Kibera/ Nairobi
Bei diesem Besuch erhielten wir einen interessanten Einblick in das Leben von Kibera. Ein paar Monate später schickte Pater Raul eine kurz zuvor herausgekommene Broschüre, in der die Lebensverhältnisse in Kibera sowie die pastoralen und sozialen Maßnahmen seitens der Pfarre analysiert werden.
Im Folgenden gebe ich Ihnen die wichtigsten Inhalte dieses Berichtes wieder.
Lebensverhältnisse in Kibera
Es wird geschätzt, dass im Slumgebiet von Kibera, das am Stadtrand von Nairobi liegt, ca. 700.000 Menschen wohnen.Die Besiedlung von Kibera erfolgte hauptsächlich in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Viele Einwohner von Kenia verließen damals ihre Heimat am Land und zogen in die Stadt in der Hoffnung, dort Arbeit zu finden. Die Zuwanderer kamen aus allen Teilen Kenias. Dementsprechend gibt es in Kibera eine große ethnische Vielfalt.
Das Gebiet ist äußerst dicht besiedelt. Ein-Raum-Hütten sind dicht nebeneinander gebaut. urchschnittlich 4 bis 5 Personen wohnen in einem Raum von ca. 10 m². Die Wege zwischen den Wohnhütten sind enge und schmutzige Pfade, die während der Regenzeit häufig überflutet und unpassierbar sind. Für Fahrzeuge sind die Wege auch bei Trockenheit nicht benutzbar. Dementsprechend ist auch die Pfarre „Christ the King“, die sich im Zentrum von Kibera befindet, nur zu Fuß erreichbar.
Städtische Infrastruktur ist in Kibera so gut wie nicht vorhanden. Es gibt keine Elektrizität und keine Wasserleitung. Fast 65 % der Bewohner haben keinen Zugang zu Toiletten und müssen offene Bereiche benützen bzw. die Notlösung von „flying toilet“ anwenden. Jene Personen, die Zugang haben zu einem Grubenklosett, müssen dieses mit 50 bis 100 Personen teilen. Es gibt auch keine städtische Müllabfuhr für Kibera. Das Fehlen sanitärer Einrichtungen trägt dazu bei, dass die Menschen sehr anfällig sind für verschiedene Krankheiten wie Typhus, Cholera und Tuberkulose.
Offiziell gilt Kibera als „illegale“ Siedlung. Der Grund und Boden gehört dem Staat. Eine Ausnahme davon sind einige wenige Grundstücke, die offiziell zugeteilt wurden, wie jenes auf dem sich das Pfarrzentrum befindet. Ansonsten ist das Areal, auf dem sich Kibera befindet, Regierungsgrund. Die Tatsache, dass die ganze Ansiedlung von Kibera von der Regierung nicht anerkannt wird und als „illegal“ gilt, bringt für die dortige Bevölkerung erhebliche Nachteile mit sich. Zum einen haben die Bewohner von Kibera keine Sicherheit, dort auf Dauer wohnen zu dürfen. Sie müssen damit rechnen, eines Tages wegziehen zu müssen. Ein anderer schwerwiegender Nachteil besteht darin, dass sich die Regierung wegen des „illegalen“ Zustandes von Kibera weigert, für diese Ansiedlung Dienstleistungen der Stadtverwaltung zu gewähren, wie z.B. Wasserleitung, Toiletten, Straßen, Straßenbeleuchtung, Müllabfuhr. – Eine besondere Belastung für die Slumbewohner besteht auch darin, dass sie für das Wohnen in ihren primitiven Hütten an „Landlords“ Miete zahlen müssen.
