Maria Empfängnis
Predigt Mariä Empfängnis, 8.12.2024
Perikopen: Gen 3,9-15.20 Lk 1,26-38
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Im Advent begegnen uns viele Lichtgestalten. Eine davon ist Johannes der Täufer, der normalerweise am zweiten Adventsonntag die Bühne betritt. Heute betritt jedoch Maria, das junge Mädchen von Nazareth, die Bühne unseres Glaubens. Ihrem Geheimnis nachzuspüren ist gar nicht leicht, es braucht guten Willen, aber auch Demut. Wir feiern heute die unbefleckte Empfängnis Mariens. Das Wort „unbefleckt“ kommt im theologisch-kirchlichen Jargon gar nicht mehr vor. Es passt nicht in unsere Zeit. Was ist jedoch damit gemeint? Was will für den Glauben der Kirche Wichtiges damit bezeugt sein? Das zu verdeutlichen ist zu einem Gutteil Verdienst der Franziskaner gewesen. Der große Theologe und Philosoph Johannes Duns Scotus hat im Mittelalter darauf hingewiesen, dass es gut sei, dass die Kirche das Geheimnis der „conceptio immaculata“, so der lateinische Titel, in ihren gültigen Glaubensschatz aufnähme, was schließlich 1854 durch die Dogmatisierung geschehen ist. Höchst bedenkenswert ist seine Begründung. Diese wurde von seinen Schülern mit drei lateinischen Wörtern zusammengefasst. Über diese möchte ich heute nachdenken.
Erstens: Potuit - Gott konnte es! Was konnte Gott? Ich möchte es mit einem Bild sagen. Gott konnte es, in einem Menschen ein kleines Stückchen Paradies zu bewahren, wo hinein er sein Wort von Menschwerdung so sprechen konnte, wie er es wollte und nicht wie er musste. Fragt man heute einen gestandenen Christenmenschen, warum ist Gott eigentlich Mensch geworden, so wird man mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit hören können: Gott ist Mensch geworden, um uns zu erlösen. Das stimmt, aber nicht ganz. Man müsste gläubig nachfragen, was ist jedoch das ursprüngliche Ansinnen Gottes Mensch zu werden? Auf diese Frage wird man mit Blick auf die ganze Heilsgeschichte nur antworten können: Gott wurde Mensch aus Liebe zu uns Menschen. Gott hat den Menschen nie ganz verworfen. Er war es nicht, der einen Schlussstrich gezogen hat. Neuzeitlich ist das seitens der Menschen zuweilen versucht worden. Hingegen durchzieht die Geschichte Gottes mit dem Menschen so etwas wie ein goldener Faden, der sich in Maria als ein kleines Stückchen Paradies zeigt. Wo hinein Gott sein Wort der Menschwerdung ursprünglich sprechen konnte. Für Maria war das nicht leicht zu verstehen. Sie fürchtete sich, als der Engel bei ihr eintrat und die an sich Frohe Botschaft verkündete. Sie fragt ängstlich: „Wie soll das geschehen? Wie ist so etwas möglich?“ Der Engel antwortet: „Der Heilige Geist wird über dich kommen.“ Gott selbst ist es, der all das bewirkt. Maria lässt sich auf Gott ein; sie traut Gott das zu und bekennt: „Ich bin die Magd, mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Was trauen wir Gott in unseren oft unübersichtlichen Tagen zu? Wir müssen gewiss unseren Anteil tun. Wie es Maria getan hat. Ihr Glaube hat ihr nicht einen leichteren oder direkteren Weg gewiesen. Schon die Geburt des angekündigten Sohnes brachte sie in große Bedrängnis. Außerdem: Mit dem, was sie in Nazareth erlebt und erfahren hatte, mit dem konnte sie nicht argumentieren oder gar streiten. Sie trug es in ihrem Herzen und dachte darüber. Und sie hat auf Gott vertraut. Vertrauen auch wir, wenn uns im Leben manches abverlangt wird. Denn es ist nicht umsonst. Es hat einen Sinn. Letztlich geschieht alles unter den liebevollen Augen Gottes. Und wir dürfen vertrauen: es wird gut werden. Gott konnte es, er konnte in Maria ein Stück Paradies bewahren. Wo menschliche Möglichkeiten am Ende sind, bei Gott ist das noch lange nicht.
Zweitens: Decuit- es ziemte sich, es gehörte sich! Es ziemte sich, dass Gott Maria vom ersten Augenblick ihrer Existenz von Sünde bewahrt hat. Ich übersetze, es ist angemessen! Wem ist es angemessen, müssen wir fragen? Mit Don Scotus können wir sagen: Dem Menschen und zwar so, wie er von seinem Ursprung her gedacht und geschaffen ist: angelegt in Harmonie und Liebe mit Gott seinem Schöpfer zu leben. Menschsein bedeutet im Innersten mit Gott sein. In Maria ist uns dieser Durchblick auf die ursprüngliche Gutheit der ganzen Menschheit, wie diese von Gott her gedacht ist, gegeben. Das heißt: Die Sünde ist nicht das Erste und auch nicht das Wichtigste. Vielmehr steht am Anfang die göttliche Sehnsucht, ein Gott mit dem Menschen zu sein. Gottes Liebe ist ein Anfang ohne Ende.
Drittens: Ergo fecit – daher hat er es so gemacht, und besonders an Maria gehandelt, vom Anfang ihres Daseins an. Maria zeichnet aus, dass durch ihr „mir geschehe, wie du gesagt hast“ der alttestamentliche Gottesname Emmanuel, das bedeutet ja „Gott mit uns“ Wirklichkeit werden konnte. Papst Paul der VI. hat wohl aus diesem Grunde Nazareth als die Schule bezeichnet, in der wir Christen und Christinnen unsere ureigene Prägung erfahren. Gehen wir in diese Schule; nehmen wir Maria, die Mutter Gottes, zum Vorbild; ahmen wir nach, was sie einzigartig vorgelebt hat. Unsere Zeit braucht dieses Zeugnis mehr als die vielen belehrenden Worte. Gott ist mit uns. Er ist ein treuer Gott, tun wir das, was wir tun können und die Sehnsucht wird wachsen, weil Gott ist mit uns. Wie er in Jesus Christus in Nazareth weithin unerkannt mit den Menschen war.
Liebe Brüder und Schwestern!
Gott konnte es, es gehörte sich so, daher hat er es so gemacht. Er konnte in Maria ein Stück Paradies bewahren. Es gehörte sich so, dass der Sohn Gottes nicht belastet war vom dunklen Erbe der Menschheit. Daher hat er es so gemacht. Maria ist von der Erbschuld bewahrt, Raum um für den Sohn Gottes eine würdige Wohnung zu sein. Nehmen wir diesen hohen Festtag heute und die restliche Adventszeit zum Anlass, uns in dieser Gesinnung zu üben. Wie Maria, die nicht verstehen konnte, wie denn das geschehen soll, dennoch bekennen: Mir geschehe, wie du gesagt hast. Denn für sie galt, was für uns heute gilt „Der Herr ist mit uns.“ „Heilige Maria, ohne Makel der Erbschuld empfangen, bitte für uns.“ Amen.