Pfarrmoderator Franz Schobesberger
Mag. Brigitte Reisinger
SDir. i. R. Anton Scheucher
Prof. Rudolf Amschl
OSR Dir. i. R. Heinz Ertl
Moderator:
Dr. Karl Reininger
Nach der Begrüßung der zahlreich anwesenden Personen durch das KBW-Team übernimmt der Moderator Dr. Karl Reininge das Wort. Er betont, dass die Veranstaltung unter dem Motto "die 68iger Bewegung in der Kirche" steht. Und er stellt die Fragen: Wie wirkt dieser Geist in diesem Licht nach, gerade auch in unseren Pfarren? Wie könnte dieses 2. Vatikanum in der heutigen Zeit uns mehr bewegen?
So soll die erste Runde der Verständnisfrage dienen: Wie war die Zeit vor dem 2. Vatikanischem Konzil? Wie waren damals die Zustände in der Kirche?
Die Podiumsteilnehmer werden aus ihrem eigenen Leben mit allen den eigenen Erfahrungen, die sie gemacht haben, berichten.
Er macht als Schwerhöriger eine Anspielung, dass er als Vertreter der lehrenden Kirche nicht hört. So wie die lehrende Kirche die hörende Kirche nicht gehört hat. Das 2. Vatikanum wird man nur verstehen, wenn man sich mit dem Vorher des 2. Vatikanischen Konzils befasst hat. Die Laien wurden völlig ignoriert. Sie waren Objekt der Seelsorge, nicht Subjekt. Priester waren die einzigen Mittler zwischen Mensch und Gott. Bischöfe, Kardinäle und Päpste waren weit darüber angesiedelt. Kritik an Kirche und Papst war überhaupt nicht erlaubt.
Die Kirche war „unfehlbar“, der Papst sowieso. Es hat so gut wie keine Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit gegeben. Die Kirche war vor dem Konzil ausschließlich hierarchisch geprägt. So wirkte das 2. Vatikanische Konzil befreiend. Es herrschte große Aufbruchstimmung.
Mag. Reisinger:
Sie kam einige Jahre nach dem Konzil zur Welt und erlebte so in ihrer Studienzeit die große Aufbruchstimmung. Pfarrer August Zauner war auf der Schiene des 2. Vatikanums, so dass der Geist der 68er Bewegung in unserer Pfarre sofort Platz gefunden hat.
Aufbruchstimmung in den Gremien. Das Pfarrgefüge wurde sehr lebendig. Menschenfreundliche Kirche, Vielfalt in der Einheit. Die Frucht des 2. Vatikanums ist ein gutes Miteinander. Gott baut ein Haus aus vielen bunten Steinen.
Bis zur Installierung des PGR nach dem Konzil war er Pfarrkirchenrat. Das war die amtliche Einrichtung einer Pfarre. Vom Pfarrer gebeten und nach der persönlichen Zustimmung bekam man das Dekret von der Diözese ausgestellt.
Frage des Moderators: Wie war die Wirkung des Vatikanums auf den Religionsunterricht?
Antwort: Die Grundlage vor dem Konzil war der Katechismus. Er war eine gute Quelle, weil er ein Grundgerüst vorgegeben hat. Der neue Katechismus ist hoch kompliziert. Fragen werden wissenschaftlich behandelt, die vom gewöhnlichen Volk und da zählt er sich auch dazu, na ja … Es müssten die Bischöfe und Kardinäle die Worte des Volkes sprechen und nicht die Sprache der Wissenschaft.
Auf den Lehrplan hatten die Lehrer überhaupt keinen Einfluss. Der wurde vorgegeben und der Lehrer musste sich daran halten. Der Lehrer wurde vom Inspektor geprüft. Das Entscheidende nach dem Konzil war, dass den Schülern die Weltreligionen erklärt werden konnten und dass auch die Feststellung zugelassen wurde, dass das Heil nicht nur allein in der katholischen Kirche, sondern in allen Religionen gefunden werden kann.
Er hat seit dem Konzil sowohl das Bundesland als auch seine Heimatpfarre gewechselt. Er war nach dem Vatikanum noch einige Jahre in der Steiermark, und erlebte dort schwere Auseinandersetzungen innerhalb der Kirche, nämlich der Klerus gegen Bischof Schoiswohl, der die Laien verstärkt in den Gottesdienst einbinden wollte. Bischof Schoiswohl hat sich 1968 zurückgezogen, Nachfolger war Bischof Weber, der den Klerus beruhigen konnte. 1974 dann kam Rudolf Amschl nach Schärding.
