Gedanken über Versprechen, Vertrauen und Handeln ...
Liebe Mitchrist*innen!
Das Evangelium (Joh 10,1-10) stellt Jesus als guten Hirten vor. Einerseits ist das ein warmherziges und sympathisches Bild; andererseits verliert es an Attraktivität, wenn dann die Rede auf die Schafe kommt und damit unweigerlich das Kirchenvolk assoziiert wird. Lassen Sie mich daher auf einem kleinen Umweg an das Evangelium herangehen.
„Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich Möros den Dolch im Gewande“ – so beginnt Schillers „Bürgschaft“. Es gab Zeiten, da hat man sie in der Schule auswendig gelernt. Nicht alle haben gute Erinnerung daran. Aber es ist ein spannendes, ja fast unheimliches Gedicht.
Möros versucht den Tyrannen zu ermorden, er scheitert und spricht sich damit selbst das Todesurteil. Drei Tage erbittet er sich Zeit, um seine Schwester noch zu verheiraten. Als Bürgen bietet er seinen Freund an. Der Tyrann lässt sich darauf ein und der Freund spielt ohne irgendeinen Kommentar mit. Wird das gut gehen, fragt man sich als Leser, oder geht es schief? Möros verheiratet seine Schwester, das geht gut, aber der Heimweg machte Probleme. Verschiedene Hindernisse halten ihn auf und die Drei-Tages-Frist fliegt dahin. Im allerletzten Augenblick kehrt er zurück, „... an einem Seile schon zieht man den Freund empor“. Der Tyrann ist von der Verlässlichkeit des Möros und dem Vertrauen seines Freundes so überwältigt, dass er sie bittet, „in diesem Bunde der Dritte“ sein zu dürfen.
Wer diese Ballade auf sich wirken lässt, ist hin- und hergerissen – zwischen dem imponierenden Beispiel einer tiefen Freundschaft und den Zumutungen, die sich darin verbergen können. Einerseits ein Ideal, andererseits die Frage: Werden hier das Vertrauen des einen und die Vertrauenswürdigkeit des anderen nicht überstrapaziert? Darf man so etwas von einer Freundschaft verlangen? Ja, wie radikal darf ein Versprechen sein? Und wie viel an Vertrauen darf es von mir verlangen? Möros verspricht, rechtzeitig zurück zu sein. Sein Freund vertraut ihm. Muten sich da nicht beide zu viel zu? Wieviel Verlässlichkeit darf ich jemandem zumuten und wieviel Bürgen-Last? Das sind letzte Fragen an eine Beziehung – und daher heute meine Schnittstelle zum Evangelium:
„Die Schafe hören auf die Stimme des Hirten“, heißt es da und – „er ruft sie einzeln bei seinem Namen; er geht ihnen voraus – sie folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme. – Der Dieb kommt in den Schafstall um zu schlachten, ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“
Diese Worte Jesu sind ein großes Versprechen – und sie fragen uns daher nach unserem Glauben, unserem Vertrauen. Das gilt für die gesamte Osterbotschaft. Von Anfang an stand bereits die Frage im Raum: Ist dieses Versprechen glaubwürdig? Darf man tatsächlich seine Hoffnungen darauf setzen? Kann man das Vertrauen dafür aufbringen? Für viele war es eine Torheit, ja ein Ärgernis. Und es stimmt: Wir haben keinen Beweis, dass das Versprechen auch in Erfüllung geht, aber wir haben einen Bürgen: Jesus. Er ist mit seinem Leben für seine Botschaft eingestanden.
Noch immer zieht diese Versprechen des guten Hirten seine Kreise, noch immer bewegt die österliche Botschaft Menschen. Für 73 % der Österreicher ist Ostern ein Familienfest und immerhin die Hälfte sieht es als Fest der Auferstehung Jesu. Mehr als ich dachte. (Market-Institut, Standard, Karsamstag 2020)
Darüber hinaus will die Osterbotschaft zum Handeln bewegen.
Gar nicht so selten sind es glaubende Menschen, die Tyrannen und Despoten die Stirn bieten. Tyrannische, autoritäre Arbeits- und Beziehungsverhältnisse gibt es auch in Demokratien. Wir wissen drum. „Christen sind Protestleute gegen den Tod“, hat Christoph F. Blumhardt gemeint, der evangelische Pfarrer und Schriftsteller, der im 19. Jh. die religiös-soziale Bewegung in der Schweiz und in Deutschland ins Leben gerufen hat. Protestleute gegen den Tod – und daher gegen alle lebensmindernden, lebenszerstörenden Verhältnisse. Eben, weil Jesus für ein Leben in Fülle bürgt und uns ansteckt mit seiner Leidenschaft für das Leben!