Bericht Bischofsvisitation
Kirche, wo bist du?
Mensch, wo bist du? Kirche, wo bist du? Wo ist dein Platz? Der Weg der Kirche ist der Mensch (Johannes Paul II.). So ist der Platz der Kirche auf den Straßen und Wegkreuzungen, zwischen Dienstleistungen und Industrie, in den Kirchen und Kapellen, auf den Wallfahrten und Besinnungswegen, bei den Krippen und bei Asylwerbern und Flüchtlingen, in der Schönheit der Liturgie, der Kunst und der Natur, zwischen Brauchtum, Tradition und stillem Exodus, zwischen Heimat und Weltkirche. Kirche von Linz: Wo bist du nicht (mehr)? Wer hat keinen Ort (mehr) in der Kirche? Wer fühlt sich meist nicht durch bewusste Ausgrenzung oder Entscheidung fehl am Platz, nicht erwünscht …? Wo hast du dich resigniert zurückgezogen, bist in Deckung gegangen, hast ein Alibi gesucht in deiner Verantwortung? Welche Milieus erreichst du schon lange nicht mehr? Wer hat dich überfordert? Wer geht uns ab? Wer hat sich entfernt, wer ist zu kurz gekommen, nicht wahrgenommen?
Die Kirchengestalt der vergangenen Jahrhunderte ist (teilweise) in Auflösung begriffen. Strukturen, Sicherheiten und Institutionen sind fragwürdig geworden. Das hat massive Auswirkungen für unser Selbstverständnis, für die Plausibilität, die wir für unser Tun (nicht mehr) erwarten können. Man kann darauf depressiv mit einer Fixierung auf eine heile Vergangenheit reagieren. Ist es nicht auch möglich, diese gegenwärtige Situation anders zu deuten und zu leben? Die Krise bietet auch die Chance zum Exodus, zum Aufbruch. Es stellt sich die Frage, ob wir Probleme haben, nur um unsere Krisen kreisen, auf das Negative fixiert sind, oder ob wir eine Frohe Botschaft haben, die wir gerne weitergeben wollen.
Wir haben das große Engagement von Ehren- und Hauptamtlichen, Laien und Klerus wahrgenommen, in den je verschiedenen Rollen und Leitungsmodellen der Pfarren; aber ebenso wieder einmal die prekäre Personalsituation. Insgesamt hat die Mitarbeit der Laien in den letzten Jahren eine sehr positive Entwicklung genommen. Es gibt ein miteinander reden, ein voneinander lernen, ein aufeinander hören.
Bei der Visitation haben wir viel Positives, aber freilich auch von Enttäuschungen gehört: Wie geht es weiter? Haben wir einen Priester am Ort? Oder provokant: Braucht es in Zukunft überhaupt noch Priester? Ehrenamtliche und Hauptamtliche fühlen sich überfordert. Die Sonntagspraxis geht in fast allen Pfarren massiv zurück. Gibt es überhaupt noch attraktive Angebote für Kinder und Jugendliche oder auch für Männer? Wie und von wem wird Leitung der Kirche am Ort wahrgenommen? Die Bilder und Vorstellungen von Kirche driften auseinander. Auch manche persönlichen Verletzungen und Konflikte haben wir mitbekommen. Einzelne Fragestellungen gerade mit Blick auf die enge Personalsituation brauchen noch eine Bearbeitung auf Diözesanebene in Abstimmung mit den Verantwortlichen im Dekanat. Es ist uns dabei bewusst, dass wir nicht für alle Probleme rasche Abhilfe versprechen können, aber wir sind bemüht, zusammen gute Lösungen zu finden. Es muss uns freilich klar sein: Pfarren und kirchliche Orte sind als real existierende menschliche Gemeinschaften kein idealistisches Paradies.
Die in der Zwischenzeit präsentierten Zukunftsüberlegungen basieren auch auf dem Hintergrund unserer Wahrnehmungen bei den Visitationen.
Papst Franziskus will Mut zum Risiko und zum Experiment auslösen. Dabei ist ihm klar, dass Wagnisse, die Neues versuchen, durchaus auch schiefgehen können. Doch Fehlerfreundlichkeit ist besser als Mutlosigkeit: „Mir ist eine »verbeulte« Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist. Ich will keine Kirche, die darum besorgt ist, der Mittelpunkt zu sein, und schließlich in einer Anhäufung von fixen Ideen und Streitigkeiten verstrickt ist.“ (EG 49) Deshalb plädiert der Papst für eine Kirche der offenen Türen, so dass alle irgendwie am kirchlichen Leben teilnehmen können.
Die Kirche hat nur dann eine Zukunft, wenn es ein Miteinander gibt
Wir danken allen im Dekanat Steyr, die sich in den vielen unterschiedlichen Bereichen ehrenamtlich in den Pfarren, kirchlichen Einrichtungen, kulturellen und sozialen Institutionen einbringen. Das Ehrenamt ist oft die Weitergabe dessen, was die Menschen selber empfangen haben. Gerade durch das freiwillige und großzügige Engagement vieler Menschen wird das Leben in den Pfarren, aber auch in den Vereinen und politischen Gemeinden getragen.
Wir danken aber auch allen, die sich in den Pfarrgemeinden, in der kategoriellen Seelsorge, in den Schulen und an anderen pastoralen Orten hauptamtlich als Seelsorger und Seelsorgerinnen für die Menschen einsetzen.
Nur im Miteinander und in der gegenseitigen Ergänzung, Korrektur und Kooperation können wir Kirche verwirklichen: Eine Kirche, deren Wesensmerkmale in allen Pfarren attraktiv gelebt und lebendig gestaltet werden sollen. Diese Wesensmerkmale oder Grundvollzüge sind die Verkündigung des Wortes Gottes, die Feier verschiedener Formen der Liturgie, die Hilfe für die Armen und schließlich die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander sowie in Beziehung zwischen uns und Gott. Alles muss eingebettet sein in das Weitersagen dessen, was uns selbst Lebensreichtum geworden ist – Jesus Christus und seine heilsam befreiende Botschaft. Gemeinsames Handeln im Zusammenbringen unterschiedlicher Kompetenzen ist dabei ein Zeichen der Stärke – kein Eingeständnis der Schwäche einzelner Bereiche oder Gruppen!
Wir danken nochmals allen, die mit ihrem großen Einsatz zum Gelingen der Dekanatsvisitation Steyr beigetragen haben und wünschen weiterhin allen Christinnen und Christen in der katholischen Kirche viel Freude und Gottes Segen!
Linz, am 6. Februar 2019
Das Visitationsteam
Dr. Manfred Scheuer, Bischof von Linz
Severin J. Lederhilger, Generalvikar
Wilhelm Vieböck, Bischofsvikar