Von der Sehnsucht geleitet – von Riedau nach Rom!
Martin – bevor wir loslegen: Vielleicht möchtest du dich unseren Leser/innen, die dich nicht so gut kennen, kurz vorstellen.
Gern. Mein Name ist Martin Gumpoldsberger, bin 28 Jahre alt, gebürtiger Riedauer und wohne nun schon seit mehr als 7 Jahren in Wien, wo ich derzeit an der Universität für Bodenkultur das Masterstudium „Kulturtechnik und Wasserwirtschaft“ absolviere.
Wann hast du zum ersten Mal mit dem Gedanken gespielt, diesen mehr als ambitionierten Fußmarsch anzutreten?
In den letzten Jahren habe ich die Nerven meiner lieben Eltern mit meiner unkonventionelleren Reiselust sehr strapaziert und so habe ich beschlossen, ihnen nicht nur Materielles zu Weihnachten zu schenken, sondern auch ein Versprechen: „Ich werde kommenden Sommer Europa nicht verlassen.“ Von diesem Zeitpunkt an hat sich in meinem Kopf die Idee geformt, Österreich zu durchwandern und die Alpen zu überqueren.
Was gab den Ausschlag für das Reiseziel Rom?
Ich war noch nie in Rom und mit der mir zur Verfügung stehenden Zeit war es zwar knapp, aber ich war mir sicher, ich würde es schaffen. Außerdem konnte ich mich nicht mal verlaufen – wo doch alle Wege nach Rom führen …
War es für dich in gewisser Hinsicht auch eine spirituelle Reise?
2015 bin ich den Jakobsweg nach Spanien gewandert und da habe ich auch das Pilgern für mich entdeckt. Seither hatte ich immer eine gewisse Sehnsucht, mich wieder auf den Weg zu machen. Eine weite Strecke zu Fuß zu bewältigen, lässt mich Gott näherkommen und die Welt besser verstehen.
Warst du die ganze Zeit über mit deinen Freunden/deiner Familie vernetzt oder war es dir wichtig, auch die Social-Media-Kontakte auf ein Minimum einzuschränken?
Meinen Liebsten habe ich zweimal die Woche einen kleinen Eindruck der letzten Tage zukommen lassen. Zugegeben – ich hätte mir gewünscht, noch weniger oft zum Handy zu greifen, aber speziell in Nächten, in denen ich irgendwo im Wald in meinem kleinen Zelt kauernd versuchte, einen klaren Kopf zu bewahren, half mir oft eben diese kleine Brücke nach Hause, wieder neuen Mut zu fassen.
Viele Wege führen bekanntlich nach Rom – aber mit der Alpenüberquerung hast du wohl einen anspruchsvollen beschritten.
Vor den Alpen hatte ich anfangs auch den meisten Respekt, wobei ich im Nachhinein sagen kann, dass mir die Po-Ebene mit ihrer sengenden Hitze oder die Bezwingung des Gardasees körperlich viel mehr abverlangt haben. Aber vielleicht lag es auch an meiner naiven Annahme, dass es nach den Alpen ja nur mehr bergab gehen würde …
Man spricht heute gern von der „Wiederentdeckung der Langsamkeit“. Hat diese Erfahrung der kleinen Schritte einen nachhaltigen Eindruck in dir hinterlassen?
Als Pilger habe ich das langsame Reisen lieben gelernt. Ich komme in Kontakt mit fremden Sprachen, unterschiedlichen Kulturen und trotzdem merke ich immer wieder, dass überall auf der Welt die Menschen im Kern gleich sind, mit ihren Bedürfnissen und Sehnsüchten. Für diese Erfahrung lohnt es sich, sich Zeit zu nehmen.
Wie lange warst du insgesamt unterwegs?
Etwas mehr als 2 Monate, aber effektiv waren es 50 Geh-Tage.
Über einen so langen Zeitraum unmittelbar den elementaren Naturkräften ausgesetzt sein, ist sicher auch ein spezielles Erlebnis.
Man muss nur gut vorbereitet sein, um extreme Hitze, kalte Bergluft oder tagelangen Regen durchzustehen. Natürlich kann es schon mal sehr unangenehm werden, aber rückblickend sind mir auch diese Witterungsbedingungen positiv in Erinnerung geblieben. Glück wird ja erfahrungsgemäß erst außerhalb der Komfortzone wirklich spürbar.
Ich nehme an, du hast den Großteil der Nächte in deinem tragbaren Hotel verbracht?
Ja, fast 30 Nächte. In städtischen Bereichen habe ich meistens in Herbergen übernachtet, doch manchmal war weniger das Bett ausschlaggebend, sondern eher der Wunsch nach einer Dusche.
Welche deiner zahlreichen Begegnungen mit den Menschen vor Ort hat dich besonders berührt oder wird dir auf ewig in Erinnerung bleiben?
Sehr schön war die Begegnung mit Pedro und Manuela. Es war Sonntagnachmittag und ich kam nach 24 Stunden ohne Essen endlich in eine kleine Stadt. Doch in Italien haben nachmittags alle Restaurants geschlossen und ich war am Verhungern und am Verzweifeln. Doch die beiden haben meine Not erkannt, haben mich zu sich nach Hause eingeladen und mich mit extrem leckerem Essen, Melonen und Kaffee wieder aufgepäppelt. - Zwei ganz besondere Engel auf
meinem Weg!
Wie viele Kilometer hast du durchschnittlich pro Tag zurückgelegt?
Also es gab entspannte Tage mit nur 25 km und dann die etwas anspruchsvolleren Etappen mit 55 km. Durchschnittlich waren es ca. 33 km pro Tag.
Gewährst du uns einen Einblick in deinen „Gefühlscocktail“, als du nach 2 Monaten der Wanderschaft am Ziel deiner Reise den Petersdom vor Augen hattest?
Von der Engelsburg aus bis zum Obelisken am Petersplatz, der das Ziel meiner Reise war, führt eine ca. ein Kilometer lange Straße. Die Säule sah ich schon von Weitem und ich hatte genug Zeit, den Moment zu genießen. Im Kopf bin ich viele der schönen Erinnerungen an den Weg, der mich genau hierhergebracht hat, nochmal durchgegangen. Kurz bevor ich sie berührte und den Weg somit beendete, kullerte eine Freudenträne meine Wange runter.
Wenn du die Essenz deiner Reise-Eindrücke und -Erkenntnisse zu einem einzigen Satz zusammenfassen müsstest – wie würde er lauten?
Von der Sehnsucht geleitet …
Gibt es eigentlich Pläne für ein ähnlich abenteuerliches Projekt in der Zukunft oder möchtest du es bei dieser einmaligen Erfahrung belassen?
Abenteuerlich reisen ist bereits ein Teil meines Lebens, den ich nicht missen möchte. Es gibt den E6, den europäischen Fernwanderweg, der würde von Maria Zell aus bis nach Stockholm führen. Das würde mich in ferner Zukunft schon sehr reizen, aber heuer wird erst mal Peru erkundet.
Lieber Martin, „wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen“ – umso mehr bei einer so außergewöhnlichen Reise – wir freuen uns sehr, wenn du uns beim KBW-Vortrag am 4. April 2018 um 19.30 Uhr im Pramtalsaal Riedau daran teilhaben lässt! – Ich nehme an, du wirst auch jede Menge Fotomaterial im Gepäck haben?
Natürlich werde ich unter anderem auch viele Fotos präsentieren.
Martin, vielen Dank für das Interview und ALLES GUTE weiterhin!
(Das Interview führte Günther Willinger)