Werken geschickt. Ein halbes Jahr später, am 25. November 1944, wurde er ins Stammlager rücküberstellt und bereits am 1. Dezember 1944 ins KZ Auschwitz geschickt. Als der KZ-Komplex Auschwitz im Jänner 1945 evakuiert wurde, traf sein Transport nach einem Todesmarsch bis Gleiwitz am 29. Januar 1945 im KZ Mauthausen ein. Truffy erhielt hier die Häftlingsnummer 124 412 und wurde unter der NS-Haftkategorie „Schutzhaft“ geführt.
Nach der Quarantänezeit wurde er am 24. Februar 1945 in das Außenlager Saurer-Werke in Wien-Simmering überstellt. Wegen der herannahenden Roten Armee begann Ostern 1945 der Todesmarsch ins KZ Steyr, das wegen Überfüllung die ca. 1000 Häftlinge vorerst nicht aufnahm. Deshalb wurden sie ab 17. April auf drei Bauernhöfe in Gründberg verteilt. Beim Abmarsch am 23. April 1945 war Truffy so erschöpft, dass er trotz Hilfe seiner Kameraden nicht mehr weiter konnte. Er wurde von einem Bewacher an der Sierningerstraße – wahrscheinlich im Bereich „Bierhäuslberg“ - erschossen und den Abhang zur Steyr hinuntergestoßen.
Emil KLAUSAT stammte aus Ostpreußen. Er wurde am 29.11.1903 in Petratschen / Kreis Memel geboren, war Arbeiter in Tapien, wohnte Dajmelstraße 12 und blieb ledig. Obwohl er seine drei kleinen Gefängnisstrafen wegen diverser Diebstähle schon 1940 verbüßt hatte und nun in Viehof bei Labiau wohnte, wurde er am 17. Juni 1943 abermals wegen derselben Delikte von einem Sondergericht der Staatsanwaltschaft Königsberg zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt mit einer „Straf- und Verwahrungszeit“ bis Kriegsende. Er durchlebte innerhalb eines Jahres drei Haftanstalten (Werl, Münster, Kaisheim), in denen die Häftlinge Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie leisten mussten.
Am 13. Juni 1944 wurde er durch die Kripo München/Kaisheim in das KZ Mauthausen eingeliefert, erhielt die Häftlingsnummer 71 679 und wurde der NS-Haftkategorie „SV“ (Sicherungsverwahrung) zugeteilt.
Vom 24. Juni 1944 an war er beim Arbeitskommando Linz II eingesetzt. Am 29. Juli 1944 ist er bereits im Krankenrevier verzeichnet. Schließlich wurde er am 11. Oktober 1944 in das Arbeitskommando Wien-Saurerwerke überstellt. Nach der Evakuierung dieses Lagers und einem fast dreiwöchigen Todesmarsch mit Ziel KZ Steyr wurde er während des Aufenthaltes in Gründberg am 22. April 1945 ermordet. Nach Lageraufzeichnung starb er am Tag vor dem Abmarsch ins KZ Steyr angeblich an „akuter Herzschwäche bei allgemeiner schlechter körperlicher Verfassung“, nie werden wir erfahren, wie er wirklich umkam.
Henryk KROWICKI, ein polnischer Staatsbürger, wurde am 24. März 1912 in Lipkay, damals Bukowina (später: Bessarabien; heute: Grenzstadt im NW Moldawiens zu Rumänien) geboren. Er lebte aber in Warschau-Wilanow, Powsinska 30, war verheiratet und von Beruf Gärtner. Noch während des Warschauer Aufstandes (1.Aug. – 3.Okt.1944) wurde er gefangen genommen und mit zig-Hunderttausenden Zivilisten ins Durchgangslager (Dulag 121) Pruskow gebracht, wo die Menschen nach ihrer Arbeitskraft selektiert wurden. Von hier ging bereits am 2. September 1944 ein Transport mit 9260 Häftlingen ins KZ Groß-Rosen ab, wo er am 5. September eintraf. Krowicki erhielt die Häftlingsnummer 32 639. Zwei Wochen später, am 18. September, wurde er ins KZ Mauthausen überstellt, wo er am 20. September eintraf, mit der neuen Häftlingsnummer 104 619 registriert wurde und bereits 4 Tage darauf, am 24. September 1944 ins Außenlager Saurer Werke in Wien Simmering geschickt wurde. Nach dem Todesmarsch von Wien nach Steyr wurde er am 20. April 1945 während des Aufenthaltes in Gründberg ermordet. Die offizielle – allerdings – fingierte Todesursache lautete „akute Herzschwäche bei chronischer Nierenentzündung“, die tatsächlichen Umstände seines Todes liegen im Dunklen.
Quelle: Archiv des International Tracing Service (ITS) Bad Arolsen;
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