Interview mit Franz de Paula Zach, Pfarrer von Rannariedl 1834-1852
Rannariedler Pfarrblatt: Hochwürdiger Herr Pfarrer Zach! Vorerst herzlichen Dank, dass Sie sich zu einem Interview mit unserem Pfarrblatt herbeigelassen haben. Es ist über 160 Jahre her, dass Sie Rannariedl verlassen haben und ich muss Ihnen leider sagen, dass sich niemand mehr an Sie erinnert. Trotzdem möchten wir einiges von Ihnen erfahren, wie es damals war, als sie Pfarrer von Rannariedl gewesen sind.
Pf.Zach: Dass sich niemand mehr an meinen Namen erinnert, das nehme ich euch wirklich nicht übel. Es wird bei euch einmal nicht anders sein. In 150 Jahren wird niemand mehr wissen, dass ihr überhaupt gelebt habt. Vielleicht ist es daher gut, wenn ich mich mal vorstelle, damit ihr wisst, wie mein Lebenslauf gewesen ist. Ich bin im Jahr 1800 im böhmischen Oberplan geboren und mit Adalbert Stifter, der etwas jünger war, in die Schule gegangen. Nach meiner Priesterweihe 1825 war ich zuerst Kooperator in Helfenberg, Schwertberg und Sarleinsbach. 1831 kam ich zum ersten Mal nach Rannariedl als Provisor. Ein Jahr später wurde ich Pfarrer von Waldkirchen am Wesen und zwei Jahre darauf habe ich mit dem Pfarrer von Rannariedl, Franz Andorfer, die Pfarre getauscht, weil dieser mit dem Schlossbesitzer nicht zurecht gekommen ist. Ich wurde also am 14. Oktober des Jahres 1834 Pfarrer von Rannariedl.
Rannariedler Pfarrblatt: Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie an diese Zeit denken?
Pf. Zach: Zuerst fällt mir der Name Georg Prunner von Prunnberg ein. Er war kaiserlich königlicher Pfleger der Herrschaft Rannariedl gewesen, nachdem diese an die Hofkammer in Wien gefallen war. Von ihm lernten eure Kinder noch lange in der Schule. Zu meiner Zeit war er aber schon Besitzer der Herrschaft. Aber was diesen wichtigen Herrn betrifft, habe ich meine eigene Meinung. Herr Pfleger Prunner hat in seiner Doppelfunktion als Gerichtsverwalter und Eigentümer nicht nur Dokumente gefälscht zum Schaden der Pfarre, er hat auch wertvolle Urkunden und Pfandbriefe, die aus Sicherheitsgründen im Archivschrank des Schlosses aufbewahrt worden sind, verschwinden lassen. Sie sind nie wieder aufgetaucht. Ich habe es durchgesetzt, dass seine Erben wenigstens die Neuausstellung der Pfandbriefe bezahlen mussten. Es hat 10 Jahre gedauert und ich musste deshalb sogar die höchste staatliche Stelle in Wien bemühen, um die Sache in Ordnung zu bringen.
Rannariedler Pfarrblatt: Georg Prunner ist 1839 verstorben und Sie hatten die Ehre, ihn auf dem Rannariedler Friedhof zu bestatten. Ist die Lage unter seinen Nachfolgern besser geworden?
Pf. Zach: An Georg Prunner und seine Gattin erinnert immer noch der prächtige Grabstein, der heute beim alten Kirchenaufgang in Rannariedl aufgestellt ist. Ich muss noch darauf hinweisen, dass zwei Pfarrer wegen Prunner das Handtuch geworfen haben: Pf. Leopold Zollner ist bereits nach 3 jähriger Amtszeit nach Pucking gegangen und Pfarrer Franz Andorfer hat nach zwei Jahren Amtszeit mit mir getauscht, weil er es neben Prunner in Rannariedl nicht mehr ausgehalten hat. Aber besser geworden ist für die Pfarre nach seinem Tod überhaupt nichts. Sein Sohn Franz verkaufte die Herrschaft an den Linzer Rauchfangkehrermeister Leopold Ichzenthaler, dem auch schon das Gut Aichberg und Dachsberg gehörte. Mit ihm flammte der Streit um das Pfarrergartel neu auf.
Rannariedler Pfarrblatt: Herr Pfarrer, es kommt uns doch etwas seltsam vor, dass Pfarrer sich um einen Garten streiten.
Pf. Zach: Ich verstehe schon, dass ihr zu eurer Zeit darüber den Kopf schütteln mögt, auch ich tue es jetzt manchmal, denn unter dem Blickwinkel der Ewigkeit schaut vieles anders aus als auf der Erden. Aber mit dem Pfarrergartel hatte es folgende Bewandtnis: Bevor Rannariedl eine Pfarre wurde, lebte in den Schul- und Pfarrerzimmern der Pfleger der Herrschaft Rannariedl und hatte da seine Amtsräume. Er hatte eine sehr große standesgemäße Wohnung und dazu einen Lustgarten zur Erholung mit Steinstiegen und Springbrunnen. Die Leute nannten ihn den Pflegergarten. Als in Rannariedl der erste Pfarrer einzog, bekam dieser einen Teil der Pflegerwohnung, die anderen Teile wurden zur Schule und Lehrerwohnung umfunktioniert. Der Pfleger selbst zog in das Hauptgebäude des Schlosses hinüber. Der Lustgarten des Pflegers an der Südmauer des Schlosses wurde dem Pfarrer überlassen. Aber zuerst ließ der Pfleger die Steinstufen und den Springbrunnen abbauen und in den Schlossgarten bringen. Die ersten Pfarrer benutzten den Garten nur zur Erholung, dann aber wurde er immer wichtiger als Gemüsegarten, das es nirgends in der Gegend Grünspeisen zu kaufen gab.
