Vierter Sonntag der Osterzeit
Wer ist Jesus? Was bedeuten sein Leben und seine Botschaft für die Menschen Was gibt er der Welt? Das sind die Fragen, auf die das Johannesevangelium den Christen um 100 und uns heute Antwort geben will. Es ist eine Antwort mit vielen Variationen und in vielen Bildern. Im 10. Kapitel geschieht das in Form des Gleichnisses vom Hirten und den Schafen.
Das Bildwort vom Hirten hatte eine Jahrtausende alte Tradition. "HIRT" ist in der altorientalischen Bildersprache eine geläufige Metapher für "Herrscher" und "weiden" steht ebenso häufig für "regieren".
Dabei ist wichtig, dass man in Israel nicht den irdischen König, sondern ausschließlich Gott als "wahren Hirten" sah. Im Psalm 79 wird Jahwe angesprochen:
Wir aber, dein Volk, die Schafe deiner Weide,
wollen dir ewig danken, deinen Ruhm verkünden von Geschlecht zu Geschlecht.
Aber nicht nur das Volk, auch der einzelne in Israel weiß sich von der Hirtensorge Gottes getragen. Denken Sie an Psalm 23, den wir als Zwischengesang eben gehört haben.
Im Hirtenbild verdichten sich die väterlich/mütterlichen Züge Gottes: seine Güte, Menschenfreundlichkeit und Zärtlichkeit; im Buch Jesaja heißt es: "Die Lämmer trägt er auf dem Arm, die Mutterschafe führt er behutsam."
Jesus setzt diese Linie fort. Er verstärkt die Beziehung, die zwischen Hirt und Herde besteht, indem er betont: Für mich sind meine Schafe keine Herdentiere, sondern Individuen, von denen ich jedes in seiner Eigenart kenne und liebe. Und dieses Kennen und Lieben ist gegenseitig: "Wie ich die Meinen kenne, so kennen die Meinen mich." D.h. wir stehen in einer Beziehung, die von größter Offenheit und Hingabe geprägt ist.
Wir haben wahrscheinlich schon gemerkt, dass wir die Alltagswirklichkeit eines Hirten längst hinter uns gelassen haben. Welcher Hirt kennt schon jedes einzelne Schaf mit Namen?
Wir reden also nicht von einem musterhaften Hirten, sondern von den Erfahrungen, die Christen mit Jesus gemacht haben. Nämlich: Ohne Jesus ist unser Leben bedroht von dunklen Mächten; wir fühlen uns ins Dasein geworfen ohne Sinn und Ziel, hilflos wie verlorene Schafe.
Wenn aber Jesus in unser Leben tritt, wenn er für uns zum Maßgebenden wird, begegnen wir einer Liebe, die uns bedingungslos, voraussetzungslos und ohne mögliche Abwendung annimmt. Wir begegnen in Jesus einem Gott, der jede und jeden von uns in ihrer und seiner Eigenart kennt und bejaht.
Und wir finden durch unsere Beziehung zu Jesus zu einer Gemeinschaft von Mitmenschen, die mit Jesus Ähnliches erleben wie wir. So wachsen wir zu einer Gemeinschaft zusammen, die nichts mit "Herdenmentalität", weil jeder und jede ein geliebtes DU Gottes ist.
So gesehen, ist es eine echte Lebensqualität "Leben in Fülle" , zur Herde Christi zu gehören; und zur Förderung dieser Lebensqualität sollen wir miteinander nach Art des Guten Hirten umgehen.
Schließlich wünschen wir uns auch in der Kirche GUTE HIRTEN nach Jesu Art, was uns besonders jetzt vor der Papstwahl ein großes Anliegen ist.
Beten wir heute und in diesen Tagen um eine gute Papstwahl und ebenso auch um geistliche Berufe, die in der besonderen Nachfolge Christi exemplarisch leben und seine Hirtenart verkörpern, damit viele erfahren, dass es bei ihm Leben in Fülle gibt.