Gedanken zum Tag von Pfarrer Maximilian
Predigt Erster Fastensonntag, 9.3.2025
Perikopen: Dtn 26,4-10 Lk 4,1-13
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben! Drei Versuchungen erlebt Jesus in der Wüste. Jede hat es in sich. Jede ist heute so aktuell wie damals.
Die erste Versuchung ist: aus Steinen Brot werden zu lassen, d.h. unsere Bedürfnisse mit Essen und Trinken zu erfüllen. Diese Versuchung ist wahrscheinlich keinem von uns ganz fremd. Mit Essen können wir alles zustopfen. Wir essen, um unseren Ärger nicht zu spüren, um unsere Enttäuschungen zu verdrängen, um den Mangel an Liebe auszugleichen. Wir wollen nicht hinsehen, was in uns ist. Wir wollen unsere Unzufriedenheit, Zerrissenheit, Angst, Wut und Eifersucht nicht wahrhaben. So stopfen wir uns immer wieder zu. Jesus antwortet auf diese Versuchung mit dem Schriftwort: „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“ Gott ist eine unerschöpfliche Quelle. Er ist uns näher als wir uns selbst. Unser Leib ist Wohnstatt seines Geistes. Wenn wir aus dem göttlichen Grund heraus leben und in seiner Gegenwart leben werden wir auf unsere Seele achten und sie nicht zuzustopfen.
Die zweite Versuchung betrifft die Macht und den Besitz. Der Satan verspricht Jesus alle Reiche der Welt, wenn er ihn anbetet. Auch diese Versuchung kennen wir. Wie schnell sind Menschen bereit, ihre Seele zu verkaufen, wenn es um Macht und Reichtum geht. Die Affären in der Politik beweisen es. Macht und Besitz wirken oft wie ein Sog. Wir werden hineingezogen, ohne dass wir es merken. Wir tun alles für den Machterhalt und Machtausbau. Und werden taub für die Stimme des Gewissens. Machtgebaren gibt es nicht nur in der Politik und bei den Reichen, sondern auch in der Kirche. Macht und Reichtum sind nicht die Sache Jesu. Sie sind auch nicht der Weg der Kirche, ebenso wenig Weg dessen, der in der Nachfolge Jesu steht und sein Jünger, seine Jüngerin sein will. Jesus wehrte die Versuchung der Macht ab, indem er auf die Anbetung Gottes verweist. Nicht Macht und Geld sollen wir anbeten, sondern Gott, ihn allein. Alles andere ist Götzendienst.
Die dritte Versuchung besteht in der Sucht nach Geltung und Ansehen. Der Satan suggeriert Jesus, er soll seine göttliche Vollmacht missbrauchen, und zwar soll er vor allen Menschen ein wunderbares Schauspiel inszenieren und sich vom Tempel herabstürzen. Auch diese Versuchung ist uns nicht fremd. Es ist die Gefahr, dass wir unsere Fähigkeiten nur dazu gebrauchen, um vor anderen gut dazustehen, sie zu übertreffen, sie in den Schatten zu stellen, indem wir uns selbst im Rampenlicht sonnen. Es ist die Gefahr, dass wir alles nur dafür tun, unser Image zu pflegen. Wir denken nur daran, wie wir bei anderen ankommen. Innerlich stehen wir ständig auf der Bühne und überlegen uns, wie wir am meisten beklatscht werden könnten. Auch im Religiösen liegen der Stolz und die Überheblichkeit nicht fern. Es ist die Gefahr, sich selbst zu inszenieren oder sich besser zu dünken als andere, sich über andere zu stellen, sich etwas einzubilden auf Frömmigkeitsübungen, gute Werke, Gebetseifer, Fasten, Opfer usw. und damit auf andere herabzuschauen und hart und unbarmherzig zu werden. Jesus weist diese Versuchung zurück mit dem Wort: „Du sollst den Herrn deinen Gott nicht auf die Probe stellen.“
Bei allen drei Versuchungen beruft sich Jesus auf Worte seiner hebräischen Bibel, das Alte Testament. Der Wille Gottes zeigt sich ihm im Wort Gottes. Mit Hilfe des Wortes Gottes trotzt er dem Bösen. Jesus ist versucht worden wie wir. Aber er widersteht. Er bleibt seiner Berufung treu. Er bewährt sich als Sohn Gottes. Als solcher wurde er ja unmittelbar zuvor bei der Taufe im Jordan vom Himmel ausgerufen. „Du bist mein geliebter Sohn!“ Auch wir erleben immer wieder Versuchungen. Wir tun gut daran, das Böse nicht zu unterschätzen, sondern es ernst zu nehmen, denn auch das Böse hat seine Auswirkung. Oft kommt der Versucher raffiniert daher, verkleidet, schleicht sich ein, verlockt, um seine zerstörerische Kraft zu entfalten. Sogar unter dem Mantel der Frömmigkeit kann das Böse erscheinen, bestens getarnt als kleiner fieser Teufel des Moralisierens, der Enge, der Härte, der Kontrolle, der Kritiksucht, der Verleumdung, der Rechthaberei, der giftigen Worte, der Unbarmherzigkeit, des Pharisäismus. Der Blick auf Jesus, der versucht worden ist wie wir, kann uns helfen, die Verführungskünste des Satans zu durchschauen, ihnen nicht auf den Leim zu gehen, sondern Parole zu bieten, indem wir uns - wie Jesus - auf Gottes Wort stützen. Gott selbst zu Hilfe rufen und uns von seinem Geist ergreifen lassen. Dem Willen Gottes Vorfahrt geben, Gott Herr sein lassen, auf ihn hören und seinem Wort im Glauben folgen. Das ist ein steter Kampf, ein immer neues Ringen. Es gibt immer wieder neue Anfechtungen. Wir müssen uns stets aufs Neue entscheiden. Das können schreckliche Zerreißproben sein und unsere ganze Kraft fordern. Dem Bösen widersagen, die schlimmen Wege verlassen, eingeschliffene ungute Verhaltensmuster aufgeben, aus falschen Abhängigkeiten und verkehrte Neigungen sich lösen, umsinnen, umkehren, sich hinkehren zum Guten, wie es jetzt ja in der Fastenzeit angesagt ist, das vermögen wir nicht aus uns selbst.
Aber, liebe Brüder und Schwestern, das geht nur mit Gottes Hilfe. Ein gutes Mittel sind Stoßgebete. Schon beim Anflug einer Anfechtung z.B. beten: „O Gott komm mir zu Hilfe! Herr eile mir zu helfen!“ Schon die Wüstenväter, z.B. Cassian, haben damit gute Erfahrungen gemacht. Oder: „Führe uns nicht in Versuchung!“, die Vaterunser-Bitte. Diese Bitte ist sehr missverständlich. Ich glaube nicht, dass Gott uns in Versuchung führen will. „Gott führt niemanden in Versuchung“, heißt es im Jakobusbrief. Und weiter: „Jeder wird von seiner eigenen Begierde, die ihn lockt und fängt in Versuchung geführt.“ Ich versteh die Vaterunser-Bitte so: Führe uns in der Versuchung! Oder: Führe uns durch die Versuchung, dass wir sie bestehen, dass wir uns bewähren. Gib uns Kraft, wenn wir versucht werden! Steh uns bei, schenke uns deine Nähe! Schließlich: Führe uns heraus aus der Versuchung in die Freiheit der Kinder Gottes, in das Licht deiner Gnade! Amen.