Ketzer oder Heiliger?
Der evangelische Pfarrer von Vorchdorf, Martin Eickhoff, und der Benediktinerpater Rupert Froschauer vom Stift Kremsmünster beleuchteten aus verschiedenen Perspektiven die Botschaft und die Wirksamkeit Martin Luthers seit der Veröffentlichung seiner Thesen vor 500 Jahren.
Die katholischen Bildungswerke Riedau und Dorf konnten an diesem Thema im "Luther-Jahr" nicht vorbeigehen, weil auch in unseren Gemeinden vor etwa 450 Jahren, also noch vor der Durchsetzung der Gegenreformation – wie auch im übrigen Land ob der Enns – die Gottesdienste nach der damals neuen Lehre gefeiert wurden.
Beide Referenten zeigten auf, dass die Zeiten der konfessionellen Konfrontationen - Gott sei dafür aus ganzem Herzen gedankt - heute vorbei sind. Wir sollten uns alle bemühen, mit einem wohlwollenden Blick in der je anderen Tradition das Gute zu suchen, weil wir damit in unserer Zeit eine neue Ahnung von der Weite des Glaubens an Jesus Christus gewinnen können.
Das entspricht auch ganz dem Anliegen von Papst Franziskus. Deswegen soll der Prediger des päpstlichen Hauses Raniero Cantalamessa abschließend zu Wort kommen. Er hat in der heurigen Fastenzeit zum zentralen Anliegen Martin Luthers vor Papst Franziskus und vielen vatikanischen Mitarbeitern gepredigt:
"Die bedingungslose Rechtfertigung (des sündigen Menschen – Beifügung d. Verf.) durch den Glauben an Christus müsste heute von der ganzen Kirche verkündet werden, und zwar nachdrücklicher denn je. Nicht jedoch in Opposition zu den ‚Werken‘, von denen das Neue Testament spricht, sondern im Gegensatz zu der Anmaßung des postmodernen Menschen, sich selbst zu retten mit seiner Wissenschaft und Technologie oder mit improvisierten und beruhigenden Formen von Spiritualität. Das sind die ‚Werke‘, auf die viele Menschen heute vertrauen."
Der Prediger des päpstlichen Hauses ist überzeugt, dass dies die Art und Weise wäre, in der auch Luther, wenn er ins Leben zurückkehrte, heute die Rechtfertigung durch den Glauben verkünden würde.
Reinhart Daghofer