Arbeit und Beschäftigung in Kibera
Arbeitslosigkeit ist eines der schwerwiegendsten Probleme in Kibera. Ungefähr 15 % der Bevölkerung stehen in einem normalen Arbeitsverhältnis. Die Löhne sind sehr niedrig. Der Monatslohn für einen Arbeiter im industriellen Sektor beträgt ca. $ 50,- (€ 0,37). Der Großteil der Bewohner findet keine geregelte Arbeit. Das bedeutet, dass die meisten Leute als Gelegenheitsarbeiter tätig sind, z.B. als Schweißer, Maler, Zimmerer, Friseur, Hausmädchen. Viele sind auch tätig beim Verkauf von Gemüse, Holzkohle, Wasser, Nahrung und gebrauchten Kleidern. Sie können durchschnittlich in etwa $1,50 (€ 1,11) am Tag verdienen.
Die Pfarre „Christ the King“
Die Pfarre „Christ the King“ – zuvor eine Außenstation der Pfarre St. Michael –, wurde im Jahr 1997 als selbstständige Pfarre errichtet. Zum Pfarrgebiet gehören sechs der insgesamt elf Dörfer von Kibera.
Ca. 200.000 Menschen wohnen im Pfarrgebiet. Die Katholikenzahl der Pfarre beläuft sich auf über 5.000.
Die Pfarre wird geleitet von der Missionsgemeinschaft der „Guadalupe Fathers“. Zum Pastoralteam gehören auch geistliche Schwestern sowie einige Laienmitarbeiter.
Die Pfarre ist in einzelne Gemeinschaften aufgeteilt, die in Nachbarschaftsgruppen zusammenkommen und pfarrliche Dienste leisten. Darüber hinaus gibt es noch andere Gruppen, z.B. drei Chöre, Jugendgruppe, Frauengruppe.
Neben der eigentlich religiösen Aufgabe wie Evangelisation und Sakramentenpastoral leistet die Pfarre auch wertvolle Arbeit auf sozialem Gebiet sowie auf dem Erziehungs- und Schulsektor. Da von Munderfing und Pfaffstätt aus das Kinder- und Schulprogramm der Pfarre „Christ the King“ unterstützt wird, soll im folgenden Teil etwas ausführlicher darüber berichtet werden.
Schulprogramm von Kibera
Nur ungefähr 50 % der Familien, die in der Pfarre „Christ the King“ wohnen, können es sich leisten, ihre Kinder in die Grundschule zu schicken. Dementsprechend sind viele Kinder tagsüber daheim bzw. bei verschiedensten Hilfsjobs tätig, um das Familieneinkommen ein wenig aufzubessern. Wenn diese Kinder älter werden, fehlt ihnen wegen der mangelnden Schulbildung die Grundlage für ein einigermaßen geordnetes Leben.Sie versuchen oft mit illegalen Mitteln zu überleben. Dies führte zu einem Anstieg der Zahl von Straßenjugendlichen, zu einer Steigerung des Alkohol- und Drogenmissbrauchs und der Kriminalitätsrate. Als Antwort auf diese Herausforderung hat die Pfarre „Christ the King“ einige wichtige Schritte auf dem Schul- und Erziehungssektor unternommen.
Seit dem Jahr 1996 führt die Pfarre eine Grundschule. Diese Schule wurde damals übernommen von der Gemeinschaft der „Brüder des hl. Karl Luanga“, die diese Schule vier Jahre zuvor als Fürsorge- und Unterrichtsstätte für Straßenkinder gegründet hatte. Es handelt sich bei dieser Grundschule um eine katholische Privatschule, die aber vom Staat formell anerkannt ist. In den letzten Jahren ist die Anzahl der Schüler stark gewachsen. 2003 wird die achtjährige Grundschule von insgesamt 427 Schülern besucht. Der Kindergarten, der ebenfalls von der Pfarre geführt wird, wird von 114 Kindern besucht. Von den Kindern, die die Grundschule besuchen, sind 23 % Halb- oder Vollwaisen. Was die Religionszugehörigkeit betrifft, so sind 54 % katholisch, 43 % protestantisch, 1 % Moslems und 2 % sonstiges Bekenntnis.
