Gedanken zum Tag von Pfarrer Maximilian
Predigt 33. Sonntag im Jahreskreis, 19.11.2023
Perikopen: 1 Thess 5,1-6 Mt 25,14-30
Liebe Brüder und Schwestern im gemeinsamen Glauben!
Um uns dem heutigen Evangelium zu nähern eine kurze Geschichte: Es hat einmal eine Maus gegeben. Diese hatte Angst. Nicht vor anderen Mäusen. Nein! Sie hatte Angst vor Fremden. Sie hatte Angst vor der Katze. So beschwor sie den Zauberer, er möge ihr doch mit seiner Zauberei zu Hilfe kommen, und sie in eine Katze verwandeln. Prompt erschien der Zauberer, sprach seinen Zauberspruch und unsere Maus erwachte als Katze. Doch nun hatte sie Angst vor dem Hund. Wiederum flehte sie den Zauberer an, er möge sie verwandeln. Und siehe da, sie wurde zum Hund. Die Geschichte scheint eine unendliche Geschichte zu sein. Denn der Hund hatte nun Angst vor dem Wolf. Wiederum schritt der Zauberer ein, weil er ja in die Pflicht genommen wurde. Und der Hund verwandelte sich zum Wolf. Doch der Wolf hatte Angst vor dem Jäger. Und der Zauberer erfüllte wiederum seine Pflicht, doch der Jäger hatte Angst vor seinen Mitmenschen. Da sprach der Zauberer, längst seiner Zauberei überdrüssig: „Ganz gleich, wer oder was du auch bist. Du hast ja bloß das Herz einer Maus und verdienst nichts anderes als das Geschick einer Maus.“ Und er verwandelte den Jäger zurück in eine Maus. Soweit diese kurze Geschichte.
Erstens: Die Angst vor sich selber, nicht der Mensch sein zu wollen, der man ist. Auch dem dritten Diener im Evangelium geht es so. Er lässt sich zwar nicht verwandeln. Aber „Ich hatte Angst“, sagt er. Und weil er Angst hatte, hat er das Grundkapital, das ihm geschenkte Grundvertrauen, in der Erde vergraben. Wie oft findet sich ein jeder von uns in einer solchen Situation wieder? Dass sich die Angst meines Glaubens bemächtigt. Dass die Angst mein Grundvertrauen zunichtemacht und ich selber anstatt zu leben, anstatt kreativ und produktiv meine Zeit zu gestalten, dass ich selber bloß erstarre. Dass ich also das Grundvertrauen keineswegs vermehre, sondern es radikal verspiele. Freilich, man kann das Ganze auch überspielen, man kann es versuchen, wie die Maus, sich verzaubern lassen, in eine andere Rolle schlüpfen, vielleicht besser sein, wie die anderen, obwohl man es gar nicht ist. So ein bisschen High-Society – bessere Gesellschaft. Das gibt es heute im Großen und im Kleinen. In jedem Ort gibt es heute eine Gruppe, die meint High-Society zu sein. Manchmal lassen sie andere gönnerhaft mitnaschen, und jene glauben dann auch, wie verwandelt zu sein. Doch, wer hoch steigt fällt tief. Man prahlt wieder hart auf den Boden der Realität. Denn das Grundvertrauen fehlt letztlich. Es brauch das Grundvertrauen des Glaubens, damit ich der Mensch sein kann, der ich bin. „Was du in den Augen Gottes bist, das bist du.“ Diesen Satz von Franz von Assisi, können wir uns nicht oft genug sagen lassen.
Zweitens: Jesus ist kein Zauberkünstler. Es scheint aufs Erste so, das auch Jesus den armen Diener seiner Angst überlässt, so wie dies der Zauberer mit der unglücklichen Maus tut? Ist er auch nicht anders? Oder: Ist dieser Jesus nur mit jenen gut meinenden Menschen zu vergleichen, die einem ängstlichen Menschen nicht helfende Worte zurufen wie: „Mensch, reiß dich doch zusammen. Du brauchst keine Angst zu haben. Wenn du nicht aufhörst, dich zu ängstigen, landest du in der geschlossenen Psychiatrie!“? Auf den ersten Blick scheint dies die Botschaft des Gleichnisses zu sein. Sie will zum Lebensmut motivieren, indem sie die Folgen der Angst aufzeigt, dadurch aber keineswegs die Angst und deren Ursachen beseitigt. Doch, und das ist das Wunderbare am Glauben, darauf lässt sich dieses Gleichnis nicht reduzieren Und warum nicht? Jesus selber wird im nächsten Kapitel des Evangeliums selber am Ölberg von tiefer Todesangst ergriffen. Er liegt schweißgebadet am Boden und kann bloß nur noch stammeln, der Kelch möge an ihm vorübergehen. Und am Kreuz? „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Dieser Jesus erfährt selber, was es bedeutet, Angst zu haben. Deshalb ist er kein Zauberer, der mit oberflächlichen Zaubertricks dem Menschen kurzfristig den Atem rauben kann, sein Herz aber unmöglich zu verändern vermag. Er, der ganz Mensch und ganz Gott ist, hat als Mensch unsere ganze Todesangst durchlitten. Wie schon bei der Taufe am Jordan, wo er sich mit den Sündern in eine Reihe stellte, ist er ein solidarischer Gott, ein Gott mit uns und für uns. An einen solchen solidarischen Gott lohnt es sich zu glauben, mehr als an einen Zauberer, dem ja selber seine Zauberei und Täuscherei zu viel wird. Jesus spricht in seinen Endzeitreden, die wir in den kommenden zwei Wochen an den Wochentagen hören werden davon, dass „falsche Messiasse und Propheten auftreten“ wir können wohl ergänzen „falsche Zauberer und Menschen die täuschen.“ Und er sagt sehr deutlich: „Lauft ihnen nicht nach.“
Drittens: Besinnung auf das, was wir sind. „Wir sind Kinder des Lichts“, sagt Paulus in der Lesung. Er bekennt dies, weil er auf Christus schaut und sein Grundvertrauen, das auch oft erschüttert wurde (denken wir an seine Erfahrung mit der Verfolgung der jungen christlichen Gemeinde und sein Bekehrungserlebnis) von Christus erlöst wissen möchte. Von jenem Christus, der die Abgründe der Angst durchgelitten hat. Deswegen wird auch dieser Christus die Logik seines Gleichnisses zurechtrücken und all die Diener, die aus Angst ihr Talent vergraben und ihr Grundvertrauen begraben haben, kraft seiner Angst doch helfen, das Kapital ihres Grundvertrauen zurückzugewinnen. „Wir sind Kinder des Lichtes!“ Das ist unser Kapital, unser Grundvertrauen.
Liebe Brüder und Schwestern!
Viele Ängste unserer Zeit sind begründet. Als Christen unterscheiden wir uns aber von anderen Zeitgenossen dadurch, dass wir in unserer Angst erlösenden, „begnadete Angst“ Christi sehen. Wir dürfen und sollen, die Menschen sein, die wir sind. Da hilft kein Zauberer. Es hilft nur der Glaube, das Grundvertrauen auf Jesus, diesen solidarischen Gott, und, dass wir uns tief und fest auf das besinnen, was wir in Wahrheit sind. Amen.