Gedanken zum Tag von Pfarrer Maximilian
Predigt Siebter Ostersonntag, 12.5.2024
Perikopen: 1 Joh 4,11-16 Joh 17,6a.11b-19
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Kann man das beten Lernen? Kann man in die Schule des Betens gehen? Ich denke schon. Bei uns gibt es im kirchlichen Leben, den Dienst des Vorbeters. Jemand betet vor, leitet an, und die anderen beten nach bzw. bestätigen durch ihr Amen das Gebetete. Selbst, wenn man nur das Amen gesprochen hat, hat man Anteil am ganzen Gebet. Im heutigen Evangelium begegnet uns Jesus als Vorbeter. Vom ihm kann man das Beten lernen. Was tut er hier?
Erstens: Der Vorbeter Jesu erhebt die Augen zum Himmel. Er schaut zu seinem Vater und zu unserem Vater. Beten bedeutet Gott in den Blick zu bekommen, zu ihm aufzuschauen, die Augen freizubekommen für ihn. Dass es uns nicht so geht, wie es den Emmausjüngern ergangen ist, von denen es heißt: „Sie aber erkannten ihn nicht, ihre Augen waren noch gehalten.“ Das ist eine interessante Formulierung, wenn die Augen gehalten sind, dann ist der Blick oft eingeschränkt, auf sich selber, auf die rein diesseitige Perspektive. Das ist der Blick auf die Erde, auf den Boden vor sich. Das kann den Menschen verkrümmen, wenn er bloß nach unten schaut, nur mehr das Seinige sieht. Beten heißt nach oben schauen, zum himmlischen Vater und ihn erfahren, in dem Wissen, wie es der alte Bauer in der bekannten Geschichte mit dem heiligen Pfarrer von Ars tat, der in der Kirche keine Worte brauchte, sondern sagte: „Er schaut mich an, und ich schaue ihn an, und das genügt.“ Freilich man muss dann den Blick immer wieder einmal senken, muss dann wieder nach rechts und links schauen, zu den Menschen, sonst beginnt es im Genick zu ziehen, tritt die Genickstarre des Glaubens ein. Aber Grundhaltung des Christen muss der Blick nach oben sein, und das nicht nur, wenn ich mit Worten bete, sondern immer, so wie ich unterwegs bin. Ich habe immer die Möglichkeit, dass mein Leben gebet wird.
Zweitens: Dem Vorbeter Jesu geht es um das Leben in Fülle, wir können sagen um ein erfülltes Leben. „Damit sie meine Freude in Fülle in sich haben,“ betet er. Die Frage nach einem erfüllten Leben, beschäftigt letztlich jeden Menschen in irgendeiner Form. Ob ein erfülltes Leben außerhalb Gottes möglich ist. Ich habe da meine Bedenken. Wir müssen wieder lernen, aus der Fülle Gottes zu Leben. Ein wirklich erfülltes Leben wird man nur in einer ganz tiefen Gottverbundenheit finden, auch wenn der Glaubende nicht von Krisen verschont bleibt, aber immer den Vorteil hat, dass er wissen darf von Gott geliebt zu sein. Die fülle in Gott finden. Darum geht es. Man wird letztlich keine Erfüllung finden mit einem vollen Bankkonto oder mit viel Freizeit. Man wird letztlich keine Erfüllung finden, wenn man nur mehr für den Beruf lebt, zum Workaholic wird, und nicht mehr richtig lebt. Man wird keine Erfüllung finden, wenn man einen Millionenbetrieb mit noch so vielen Mitarbeitern führt. Man wird keine Erfüllung finden im Leben, wenn man noch so hoch steigt, weil man ja doch wieder so schnell, tief fallen kann, und hart aufprallen kann auf dem Boden der Realität. Man wird letztlich nicht einmal vollkommene Erfüllung finden, im eigenen Ehepartner und den eigenen Kinder. Diese können einem helfen dabei, aber die Erfüllung selber sind sie nicht. Erfülltes Leben, Erfüllung in Gott. Das betet uns Jesus vor. Das ist Thema. Probieren wir es nach diesem Muster.
Drittens: Dem Vorbeter Jesus geht es um die Wahrheit. „Heilige sie in der Wahrheit. Dein Wort ist Wahrheit.“ Die Wahrheit ist das einzig tragfähige Fundament, auf das man das Leben bauen kann. Gott ist Wahrheit. Er kann nicht tarnen, täuschen oder etwas vormachen. Auf eine solche Wahrheit kann man das Leben bauen. Die Frage nach der Wahrheit, hat den Pilatus beim Verhör Jesu beschäftigt. „Was ist Wahrheit,“ hat er Jesus gefragt. Pilatus sucht nach einer Wahrheit, die er benutzen kann, die er in die Hand nehmen kann und mit der er etwas anfangen kann. Jesus redet von der Wahrheit, so, wie er sie aus den heiligen Schriften kennt. Diese Wahrheit ist anders als all die Wahrheiten, die heute so umstritten sind, anders als wissenschaftliche Wahrheiten, anders als politische Wahrheiten. Jesus redet nicht von überprüfbaren Fakten. Es geht nicht um wahr oder falsch. In den Psalmen finden wir Hinweise darauf, welche Wahrheit Jesus meint. „Herr, deine Güte reicht, soweit der Himmel ist, und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen.“ Oder „Deine Wahrheit währet für und für. Du hast die Erde fest gegründet, und sie bleibt stehen.“ Wahrheit und Güte; Wahrheit und Gnade; Wahrheit und eine Erde, die fest gegründet beständig und verlässlich steht. Wahrheit in der Bibel ist immer Beziehung. Das kommt auch daher, dass die Sprache der Bibel immer von Handlungen her gedacht ist, nicht von fest stehenden Dingen. Handlungen aber, wenn sie wahr sein sollen, müssen verlässlich sein. Güte ist nichts Stehendes, sondern Güte ist nur dann verlässlich, wenn sie immer wieder passiert, wenn jemand sie ausübt, wenn jemand sie erlebt. Gnade ist keine feste Eigenschaft, die ein für alle Mal fest steht. Gnade muss der Gnädige immer wieder neu erweisen, damit Gnade passiert. Wahrheit ist Beziehung. Träger der Beziehung ist immer der Mensch, der Möglichkeit hat, sie aufzubauen zu Gott und zu den Menschen. Es liegt an uns, ob Wahrheit hinter unseren Beziehungen steckt.
Liebe Brüder und Schwestern!
Jesus betet vor. Er erhebt die Augen zum Himmel, bittet um ein Leben aus der Fülle Gottes, und um ein Leben in der Wahrheit. Sein Gebet darf auch uns anleiten. Maria, unsere himmlische Mutter, auf die wir im Mai besonders schauen, am heutigen Tag möge sie ihren Blick besonders auf alle Mütter richten, kann uns auch helfen das Beten zu lernen, vor allem wenn wir an das Magnifikat denken, die schönsten Worte, die wohl je ein Mensch gesprochen hat: „Meine Selle macht groß den Herrn,…den der mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig.“ Amen.