Dieses Jahr besonders ist ihm in bester Erinnerung. Da hat es ihm nämlich die barocke Kirche, erbaut 1809/10 gleich angetan. Und immer noch und immer wieder betritt er sie gerne und erzählt auch ihre Geschichte, wozu er als Stadtführer immer wieder gute Gelegenheit hat. Als Veränderung durch das Vatikanum sind ihm vor allem der Volksaltar und die deutsche Sprache bei Gottesdiensten im Gedächtnis geblieben.
Frage des Moderators: Die Rolle der Kirchenmusik vor und nach dem Vatikanum.
Antwort: Er kam als junger Lehrer 1948 nach Esternberg und da gleich zum Kirchenchor. Da gab es natürlich nur lateinische Messen. Er wurde dann auf drängen des Esternberger Pfarrers Organist, obwohl er im Krieg beide Beine verloren hat. Doch übte er fleißig, monate- und jahrelang. Nach und nach hat er dann vor der Messe neue Lieder in deutscher Sprache mit dem Volk einstudiert und in die Messe eingeflochten. Er hat auch von der Sprache her für das Volk verständliche neue Messen eingelernt, was sehr positiv angenommen wurde. Und er weiß einige Anekdoten zu erzählen.
Dr. Reininger bedankt sich für die Darstellungen und ladet das Publikum nun zur zweiten Runde ein, nämlich, Fragen zu stellen und auch zu diskutieren.
Frage: Wann ist der Volksaltar gekommen und wann wurde die deutsche Sprache wirklich eingeführt?
Antwort: 1966 der Volksaltar, das Volk freute sich über das gemeinsame feiern der Messe. Die deutsche Sprache kam ziemlich schnell nach dem Konzil. Die gesamte Reform ab den 70iger Jahren.
Frage: Koppelt sich die Amtskirche vom Volk ab oder umgekehrt, manche sagen, die Entwicklung geht sogar zurück ?
Schobesberger: Man muss unterscheiden. Es liegt sicher an der Kurie und beim Papst. Es werden Kardinäle ernannt die zurück gehen. Der Kopf ist woanders hingeraten als der übrige Körper. Auf der ganzen Welt gibt es Probleme mit Bischöfen. Die Theologie geht zum Großteil einen sehr offenen Weg, die Hierarchie aber ist zurück haltend.
Reisinger: Die tragenden Säulen des Aufbruches sind noch im Amt. Doch scheibchenweise wurden viele Selbstverständlichkeiten zurück genommen. Wie schaut es in 10 bis 15 Jahren aus? Wie wird Kirche wirklich? Wo bewegen wir uns jetzt hin? Was fehlt uns am meisten?
Frage: Was könnten wir jetzt unternehmen, damit es wieder mehr Kirchenbesucher gibt?
Schobesberger: Trotz vieler Fehler damals in der Kirche gingen viele in die Kirche. Doch hat sich die Gesellschaft geändert, das religiöse Empfinden hat sich geändert, es haben sich die Traditionen geändert. Es wäre ungerecht, dass man dem 2. Vatikanum die Schuld gibt. Das frühere traditionelle Christentum war vielfach mileubedingt. Der Glaube war sozialisiert, oft nicht persönlicher Glaube.
Was man heute machen kann? Versuchen, auf das einzusteigen, was Bedarf ist. Aus einem bestimmten Geist heraus etwas gestalten. Leben wir Gemeinschaft.
Reisinger: Die Mystik fällt weg. Früher hatten die Menschen Angst vor der Hölle. Die alt herkömmlichen Traditionen sind leer geworden. Es fehlt an neuen Symbolen und Riten. Das Zentrum ist die Predigt. Dass man sich was mitnimmt für das Leben. Es gilt Brücken zu schlagen über Tauf- und Firm Vorbereitung. Wo man spürt, hier gibt es etwas abzuholen. Zu zeigen, so fad und so tot ist die Kirche ja gar nicht. Die Frohbotschaft ist vordergründig.
In der Vergangenheit war die Anzahl der Gottesdienste nach der Anzahl der Priester definiert. Jetzt sind Gottesdienste nach der Anzahl der Menschen und der Gruppen definiert.
Frage: Wie ist das mit den Pfarrzusammenlegungen?
Schobesberger: Wenn die Kirche das macht, begeht sie Selbstmord. Die Zukunft für Wachstum sind vernetzte kleine Gruppen. Diese bieten Heimat und Geborgenheit. Da wird Gottesdienst gefeiert. Die großen Feste feiern die Gruppen gemeinsam. Die Stärkung dieser Art von Kirche war ein Ziel des 2. Vatikanums.
