Die Legende von den drei goldenen Säckchen

Er dachte: „Jesus möchte, dass wir uns und anderen Gutes tun. Das will auch ich versuchen …“
Oft ging Nikolaus durch die Stadt, von Straße zu Straße, von Gasse zu Gasse, von Haus zu Haus, besuchte die Menschen und war in ihrer Nähe.
Er sah, dass es in Myra manche reiche Menschen gab, die in prächtigen Häusern wohnten, die viele Diener und Dienerinnen hatten, schöne Kleider, Schmuck und jeden Tag die feinsten Speisen auf ihren Tischen fanden.
Bischof Nikolaus sah aber auch, dass es viele arme Menschen gab, die keine Arbeit und daher auch kein Geld hatten, die in kleinen Hütten kaum genug Platz fanden, die sich seit Wochen nicht mehr richtig satt essen konnten, denen warme Kleider und Holz zum heizen fehlten und die krank und verzweifelt waren.
Eines Tages, als Bischof Nikolaus wieder einmal durch die Stadt spazierte, kam er am Stadtrand zu einer kleinen, sehr armseligen Hütte. Die Fensterscheiben waren zerbrochen, das Dach hatte Löcher, so dass Regen in die Hütte kam und der Wind durch die Räume pfiff. Als Nikolaus näher kam, sah er einen Vater mit seinen drei Kindern dort sitzen. Der Vater hatte seinen Kopf vor Sorgen schwer in die Hände gestützt, die Kinder standen eng zusammengedrängt und blickten hungrig und traurig zu ihm.
Vater, wann kaufst du wieder Brot?“ jammerte das eine, „uns ist in der Nacht immer so kalt!“ klagten die anderen. „Vielleicht finde ich morgen Arbeit und kann damit Geld verdienen“, versuchte der Vater sie zu trösten, aber er schien selber keine Hoffnung mehr zu haben.
„Diesen Menschen muß ich helfen „‚ dachte Nikolaus, „ich muß irgendeinen Weg finden!“ und er machte sich ungesehen wieder auf den Heimweg und grübelte ununterbrochen, wie er dem Vater und seinen Kindern helfen könnte.
„Ich glaube, ich hab´s!“ lächelte er nach einer Weile fröhlich. „Ich brauche keinen neuen Umhang, auf den kann ich verzichten. Da spare ich ein schönes Häufchen Goldstücke, und damit kann ich der Familie eine Freude bereiten.“ Gedacht, getan.
Schon am nächsten Abend füllte Bischof Nikolaus einen Teil der ersparten Goldstücke in ein kleines Säckchen und machte sich auf den Weg. Er eilte durch die Gassen bis zu jener Hütte. Alles war ruhig und still. Alle schliefen. Heimlich ließ Nikolaus das Säckchen durch das Fenster fallen und verschwand ebenso schnell, wie er gekommen war. „Wird das morgen Früh eine Freude sein“ dachte er froh.
Und wirklich! Als am Morgen die Kinder erwachten, entdeckten sie das Säckchen. Sie glaubten ihren Augen nicht zu trauen. „Was ist das?“ „Was kann das nur sein?“ Wo kommt das wohl her?“, so riefen sie aufgeregt durcheinander „Vater, schnell, lass uns doch hineinschauen!“ bettelten sie neugierig. Gespannt öffnete der Vater das Säckchen und — da purzelte auch schon ein Goldstück heraus! Und siehe da, der ganze Sack war voll solcher glänzender Goldstücke! War das eine Freude! Von wem mochte dieses wunderbare Geschenk bloss sein? Sie konnten ihr Glück kaum fassen, lachten und weinten vor Freude, umarmten einander und betrachteten immer wieder die Münzen. „Nun können wir endlich unsere Schulden bezahlen“, jubelte der Vater, „und zu hungern brauchen wir in den nächsten Tagen auch nicht mehr. Und wenn ich wieder Arbeit finde, können wir auch unsere Hütte reparieren und uns warme Kleider kaufen.“
So fröhlich und hoffnungsvoll wie an diesem Abend waren sie schon lange nicht mehr schlafen gegangen!
Am anderen Ende der Stadt musste der Bischof Nikolaus immer wieder an den Vater und seine drei Kinder denken. Ob das Geld wohl reichen würde? Die Not war so groß! Und er überlegte nicht lange, nahm ein paar Goldmünzen, steckte sie in ein Säckchen und machte sich wieder auf den Weg. Heimlich, wie beim ersten Mal, warf er das Sackerl durchs Fenster und schlich sich wieder davon.
Wie groß war die Freude diesmal, als die Kinder am nächsten Morgen das zweite Säckchen fanden! Der Vater kaufte damit Bretter und ein neues Fensterglas, um die größten Löcher an der Hütte auszubessern. Zum ersten Mal seit langem konnten sie an diesem Abend schlafen gehen ohne fürchten zu müssen, dass der Wind durch die Ritzen pfiff.
Aber der Nikolaus hatte noch immer keine Ruhe. Er wollte ganz sicher sein, dass es der Familie gut ging. Und so nahm er zum dritten Mal ein Goldsäckchen, schlich zur Hütte, sah voll Freude, dass die größten Schäden repariert waren und ließ das dritte Geschenk zurück. Am nächsten Morgen kannte der Jubel keine Grenzen mehr „Jetzt brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen!“ riefen sie. „Jemand hat uns eine so große Freude bereitet“, meinte der Vater, „wir wollen diese Freude mit anderen teilen. Wir wollen unsere Nachbarn einladen und ein Fest feiern!“
Und so taten sie es auch. Sie schmausten und lachten und sangen und tanzten, und die Freude breitete sich immer weiter in der ganzen Gegend aus.