Wirklich menschlich für andere da sein
Liebe Mitchrist/innen!
Am letzten Abend seines bewegten wie bewegenden Lebens setzt Jesus neben dem Brot- und Weinritus noch ein anderes Zeichen: die Fußwaschung (Joh 13,1-15). Man darf vorweg zusammenfassend sagen: Dieses Zeichen legt offen, wie es um uns Menschen steht und was uns von Gott angeboten ist.
Petrus – und er steht wohl für die Jünger insgesamt – ist vorerst einmal überwältigt; überwältigt, aber noch ohne wirklich zu begreifen: Weil Jesus ihm die Füße waschen will, kommt sein Herr oben/Knecht unten-Weltbild durcheinander, und er wehrt ab! „Niemals sollst du mir die Füße waschen!“ Als Jesus darauf sagt: „Dann hast du keine Gemeinschaft mit mir“, beeilt er sich: „Dann auch Hände und Haupt.“ Ob Petrus weiß, was „volle Gemeinschaft mit Jesus“ heißt, wohin das führen kann? Wohl auch noch nicht.
Die Tiefe dieses Zeichens entdeckt Petrus erst langsam. Obwohl die Fußwaschung damals ein Sklavendienst war, meint sie kein unterwürfiges, knechtliches Tun. Und schon gar kein herablassendes, gönnerhaft gnädiges Gehabe. Fußwaschung meint Dienstbereitschaft aus innerer Freiheit. Nur wer frei ist, kann wirklich dienen. Nur wer aufrecht stehen kann, kann sich auch bücken.
Dienstbereitschaft aus innerer Freiheit. Dazu in der Lage ist man nur, wenn man nicht fürchten muss, sich dabei etwas zu vergeben, wenn man nicht gleich Angst hat um sich selbst. Und das trifft einen heiklen Punkt in uns: Unsere Sorge um uns selbst. Einerseits ganz selbstverständlich, weil selbsterhaltend und sich selbst schützend. Andererseits sind wir gefährdet, darin zu übersteuern; wir kreisen leicht um uns selbst und verlieren die anderen aus dem Auge.
Krisen rufen, so liest man jetzt öfter, das Beste wie auch Schlechteste im Menschen hervor. Es ist beeindruckend, was zurzeit vielerorts an tätiger Solidarität gelebt wird – im Großen wie im Kleinen. Das gilt es vor allem anderen zu sehen, ohne das andere ganz zu übersehen.
Jesus möchte, dass Petrus sich diese Zeichen der Fußwaschung gefallen lässt, dieses Zeichen, in dem er zusammenfasst, was er schon getan hat und bis ans Ende tun will: Zeigen, dass es ihm um uns geht.
Dadurch, dass wir seine Liebe – in der uns Gott selbst bedingungslos liebt – zunächst einmal an uns geschehen lassen, wird in uns die Freiheit wachsen, die wir brauchen, um auf wirklich menschliche Weise für andere da zu sein, immer wieder von neuem; nicht, weil man sich leise gezwungen fühlt, nicht Lob einheimsend, nicht den Gutmenschen spielend, sondern aus ganz freien Stücken.
Noch verstehen ihn die Jünger nicht! So geht er seinen Weg VOR ihnen, allein, nicht für seinen Erfolg, sondern für die Botschaft seines Gottes der Liebe, nicht, um sich daraus etwas zu holen, sondern, um etwas zu geben: Sein Beispiel.
So endet dieser letzte Abend seines bewegten und bewegenden Lebens im schutzlosen Gang in die Nacht, in den Garten Getsemani und auch in das Schweigen Gottes. Er, der sich der Nähe seines Vaters gewiss war, wird sein Schweigen umso tiefer erleben. Und doch folgt er in dieser Lebenskrise seiner inneren Stimme und gibt in seinem Hadern, seiner Angst sein Vertrauen auf Gott nicht auf. Er ist hernach als ein anderer zu den schlafenden Jüngern zurückgekehrt als der, der er vorher war und zitternd von ihnen fortging. Und er konnte mit Klarheit sagen: „Steht auf, lasst uns gehen!“