Gedanken zum Tag von Pfarrer Maximilian
Predigt Pfingstsonntag, 19.5.2024
Perikopen: Apg 2,1-11 Joh 20,19-23
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Beim Heiligen Geist geht es um Erfahrungen. Man kann den Geist ja nicht sehen, hören oder angreifen. Aber man kann spüren, ob er da ist. Man kann ihn erfahren als Schöpfer, Beistand und Tröster. Diese biblischen Bilder sind uns hinlänglich vertraut. Deshalb möchte ich den Heiligen Geist heute mit anderen, durchaus modernen Bildern, verdeutlichen. Vielleicht brauchen wir ihn gerade so, dürfen wir uns ihm öffnen, um ihn so zu erfahren.
Erstens: Der Heilige Geist ist ein verlässlicher Energieversorger. Die versammelte Menge in Jerusalem wurde mit einem Energieschub aus dem Himmel überrascht. Auf alle kam der Geist herab. Die „Zungen wie von Feuer“ sind Ausdruck einer besonderen Energie, die sich schwer fassen lässt und unerwartet da ist. Plötzlich ist eine Klarheit für die Deutung der belastenden Ereignisse, plötzlich eine Furchtlosigkeit und Freimütigkeit, plötzlich eine Fähigkeit, sich verständlich zu machen mit Worten und Sätzen, die zu Herzen gehen, plötzlich eine Zusammengehörigkeit und Lebendigkeit, plötzlich eine Fröhlichkeit. Woher das alles? Das Pfingstwunder lässt sich nicht erklären. Es findet statt. Gottes Geist wird großzügig ausgeschüttet über alle. Es ist seine Herzensenergie, die wir zum Leben brauchen. Wie steht es um den Energiehaushalt unseres Herzens? Ausgepowert, ausgelaugt, erschöpft und müde. Eine Generaldiagnose unserer Gesellschaft und Kirche, die andauernde Gültigkeit hat. Ermüdet auch von den belastenden Bildern der weltweiten Katastrophen. Nicht verwunderlich, dass wir wegschalten, abdrehen und verdrängen, was nicht auszuhalten ist. Pfingsten ist eine Antwort darauf. Es gibt gratis Energie des Himmels! Aber wir müssen sie erbitten und aufnehmen, den Herzensspeicher dafür zur Verfügung stellen. Der Heilige Geist hilft uns, innerlich aufzutanken, schließt uns an ein verlässliches Versorgungsnetz an. Gebet, Stille, Herzensöffnung sind dafür notwendig.
Zweitens: Der Heilige Geist ist Konfliktmanager und Anwalt. Konflikte und Krisen gehören zum Alltag. Sie sind keine Ausnahmesituation. Ein Leben ohne Reibung gibt es nicht. Wir haben unterschiedliche Perspektiven und Lösungsansätze. Dazu kommen noch die üblichen Geltungsbedürfnisse und Durchsetzungswünsche der eigenen Interessen. Wie wir mit den alltäglichen Konfliktsituationen umgehen, ist entscheidend. Ob anklagend, rechthaberisch, vorwurfsvoll, nachtragend oder versöhnlich. Mir scheint, dass wir in dieser unserer „hochgereizten“ und „hochnervösen“ Zeit viel Heiligen Geist brauchen würden, den souveränen Konfliktmanager. Ich nenne jetzt das Beispiel einer Frau, die zu schnell unterwegs war und in der Kurve auf die andere Fahrbahnseite geriet. Die Folge war ein leichter Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Kein Personenschaden, nur erheblicher Schaden bei den Autos. Schadensaufnahme und die Frage des Lenkers, wer denn der Anwalt der Frau sei, damit sich dieser mit seinem Anwalt verständigen könne. Daraufhin die Frau: „Ich bin schuld, gebe ihnen das auch schriftlich. Wir brauchen keinen Anwalt.“ Der Geschädigte war total verblüfft. „So etwas ist mir noch nie passiert.“ Der Heilige Geist setzt nicht auf krampfhafte Verteidigung. Er schenkt die Freiheit, Versagen und Schuld einzugestehen. Er schwächt das automatische Verhalten, alle anderen für das eigene Problem verantwortlich zu machen. Der Heilige Geist ist der verlässliche Anwalt der Wahrhaftigkeit. Er ermutigt zu Ehrlichkeit, um uns „in die ganze Wahrheit einzuführen.“ In der Auseinandersetzung, wo es entweder auf eine aggressive Eskalation oder auf den beleidigten Rückzug eines Menschen hinausläuft, kann der Heilige Geist eine Alternative aufzeigen, eine dritte Möglichkeit. Der Heilige Geist schafft eine doppelte Anwaltschaft für das Ich und das Wir, einen fairen Ausgleich für die Interessen des Einzelnen und für den Zusammenhalt einer Gemeinschaft. Vor allem ist der Geist Gottes die entscheidende Möglichkeit für den Frieden weltweit. Er befähigt zur Versöhnung, wenn man denn will.
Drittens: Der Geist als Therapeut. Kaum jemand geht ohne Kränkung durchs Leben. Was kränkt macht krank, und Leiden verursacht, was beleidigt. Wir könnten eine Fülle von seelischen Verletzungen aufzählen. So manche Lebensgeschichte ist eine unglückliche Häufung von Kränkungen und seelischen Verwundungen. Heilung wäre dringend notwendig. Sonst droht extreme Verbitterung. Ein paar Schritte in Richtung Versöhnung sind meist die beste Heilung. Aber es fällt schwer, den ersten Schritt zu tun. Der Auferstandene mit den Wundmalen spricht im pfingstlichen Evangelium den Geist zu und sendet die Jünger, die immer noch in ihren eigenen Ängsten gefangen waren. Der Heilige Geist setzt in seiner „Therapie“ auf einige Übungen. Man muss die Übungen bei der Reha machen, sonst ist alles umsonst. Der Heilige Geist ist der beste Therapeut, Arzt, Coach etc. Aber, wenn wir uns nicht auf sein Übungsprogramm einlassen, nützt alles nichts. Das Wirken des Geistes Gottes ist keine Zauberei. Er braucht unsere Bereitschaft, Zuhör-Übungen zu machen, Zeit-Verschenk-Übungen, Mut-Aufsteh-Übungen, Glaubens-Übungen. Gebets-Übungen öfters auch Mundhalte-Übungen. Wer den Heiligen Geist heilsam an sich wirken lässt, wird selbst zum heilsamen „Nahversorger“ mit Zuversicht, Vertrauen und Lebensmut für seine Umgebung. Gerade in einer nervösen, erschöpften, friedlosen und wohlstandsfrustrierten Zeit brauchen wir den Geist Gottes als Therapeut, der die Zukunft im Blick hat, nicht irgendeine Zukunft, sondern eine gute.
Liebe Brüder und Schwestern!
Jeder von uns weiß, in welcher Funktion er aktuell den Heiligen Geist dringend braucht, wie er ihn erfahren kann, soll und will, ob mehr als Energieversorger, Konfliktmanager oder Therapeut. Oder in all diesen und anderen Funktionen zusammen. Wichtig ist unsere Offenheit und unser Vertrauen, uns vom Himmel her unterstützten und helfen zu lassen. Wenn wir unser manchmal so eingebildetes Gutsein aufgeben, schenkt Gott seine Herzensenergie immer großzügig. Jeder, der sich für den Geist öffnet, vergrößert das himmlische Verteilungs- und Versorgungsnetz. In diesem Sinn gesegnete Pfingsten. Amen.