Reisinger: Die Wertigkeit der Kirche ist herabgesetzt. Das liegt auch an den Eltern. Im Taufgespräch sagen diese zu, ihr Kind religiös zu erziehen. Die Kinder übernehmen die Haltungen der Eltern von a bis z. Es gibt punktuelle Ereignisse die man feiert. Wertehaltungen müssten der Jugend mitgegeben werden.
Frage: Initiative von Schüller, Zölibat, wieder Verheiratete Geschiedene, ect.
Schobesberger: Benedikt der XV. hat jede moderne Bibelübersetzung untersagt, alles verboten, es gibt nur die traditionelle Auslegung. Aber man hat still und leise gearbeitet, man hat sich gesagt, irgendwann ist es soweit. Trotz Verbot bis an die Grenze gehen, manchmal darüber. Man hat Vorarbeit geleistet. Wenn man strengen Gehorsam lebt, schadet man der Gemeinschaft und sich selbst. Es ist manchmal nötig, einen Weg zu probieren, von dem man überzeugt ist, er ist richtig. In dieser Richtung ungehorsam sein ist positiv.
Frage: Was ist von den Gegenbewegungen der Bruderschaften zu halten?
Schobesberger: Die Pius-Bruderschaft lehnt alles radikal ab, sie fordert ausschließlich Kontinuität. Das 2. Vatikanum war teilweise ein Bruch. Die Festlegung - Außerhalb der Kirche kein Heil – wurde aufgegeben.
Die Petrus-Bruderschaft lehnt das 2. Vatikanum auch teilweise ab, weil es einen Bruch mit der Tradition bedeutet. Sie gehen aber einen gemäßigteren Weg, ein Teil ist anerkannt. Liturgie und Gottesdienst sind lateinisch.
Frage: Was wollte Jesus wirklich?
Schobesberger: Er wollte den neuen Menschen. Der neue Mensch ist der, in dem Gott zum Zug kommt. Statt Lüge – Wahrheit, statt Gewalt – Friede, usw. Die neuen Menschen geben eine neue Welt. Das neue Mensch-sein ist das Schwierigste. Es wird oft das mystische mit dem mysteriösem verwechselt.
Frage: Wenn der Kopf auf die eine Seite zieht und der Fuß auf die andere Seite, muss es doch den Körper zerreißen. Heißt das dann Spaltung der Kirche?
Schobesberger: Das hängt von beiden Seiten ab. Kopf und Fuß müssen schauen, dass sie zueinander finden. Die Schwierigkeit liegt darin, dass die Kirchenführung Jahrhunderte lang selbstherrlich war „Wir brauchen das Volk nicht.“ Auf dieser Basis wird es nicht gehen. Diese Einstellung hat es schon gegeben, Anfang 16. Jahrhundert. Die Kirche hat damals gravierende Fehler gemacht. Hätte man damals anders gedacht, hätte man sich die Reformation unter Umständen erspart.
Wie kann es gehen? Jede Seite muss zuerst einmal zuhören. Und schauen, wie glaubt und wie lebt der andere. Und es gibt die Hoffnung, wenn man solide arbeitet, von Ehrfurcht und Achtung getragen ist, sachlich bleibt und miteinander spricht, immer wieder und immer wieder spricht, dass es doch anders wird: Steter Tropfen höhlt den Stein.
Bischöfe werden kommen, wie ein Krätzl und ein Aichern. Mit einer guten menschlichen und einer guten theologischen Basis kann etwas erreicht werden. Auch dem hl. Geist muss man was zutrauen, obwohl dieser nur einen kleinen Landeplatz hat.
Dr. Reininger bedankt sich um 22.00 Uhr sowohl bei den Podiumssprechern als auch bei den Besuchern für die rege Teilnahme und schließt mit Zitaten vom 2. Vatikanum.
Bücher zum Thema können Sie in unserer Bibliothek entleihen:
im Untergeschoss des Pfarrzentrums
Mittwoch |
17 - 19 Uhr |
Sonntag |
9 - 12 Uhr |
Bischof; Franz Xaver: |
"Das Zweite Vatikanische Konzil (1962 - 1965)" |
Dirnbeck; Josef: |
"Anstoß in Rom" |
Heise; Irene: |
"Auch sie sind Kirche!" |
Krätzl; DDr. Helmut: |
"Das Konzil - ein Sprung vorwärts" |
Prinzing; Marlis: |
"Meine Wut rettet mich" |
Schneider; Theodor: |
"Die aufgegebene Reform" |