Gedanken zum Sonntag
Sonntagsevangelium: Johannesevangelium 14,1–12
https://www.bibleserver.com/EU/Johannes14
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ (Joh 14,6)
Diesen Sonntag ist Muttertag. Kinder sehen in ihren Müttern meist Ähnliches: Mütter sind der Weg oder zumindest der Wegweiser in den ersten Lebensjahren. Sie sind die Wahrheit der ersten Jahre. Was Mama sagt, stimmt, gilt. (Erst in der Pubertät wird die Wahrheit der Eltern oft in Frage gestellt.) Sie sind das Leben, sie schenken Leben, bringen Leben zur Welt, nach der intensiven Zeit der Schwangerschaft. Und sie behüten das Leben, sorgen für ihre Kinder, passen auf sie auf.
Keine Mutter würde von sich aus sagen: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Aber man könnte es über die Mütter sagen: Sie sind der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Ähnlich ist es auch bei Jesus: Bibelwissenschaftler*innen gehen heute davon aus, dass Jesus von Nazaret diese Worte nie so gesagt hat. Jesus war immer sehr bedacht, nicht zu viel über sich selbst zu sagen. Vermutlich hat er nur die Bezeichnung „Menschensohn“ für sich gebraucht, er hat sich nicht selbst als „Messias“ bezeichnet. Aber für die Gruppe, in der das Johannesevangelium entstanden ist, war es klar: Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Sie haben es über ihn sagen können, weil sie es in ihrem Leben erfahren haben, dass er ihr Weg, ihre Wahrheit und ihr Leben ist. Ähnlich wie es Kinder über ihre Mütter sagen können.
Das Johannesevangelium ist deswegen so faszinierend, weil sich die christliche Gemeinde, in der es Ende des 1. Jahrhunderts entstanden ist, so viele Gedanken über Jesus, den Christus (= Messias), gemacht hat.
- Sie hat durchbuchstabiert, was es heißt, Jesus nachzufolgen: Er ist selbst der Weg, auf dem wir gehen, nämlich zu Gott hin.
- Sie hat erkannt, welche Bedeutung Jesus für uns Christ*innen hat: Er ist die Wahrheit. Ohne Jesus gibt es kein Christentum. Ohne Jesus ist unser Glaube leer. Er hat „Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68), Worte, die wahr bleiben, die über Jahrtausende nichts an Aktualität einbüßen.
- Und sie hat erlebt, dass uns Jesus immer wieder stärkt: Er ist das Leben. Jesus macht uns lebendig und schenkt uns eine neue Sicht auf das Leben, in der die Armen und Ausgegrenzten Platz haben.
Gerade in Krisenzeiten, in Zeiten, in denen viele Menschen finanzielle Sorgen haben, dürfen wir die „Wahrheit des Jesus von Nazaret“ nicht vergessen: Dass alle Menschen, besonders jene, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, unsere Zuwendung brauchen. Es braucht eine gerechte Verteilung des Reichtums in unserem Land. – Jesus bleibt für uns Christ*innen Weg, Wahrheit und Leben.
Und die Mütter? Ein Tag im Jahr ist eigentlich zu wenig, um Danke zu sagen. In Coronazeiten haben es viele Mütter noch schwerer, wenn die Kinder zusätzlich auch noch daheim zu unterrichten und den ganzen Tag zu versorgen sind. In diesen Wochen wurde sichtbar, wie wertvoll Frauen für unsere Gesellschaft sind; Frauen arbeiten in vielen Berufen, die für unsere Gesellschaft unverzichtbar sind. Und obwohl sich die Rolle der Männer/Väter schon stark geändert hat, sind es immer noch oft die Frauen/Mütter, die die meisten Betreuungszeiten für die Kinder übernehmen.
Mütter sind, wie gesagt, oft Weg, Wahrheit und Leben für ihre Kinder. Wenn wir das nicht religiös überhöhen, dürfen wir diesen Satz durchaus so stehenlassen neben dem Satz, den uns das Johannesevangelium geschenkt hat.