Gedanken zum Fest Hl. Familie

Liebe Brüder und Schwestern!
Von den vier Evangelisten ist Lukas neben Matthäus derjenige, der noch am ehesten auf die Kindheit Jesu eingeht. Bei Markus hören wir gleich von dem Auftreten Johannes des Täufers, Johannes schreibt in seinem Prolog vom Licht, das in die Welt kommt. Bei Matthäus ist die Sache schon ein bisschen detaillierter. Da lesen wir, wie Josef auf die Geburt Jesu reagiert und wie die Sterndeuter das Kind begrüßen. Der Kindermord von Betlehem wird noch geschildert, sowie die damit verbundene Flucht und Rückkehr aus Ägypten. Aber dann überspringt auch Matthäus 30 Jahre und steigt erst wieder mit dem Auftreten des erwachsenen Täufers in die Geschehnisse ein. Bei Lukas hingegen hören wir noch ein paar Details mehr. Da ist nicht nur die klassische Geburtsgeschichte mit der Herbergssuche und den Engeln, die den Hirten von der Geburt Jesu verkünden, da geht es auch nachher noch weiter. Zunächst mit der Weihe Jesu im Tempel 40 Tage nach seiner Geburt und dann noch eine kurze Erzählung, wo der 12-jährige Jesus im Tempel auftritt. Und erst dann lässt Lukas den erwachsenen Täufer und damit auch den erwachsenen Jesus auftreten.
Die Erzählungen von Lukas machen für mich eines deutlich: Jesus ist nicht einfach geboren worden und schwupps, schon ist er erwachsen und kann sein öffentliches Wirken beginnen. Nein, Jesus musste zunächst alles einmal lernen. Laufen, sprechen, sich selbst anzuziehen. Es sind banale Dinge, Dinge, die irgendwie nicht so recht zu dem großen Redner passen wollen, den wir aus den Evangelien kennen. Aber hat nicht jeder große Mensch einmal ganz klein angefangen? Das Fest der Heiligen Familie will uns genau daran erinnern: Auch Jesus hat einmal klein angefangen. Auch er war auf seine Eltern angewiesen, auf ihre Liebe und Zuwendung. Von ihnen hat er gelernt, was es heißt, an Gott zu glauben, in ihm den Vater zu sehen. Hätte Jesus seine Familie nicht gehabt – wer weiß, wie seine Geschichte dann verlaufen wäre. Und es zeigt auch noch einmal deutlich, dass Gott in Jesus wirklich ganz Mensch geworden ist. Mit aller Hilflosigkeit, mit dem Bedürfnis nach Schutz und Liebe und mit der Notwendigkeit, erst einmal alles von Grund auf zu lernen.
Eine liebe Bekannte von mir hat es in einem weihnachtlichen Text so ausgedrückt:
„Gott wird Mensch.
Nicht als erhabener, erwachsener König in einem prunkvollen Schloss, sondern als Baby, das gefüttert und in Windeln gewickelt werden muss.
Nicht als kraftvoller Ritter auf dem Ross, sondern als neugeborenes Kind, das auf die Hilfe seiner Eltern angewiesen ist.
Nicht als König im prunkvollen Schloss, sondern als Kind in der Krippe.
Keinesfalls so, wie man sich den Retter der Welt vorgestellt hat.
Gott macht sich so klein, dass ihn seine Eltern auf den Arm nehmen müssen.
Der starke Herrscher, der das unendliche Weltall und alles, was darin wohnt, geschaffen hat, ist klein und verletzlich geworden.
Der Friedensfürst, auf den alle gehofft haben, liegt in der Krippe und schreit, dass er Hunger hat.
Ist Gott verrückt geworden?
Nein.
Gott will zeigen, dass wahre Größe darin liegt, nicht davor zurückzuschrecken, sich klein zu machen.
Gott will zeigen, dass in seinem Denken nicht Macht und Inszenierung, sondern Liebe am wichtigsten ist.
Gott will zeigen, wie wichtig wir alle für ihn sind; was er alles tut, um uns zu retten,
und…
… dass unser kleinkariertes Denken nicht alles ist;
… dass ein Kind, das hilflos in einer Krippe liegt, zu dem Menschen werden kann, der die Geschichte der Welt am allermeisten beeinflusst hat;
…dass ein kleines Baby die Macht hat, die ganze Welt zu retten;
…dass Gott uns so sehr liebt, dass er zum hilflosen Baby in der Krippe wird.“
Ist es nicht tröstlich zu wissen, dass Gott sich so klein gemacht hat, um uns begegnen zu können?
Ist es nicht beruhigend zu spüren, dass er uns versteht, weil er all das, was wir erlebt haben, selbst einmal durchlebt hat?
Und ist es nicht befreiend, die Gewissheit zu haben, dass er all das nur für uns getan hat?
Ich denke, das ist es.
Amen