Da viele Familien sich das Schuldgeld nicht leisten können, bekommen sie von der Pfarre eine entsprechende Unterstützung. Nach derzeitigem Stand sind es 66 %, die auf diese Weise Hilfe erhalten.
Eine Besonderheit dieser von der Pfarre geführten Schule ist es, dass die Kinder mittags auch eine Mahlzeit bekommen; für nicht wenige Kinder ist es die einzige Mahlzeit am Tag.
Viele Kinder beenden die Grundschulzeit mit sehr gutem Lernerfolg. Im Anschluss an die Grundschule eine „secondary school“ zu besuchen, war aber bisher für viele Schüler nicht möglich, da sich die Familien das notwendige Schulgeld nicht leisten konnten. Dies gab den Anstoß dazu, dass die Pfarre im Jahr 2003 auch eine „secondary school“ eröffnet hat.
Diese „secondary school“, die am 10. April 2003 ihrer Bestimmung übergeben wurde, wird nun im ersten Jahrgang bereits von 47 jungen Menschen besucht. Erwähnt sei auch, dass die Pfarre „Christ the King“ eine Reihe von Berufsausbildungsprogrammen für Jugendliche unterstützt.
Ein wichtiger Schritt, um die Ausbildungsmöglichkeiten der Slumbewohner zu verbessern wurde 2002 mit der Eröffnung des neuen „Kibera Cultural Centre“. Das zweistöckige Holzgebäude wurde errichtet, um den Slumbewohnern ü ber die Grundschule hinaus verschiedenste Bildungsangebote vermitteln zu können.
Es ist ein Ort für Fortbildungskurse, kulturelle Veranstaltungen und Bildungsveranstaltungen. Es dient ferner dazu, um sinnvolle Freizeitgestaltung möglich zu machen, und soll ein gesellschaftlicher Treffpunkt für jung und alt sein.
Was die Grundschule betrifft, so wurde im Jahr 2003 von Schwester Jennifer Simwa, einer Pastoralmitarbeiterin der Pfarre „Christ the King“, eine Untersuchung durchgeführt, bei der es unter anderem darum ging, den familiären und sozialen Hintergrund der Kinder zu erkennen, ihre Bedürfnisse festzustellen und herauszufinden, was für die Kinder das Besondere an dieser Grundschule ist.
Es wurden dabei alle Kinder der Schule interviewt. Im folgenden Abschnitt werden einige Antworten von Kindern wiedergegeben, wie sie Schwester Jennifer in ihrem Bericht zitiert:
Ein Mädchen, 14 Jahre alt:
„Wir sind zu zehnt in unserer Familie. Wir haben kaum genug zu essen. Meine Eltern sind arm und wir hängen alle ab von deren kleinem Einkommen, das sie vom Gemüseverkaufen bekommen. Manchmal haben wir zu essen, manchmal nicht. Diese Schule ist gut.
Eine Mahlzeit ist vorgesehen. Ich bin sehr glücklich, hier zu sein.
Wenn ich nach der Schule heimgehe, fühle ich mich traurig wegen meiner Brüder
und Schwestern, die kein Mittagessen bekommen.
Wenn das Abendessen nicht ausreicht, ziehe ich es manchmal vor,
nicht zu essen, um meine Brüder und Schwestern essen zu lassen...“
Ein Bub, 13 Jahre alt:
„Ich kenne meine Eltern nicht. Ich habe sie nie gesehen.
Ich weiß nicht, ob sie noch leben oder bereits tot sind.
Ich wohne bei meinen Großeltern, die alt sind.
Ich bin glücklich, in dieser Schule zu sein,
weil ich mir keine Sorgen zu machen brauche wegen des Essens.
Die Lehrer sind gut und unterrichten uns gut.