Diese wirtschaftliche Nutzung des kleinen Hanges erregte den Neid des Schlossbesitzers, der selbst über mehrere hundert Hektare Wald, Wiesen und Ackerland verfügte. Er verlangte nun Nutzungsgebühren von den Pfarrern. Wir aber betrachteten diesen Garten als unser Eigentum seit jeher. Aber die höheren Stellen haben sich zu meiner Lebzeit vor einer endgültigen Entscheidung, wem der Garten nun wirklich gehören soll, gedrückt.
Rannariedler Pfarrblatt: Welche Erinnerungen haben Sie noch an die Herrschaft Ichzenthaler?
Pf. Zach: Ein zweiter Streit, der sich auch Jahrzehnte hinzog, war der Streit um die Kirchensitze. Die Herrschaft hatte kostenlose Kirchensitze im Oratorium, einer Mauerbrüstung, die von den Herrschaftszimmern in die Kirche hineinragte. Weiters gab es reservierte Sitze für das Dienstpersonal des Schlosses. Leopold Ichzenthaler wollte aber auch die Sitze der ehemaligen Pfleger, die 1849 Rannariedl verlassen hatten, im Erker neben dem Kircheneingang gratis haben, um sie an andere Leute vermieten zu können. Diese Frechheit konnte ich ihm nicht durchgehen lassen, aber da hatten meine Nachfolger noch viel mehr Probleme mit ihm. Es war doch völlig untragbar, dass der Herrschaftsbesitzer Sitze in der Kirche beanspruchte, die er selbst gar nie benutzt, und andere Leute, die einen stundenlangen Kirchweg hatten, dann in der Kirche stehen mussten, weil die Herrschaft sie nicht niedersetzen ließ.
Rannariedler Pfarrblatt: Herr Pfarrer, was sind aus Ihrer Sicht heute die wichtigsten Ereignisse Ihrer Amtszeit gewesen?
Pf. Zach: Das bedeutendste Jahr war gewiss das Jahr 1849. Der junge Kaiser Franz Josef hob am 18. Juni die Grundherrschaft auf. Es war dies ein Zugeständnis an die Mairevolution 1848 gewesen. Damit war auch das Ende des Pflegegerichts Rannariedl gekommen und der Eigentümer der Herrschaft hatte keinen Einfluss mehr auf das Gericht. Ich war sehr froh darüber. Gleichzeitig errichtete der Kaiser anstelle der Grundherrschaft neue Verwaltungskörper, nämlich Ortsgemeinden, bei uns die Ortsgemeinden Neustift und Rannariedl. Damit war die Pfarre auf zwei politische Einheiten aufgeteilt worden. Aber das pfarrlich bedeutendste Ereignis war die Erweiterung des Friedhofes in Rannariedl nach Süden, der Bau eines neuen Leichenhauses und die Eindeckung der Friedhofmauern mit Steinplatten. Am 9. Mai 1842 war feierliche Friedhofsweihe. Im Auftrag von Diözesanbischof Gregorius Ziegler weihte Dechant Josef Stiebler den vergrößerten Friedhof ein.
Rannariedler Pfarrblatt: Haben Sie noch Erinnerungen an politische Persönlichkeiten in der Gemeinde Rannariedl?
Pf. Zach: O, ja! Ich erinnere mich noch mit großem Respekt an den ersten Bürgermeister von Rannariedl, den Gemeindevorsteher Josef Matz aus Schattenthal. Auch er hatte seine liebe Not mit dem Ichzenthaler und ich muss sagen, dass er ihm die Schneid ordentlich abgekauft hat. Er ist dem Schlossherrn sehr scharf entgegengetreten, als dieser drei behinderten Kindern die Hütte über dem Kopf wegreißen wollte, um an ihr Grundstück zu kommen. Den Brief, den er damals dem Gutsbesitzer Leopold Ichzenthaler geschrieben hat, habe ich ihm Pfarrarchiv aufbewahrt als Erinnerung an den hervorragenden Charakter von Bürgermeister Matz.
Rannariedler Pfarrblatt: Erlauben Sie noch einige ganz persönliche Fragen? Was bedeutet das „de Paula“ in Ihrem Namen?
Pfarrer Zach: Ich bin nicht nach dem hl. Franz von Assisi getauft, sondern nach dem hl. Franz von Paola. Der ist mein Namenspatron. Er war ein beliebter Heiliger des Mittelalters. Ich habe selbst viele Franzen auf diesen Namen „de Paula“ (= von Paola) getauft. Mit einer Frau hat das aber nichts zu tun, es handelt sich vielmehr um den Ort, aus dem mein Namenspatron gekommen ist.
Rannariedler Pfarrblatt: Herr Pfarrer Zach, nach 18 jähriger Amtszeit haben Sie unsere Pfarre verlassen. Auf den späteren Posten waren Sie nur mehr kurze Zeit.
Pf. Zach: Von Rannariedl weg bin ich als Pfarrer nach Spital am Pyrn gekommen. Dort war ich noch 7 Jahre Pfarrer. Meine letzte Station war dann Mitterkirchen, wo ich nach zweijähriger Pfarrertätigkeit das Zeitliche gesegnet habe.
Rannariedler Pfarrblatt: Hochwürdiger Herr Pfarrer Zach, wir danken für das aufschlussreiche Gespräch.
N.B.: Der Inhalt des Interviews ist (so wie auch der Inhalt des Briefes von Pfarrer Hödlmoser) aus dem erhaltenen Schriftverkehr der Pfarrer von Rannariedl rekonstruiert.
Franz Schlagitweit