Das Märchen vom Seidenfaden - ein Bild für unseren Glauben?
Ein indisches Märchen erzählt Folgendes:
Ein Beamter war bei seinem König in Ungnade gefallen. Der sperrte ihn in einen hohen Turm. Eines Abends sah der Mann seine Frau unten am Turm. Was tat sie dort? Sie hatte einem Käfer Honig auf die Fühler gestrichen, ihm einen seidenen Faden umgebunden und ihn unterhalb des Fensters, hinter dem ihr Mann hoch oben im Turm gefangen war, auf die Wand gesetzt. Der Käfer folgte dem Geruch des Honigs und krabbelte senkrecht nach oben. Der Mann war aufmerksam, denn er vertraute der findigen Liebe seiner Frau. So entdeckte er den Käfer und den seidenen Faden. Er löste ihn vom Körper des Käfers und zog ihn zu sich hoch. Und siehe da: am Ende des seidenen Fadens war ein Zwirnsfaden befestigt, an dessen Ende ein Bindfaden, an dessen Ende eine dünne Leine – und daran ein dickes, starkes Seil. Damit seilte der Mann sich ab. Dann floh er mit seiner Frau in die Freiheit.
Aus der Predigt von Pfarrmoderator Dieter Reutershahn am 11. 4. 2021:
Wer Leben und Zukunft will, hat oft nicht mehr in der Hand als einen seidenen Faden – wie Thomas, wie Maria von Magdala, wie die gesamte Schar der Jünger und Apostel: das leicht zu übersehende Ende eines seidenen Fadens. »Die Zukunft hängt am seidenen Faden.« – Wie gehe ich damit um? Spotte ich darüber – oder ergreife ich den seidenen Faden und vertraue der findigen Liebe dessen, der ihn mir zuspielt? Gott, der Auferstehung und Leben verheißt, reicht mir nur selten ein starkes Seil. Aber er spielt mir seidene Fäden zu. Es lohnt sich, danach zu greifen und seiner findigen Liebe zu trauen, damit Ostern erfahrbare Wirklichkeit wird.