Das Leben der Therese Neumann.
Predigt 20. Sonntag im Jahreskreis, 18.8.2024
Perikopen: Eph 5,15-20 Joh 6,51-58
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Woraus lernen wir das Meiste? Ich würde sagen aus dem Leben der Menschen, dem eigenen und dem Leben unserer Mitmenschen. Ich glaube, dass wir viele positive Seiten des Lebens entdecken können. Freilich passt nicht alles, bei mir und beim Nächsten. Wir sollten mehr beim Positiven stehen bleiben. Papst Franziskus hat einmal gesagt, dass heute ein einziger Baum der fällt mehr Aufsehen erregt, als ein ganzer Wald, der wächst. Das stimmt. Bei der Romwallfahrt mit den Ministranten hatte ich bei der Hin- und Rückreise die Zeit ein Büchlein von 150 Seiten zu lesen und so ein Leben kennen zu lernen. Es ist das Leben der Therese Neumann, kurz genannt Resl von Konnersreuth, die in Konnersreuth (Oberpfalz) gelebt hat und für die der Seligsprechungsprozess läuft. Mich hat dieses Leben zum Nachdenken angeregt. Deshalb möchte ich es nahe bringen. Es wird sicherlich nicht alle ansprechen, das ist mir bewusst, aber eine Frage kann es uns stellen: Wie kann die Gnade Gottes im Leben eines Menschen, in meinem Leben zur Entfaltung kommen? Geboren wurde sie am Karfreitag, 8.April 1898, in Konnersreuth in eine ärmliche Familie. Der Vater Schneider und die Mutter, sie hat 11 Kindern das Leben geschenkt, führte die Landwirtschaft. Resl war eine gute Schülerin, konnte aber nur die Pflichtschule besuchen. Ihr Wunsch war es Missionsschwester zu werden. Das schien unmöglich. Wenn man damals ins Kloster gehen wollte, musste man, ähnlich beim Heiraten, etwas mitbringen. Resl wollte sich das verdienen. Dann brach der Erste Weltkrieg aus. Der Vater musste einrücken, Resl war als Arbeitskraft unentbehrlich. Es kam der 10. März 1918, ihr Schicksalstag. Bei der Mithilfe von Löscharbeiten eines Brandes verunfallte die. Sie war nun blind und gelähmt, ans Bett gefesselt. Die Ärzte hatten jegliche Hoffnung aufgeben. Doch es sollte anders kommen, wie sich die Ärzte noch manches in ihrem Leben nicht erklären würden können. Am 20. April 1923 konnte sie auf wieder sehen und am 17. Mai 1925 war sie von der Lähmung geheilt. Die beiden Tage ihrer Heilung waren jene Daten, an denen in Rom Theresia von Liseux selig.- bzw. heiliggesprochen wurde. Bald sollte ein neues Leiden ihr Leben vollkommen umgestalten, das Leiden unseres Herrn Jesus Christus. In der Fastenzeit 1926 empfing sie die Wundmale Jesu und hatte regelmäßig, vor allem an den Freitagen, am stärksten an Karfreitagen, Visionen von der Passion Christi, Zustände in denen sie nicht ansprechbar war, und die auch fotografisch und per Film festgehalten wurden. Sie sah den Heiland auf dem Ölberg, bei der Gefangennahme und an der Geißelsäule. Sie schaute das Leiden Jesu, während sie selber litt und die Wunden zu bluten begannen. An fast allen Freitagen hatte sie die Leidensvisionen, an denen die Wunden immer wieder aufbrachen. Die Ärzte konnten es sich nicht erklären. Sie haben die Wunden behandelt, doch sie sind immer wieder aufgebrochen. Die Wunden haben sich in den 36 Jahren, in denen sie bis zu ihrem Tod die Visionen hatte, nie entzündet. Beim Leiden sind sie aufgebrochen und haben sich hernach mit Haut verschlossen. In ihren Visionen durfte sie viel aus dem Leben Jesu erleben. Sie erlebte die Geburt Jesu und seine Kindheit. Sie erlebte zahlreiche Zeichen und Wunder. Am schönsten war es für sie, als sie Ostern erleben durfte. Ihr Leben wurde vom Leben Jesu völlig umgestaltet. Das Wort es Apostels Paulus „nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir“ scheint passend. Sie hörte Jesus in seiner Muttersprache Aramäisch reden. Man brachte Sprachexperten zu ihr, die die aramäischen Sätze, die sie gehört hatte überprüfen sollten. Diese