Osterpredigt
Im Vergleich mit Weihnachten hat es Ostern recht schwer. Das Fest ist nicht so stimmungsvoll, es gibt kaum Geschenke, die ganze Atmosphäre ist wesentlich nüchterner. Und das obwohl Ostern das wichtigste Fest der Christenheit ist: Ohne Ostern gäbe es auch kein Weihnachten. Ohne die Osternacht gäbe es auch keine Christnacht.
Warum ist das so? Weihnachten ist für uns Menschen das einfachere Fest. Wir feiern die Geburt eines Kindes, also etwas, das viele Menschen in ihrem eigenen Leben als beglückendes Ereignis erlebt haben. Da ist nichts Übernatürliches, da ist auch der Glaube nicht allzu sehr herausgefordert. Weihnachten kann man feiern als Fest der Familie, der Kinder, des Friedens, ob man religiös ist oder nicht.
Ostern ist anders! Ostern ist die ultimative Herausforderung an unseren Glauben. Ostern ist "Christentum pur". Da gibt es - von ein paar Frühlingsgefühlen abgesehen - keine Romantik, nichts zum Kuscheln, da geht es um die nackte Wahrheit von Leben und Tod.
Der Glaube an das Ostergeschehen, an die Überwindung des Todes durch die Auferstehung Christi ist nicht so einfach. Das können wir - wie übrigens auch die Freunde Jesu - nur schwer akzeptieren. Da wird eine Entscheidung von uns verlangt; gegen den Augenschein "tot ist tot" zum Bekenntnis "im Tod ist das Leben".
Um osterfähig zu werden, müssen wir uns im Glauben dazu durchringen, an die Auferstehung Jesu zu glauben, so wie sich die Jüngergemeinde Jesu dazu durchgerungen hat und bis zum Einsatz des eigenen Lebens verkündet hat: "Der Herr ist wahrhaft auferstanden!" Das zu glauben und daraus die Konsequenzen zu ziehen für das eigene Leben und den Umgang miteinander und mit der Schöpfung als Einsatz für das Leben und gegen alle todesmächtigen Kräfte, das ist "Christentum pur". "Pur" ist oft "echt stark", aber es wirkt.
Denn: Ostern schafft eine Zukunft für die Menschen, deren Leben der Tod genommen hat, die wir zu Grabe tragen mussten und die eine schmerzhafte Lücke in unserem Leben lassen, mit der wir manches Mal kaum weiter zu leben wissen;
Ostern schafft eine Lebensperspektive für all unsere begrabenen Wünsche, Sehnsüchte, Träume, für das Scheitern, die Ruinen und die klaffenden Wunden in und an uns;
Ostern schafft Hoffnung auch für uns, dass über den Tod hinaus Leben möglich ist, und zwar über den biologischen Tod am Ende unseres Lebens hinaus genauso wie über die Tode, die wir im Leben immer wieder sterben müssen.
Ostern - das ist das Fest des Lebens, das Gott, der Liebhaber des Lebens, für uns bereitet.
Ostern ist Christentum pur und ruft uns auf: Glaubt an das Leben trotz der Tode, die es immer wieder bereit hält, die aber nicht das letzte Wort behalten!
Lebt euer Leben mit den Möglichkeiten, die Gott für euch bereitet hat, und gebt Gott so Raum, dass sein Plan vom Leben in euch und durch euch wirksam werden kann.
"Der Tod, menschlich gesprochen, das Allerletzte, ist christlich keineswegs das Allerletzte." (Sören Kierkegaard)