Einheit in Vielfalt
Warum ist man katholisch oder evangelisch?
Roman Fraiss: Ich bin evangelisch, weil meine Eltern es gewesen sind. Ich liebe meine Kirche und bin sehr glücklich darin. Das heißt aber nicht, dass andere Kirchen nicht ebenso liebenswert und gut sind.
Markus Himmelbauer: Nur einige Wenige entscheiden sich ausdrücklich, ihren christlichen Glauben in der oder in jener Form zu leben. Für die meisten ist es eine Familientradition, in die man hineinwächst und die einen stärkt.
Fraiss: Es ist ein bisschen wie bei einem Auto. Wir fahren beide den gleichen Autotypen mit dem gleichen Motor. Nur die Farbe außen und die Tapezierung der Sitze unterscheiden sich. Über solche Äußerlichkeiten kann man trefflich streiten und doch ist uns das meiste gemeinsam.
Das Abendmahl, die Eucharistie, die Kommunion ist doch ein trennender Punkt?
Fraiss: Wir sind uns einig, dass uns in Brot und Wein Jesus Christus begegnet. Wir sind uns einig in der biblischen Grundlage.
Himmelbauer: Das Abendmahl selbst trennt uns eigentlich nicht, denn beide Kirchen bekennen, dass Jesus in Brotgestalt voll und ganz gegenwärtig ist. Aus katholischer Sicht ist das Problem, dass die evangelischen Kirchen nicht dem Papst unterstehen. Denn nur das Amt unter dem Nachfolger des Heiligen Petrus in Rom könne die volle Gestalt der Eucharistie garantieren. Aber wir machen vor dem Kommunionempfang keine Glaubensüberprüfung.
Fraiss: Katholische Christen sind bei uns zum Heiligen Abendmahl eingeladen.
Was schätzen Sie an Ihrer eigenen Konfession?
Fraiss: Die vielen verschiedenen Menschen, Haupt- und Ehrenamtliche, die gemeinsam an ihrer Kirche bauen. Unsere Kirche war immer schon bunt und ein bisschen chaotisch. Das gehört zu uns.
Himmelbauer: Mir hilft, dass ich nicht alles zwischen mir und dem Lieben Gott selbst ausmachen muss. Die Institution der Kirche ist sehr stark und sie sagt: Wenn du bei uns bist, bist du schon mal auf dem richtigen Weg. Das entlastet mich. Und mir gefällt, dass der Katholizismus viel an Volksglauben und Volksfrömmigkeit aufnehmen und deuten kann.
Wie steht es um die Ökumene in Seewalchen?
Himmelbauer: Der Gottesdienst mit Bischof Chalupka kann diesen Sonntag leider nicht stattfinden. Wir hoffen auf einen Termin im kommenden Jahr. Das Florianifest Anfang Mai mit der Feuerwehr und die Ehejubiläen Anfang August feiern wir gemeinsam.
Fraiss: Ich habe im Lauf der letzten Jahre deutlich mehr als fünfzig Gottesdienste in der Jakobuskirche feiern dürfen: Trauungen, Beerdigungen, Schülergottesdienste und ökumenische Feiern. Sie ist mir inzwischen sehr vertraut.
Himmelbauer: Während der Umbau- und Renovierungsarbeiten unseres Gotteshauses durften wir Katholiken Sonntag für Sonntag in der Gnadenkirche zu Gast sein. Und ich persönlich freue mich schon, bei der Orgelweihe im Herbst in der Rosenau dabei sein zu können.
Welche Kirche muss sich auflösen, dass es zu einer „Einheit der Kirchen“ kommt? Oder wird eine neue Kirche mit Elementen aus allen entstehen?
Himmelbauer: Keins von beiden. Jede Kirche hat ihren Schatz und das soll auch so bleiben. Das Stichwort ist „Einheit in Vielfalt“: Wir haben jede unsere Traditionen und Theologien, aber uns verbindet das eine Thema, Gottes Spuren in der Welt sichtbar zu machen, so wie Jesus aus Nazareth es uns gezeigt und vorgelebt hat.
Fraiss: Ein katholischer Priester hat einmal zu mir gesagt. Wir brauchen einander als Konkurrenz und Vorbilder. Wir können und sollen voneinander lernen.