wollten sie auf eine falsche Fährte locken, in dem sie ihr sagten, das muss anders heißen, das habe sie falsch gehört. Sie ließ sich nicht abbringen. Sie habe es genauso gehört. Die Sprachexperten konnten sich das Ganze nicht erklären. Diese Frau mit einfacher Schulbildung konnte sich das Aramäische nicht selber beigebracht haben. Eine weitere unerklärliche Sache in ihrem Leben, freilich nicht unumstritten, damals wie heute, war die Nahrungslosigkeit. Mit der Stigmatisierung nahm sie keine Nahrung mehr zu sich, nur mehr die heilige Kommunion. Das bischöfliche Ordinariat bildete eine Kommission von zwei Ärzten (einer katholisch, einer evangelisch) und vier Krankenschwestern, allesamt vereidigt, um das zu überprüfen. Fünfzehn Tage lang wurde sie Tag und Nacht strengstens überwacht und alles genau aufgezeichnet. Das Ergebnis war die einwandfreie Feststellung, dass sie in diesen Tagen nichts zu sich genommen habe, außer die Kommunion. Der Augsburger Bischof Bertram Maier predigte im Herbst 2023 dazu Folgendes: Sie überlebte nach eigenen Angaben 35 Jahre lang nur durch die Hilfe des Herrn, der sie nährte: „Nach meiner Überzeugung und meinem Wissen lebe ich vom sakramentalen Heiland, der in mir …bis kurz vor der nächsten Kommunion verbleibt“. Ich will nicht auf die amtlichen Untersuchungen zu der wundersamen Nahrungslosigkeit eingehen, die damals von kirchlicher Seite eingeleitet wurden. Kardinal Michael Faulhaber, der Erzbischof von München, sagte in einer Predigt vom 6. November 1927: „Wenn sie (Therese) wirklich keine Nahrung zu sich nimmt und von der heiligen Kommunion lebt, dann wäre das göttliche Wort vom Brote des Lebens neu bewiesen.“ Wenn man die Resl fragte, von was sie lebe, sagte sie nie „ich lebe von nichts“, sondern: „Ich lebe vom Heiland.“ Da sind wir beim heutigen Evangelium. Jesus sagt: „Denn mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut ist wahrhaft ein Trank.“ Resl hatte viele Befürworter, unzählige Menschen kamen zu ihr, um sich von ihr Rat zu holen, sie hatte auch Gegner und Menschen, die nur wegen der Sensationslust kamen. Wichtiger geistlicher Begleiter war ihr Heimatpfarrer Josef Naber. Kaum einer kannte sie so gut wie er. Sie war auch caritativ tätig, besorgte den Blumenschmuck für die Kirche. Sie initiierte, dass aus Spendengeldern das Gut Fockenfeld in ein Kloster umgewandelt wurde. Am 18. September 1962 starb Therese Neumann. An ihrem Begräbnis nahmen 6000 Menschen teil.
Liebe Brüder und Schwestern!
Für mich ist das Leben der Therese Neumann, deren Seligsprechungsprozess seit 2005 läuft, beeindruckend. Egal wie man dazu steht, ob befürwortend oder ablehnend, wir sind eingeladen nachzudenken, wie in einem Leben die Gnade Gottes dermaßen zur Entfaltung kommen kann. So schließe ich mit einem Zitat aus der erwähnten Predigt von Bischof Bertram Maier: Falls einmal der Tag kommt, an dem Resl von Konnersreuth seliggesprochen wird, werden es nicht nur die über vierzigtausend Anträge aus aller Welt sein, die den Ausschlag geben, sondern – davon bin ich überzeugt – in erster Linie ihre Gotterfülltheit und ihre Freude am Herrn, aus der heraus sie lebte. „Mich freut alles, was vom lieben Gott kommt.“, lautet ein bekanntes Zitat. Damit meinte sie aber nicht nur Geschenke der Schöpfung wie die Schönheit der Blumen oder ihre geliebten Vögel, sondern auch die Herausforderungen des Lebens wie Krankheit und Leid. Denn tief in ihrem Inneren wusste sie, dass der Heiland für jede und jeden von uns einen Heilsplan hat. Wie genau sich dieser gestaltet, bleibt oft ein Geheimnis. Wir können aber viel gewinnen, wenn wir dem Beispiel Therese Neumanns folgen, in allem auf Gott vertrauen, seine Gegenwart in der heiligen Eucharistie suchen und als Glieder des Volkes Gottes Frucht bringen. Amen.