Wir haben Zeit zum Wiederholen, während sie in den Regierungsschulen
dafür keine Zeit haben...“
Mädchen, 11 Jahre alt:
„Ich war genau 6 Jahre alt, als mein Vater starb. Ich kannte ihn sehr gut. Ich wohne bei meiner Mutter.
Wir sind sieben Mädchen und ich bin die Viertälteste. Ich habe diese Schule gern, weil die Lehrer uns gut unterrichten und wir ein Mittagessen bekommen...“
Ein anderes Kind:
"Die Schule hat eine gute Umgebung. Wir atmen gute Luft. – Nicht so wie zu Hause."
Ein anderes Kind:
"Diese Schule ist gut, weil sie die bedürftigen Kinder unterstützt, besonders jene, die auf der Straße gelebt hatten.Zwei von meinen Brüdern leben auf der Straße und ich wünsche mir, mehr Kinder könnten von der Straße weggebracht werden, um hier zu lernen.“
Diese wenigen und nur beispielhaft angeführten Antworten bestätigen, wie sehr es die Kinder schätzen, diese Schule besuchen zu können, zumal sie dort auch etwas zum Essen bekommen. Damit der Schulbetrieb inklusive Essensausgabe erhalten bleiben kann, ist die Pfarre „Christ the King“ auf die Hilfe von außen angewiesen. Die Spenden, die von Munderfing und Pfaffstätt aus für das Straßenkindprojekt Kibera gegeben werden, dienen diesem Zweck. Sie fließen in das Schulprogramm der Pfarre „Christ the King“.
Die Spenden werden zunächst gesammelt und über die Dreikönigsaktion (DKA) an den Projektpartner überwiesen.
Die Verantwortlichen der DKA überprüfen auch regelmäßig die Verwendung der Spendengelder.
In einem Brief, den Pater Raul im Mai 2003 nach Munderfing geschickt hatte, berichtete er über große Problem bei der Finanzierung des Ernährungsprogrammes für die Kinder.
Wegen unvorhergesehener größerer Ausgaben kam es zu einem finanziellen Engpass, sodass der Weiterbestand der Essensausgabe an die Schulkinder gefährdet war. Es wurden Spenden für diesen Zweck überwiesen. Diese Spenden wurden von der DKA aufgestockt. Herr Wolfgang Böhm, der von der DKA aus für dieses Projekt zuständig ist und mit der Pfarre „Christ the King“ in Verbindung steht, teilte unserer Pfarre mit, dass das Ernährungsprogramm für Kinder nunmehr weiter läuft und vorläufig gesichert ist.
Für Ihre bisherige Treue in der Unterstützung der Munderfinger Hilfsprojekte möchte ich Ihnen recht herzlich danken. Zugleich ersuche ich auch weiterhin um Ihre Mithilfe.
Zahlscheine zu diesem Hilfsprojekt liegen in der Pfarrkirche (Munderfing und Pfaffstätt) am Schriftenstand auf.
Kontonummer für Spenden:
76.22400 bei der Raiffeisenbank Mattigtal - BLZ 34303.
Es besteht auch die Möglichkeit, Spenden für die Hilfsprojekte in den Opferstock beim Eingang zur Kerscherkapelle in der Pfarrkirche Munderfing zu geben.
Mit aufrichtigem Dank für Ihre bisherige Unterstützung und den besten Wünschen grüßt Sie
Ihr Pfarrer
Josef Pollhammer
Berichte aus "Christ the King" KIBERA in Nairobi
2007 Fotos
2010 Bericht über Nairobi
2011 Bericht über Nairobi
2012 Bericht über Nairobi
2013 Bericht über Nairobi
2013 St. Bakhita Narrative report
2014 Bericht über Nairobi
2014 St. Bakhita Narrative report
2015 Bericht über Nairobi
2015 St. Bakhita Narrative report NEU
2016 Bericht über Nairobi
2017 St. Bakhita Narrative report
2020 St.Bakhita Narrative report