Traditionell verleiht das Land Oberösterreich rund um den 10. Dezember, dem Jahrestag der Deklaration der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen, den mit insgesamt 8.000 Euro dotierten Menschenrechtspreis.
Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer zeichnete am Montag, 12. Dezember 2011 die Abgeordnete zum Nationalrat a.D. Ingeborg (Inge) Jäger aus Eferding und Veronika Pernsteiner, M.A., aus Feldkirchen-Lacken im Linzer Landhaus mit dem Menschenrechtspreis 2011 aus.
„Die beiden Preisträgerinnen leisten durch ihr Engagement einen wesentlichen Beitrag zum Mit- und Füreinander in Oberösterreich und weit darüber hinaus“, so Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer in seiner Laudatio. „Inge Jäger zeichnet sich durch ihren persönlichen Einsatz für die Menschenrechte und gegen Intoleranz aus. Veronika Pernsteiner setzt sich seit Jahrzehnten für ein Leben in Würde ein, insbesondere für die Kinder, die Opfer der Atomkatastrophe von Tschernobyl geworden sind.“
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Im Europäischen Jahr der Freiwilligkeit 2011 soll weiters eine Frau geehrt werden, die sich seit Jahrzehnten tatkräftig für ein Leben in Würde einsetzt, ganz besonders für Kinder, die Opfer der Atomkatastrophe von Tschernobyl geworden sind. Im Artikel 25 der Menschenrechtserklärung steht: „Jeder Mensch hat Anspruch auf ein Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlbefinden gewährleistet.“ Von den schwierigen Lebenssituationen der Kinder, die Opfer der Atomkatastrophe in Tschernobyl geworden sind, hat sich Veronika Pernsteiner berühren lassen und ist seit 25 Jahren tatkräftig engagiert.
Veronika Pernsteiner hat von 1991 bis zur Beendigung im Jahr 2008 die „Tschernobyl-Kindererholungsaktion“ der Caritas Auslandshilfe insgesamt 20 Mal (einige Male auch zusätzlich als Winteraktion) ehrenamtlich geleitet und organisiert. Sie war (und ist) Pionierin und umsichtige Organisatorin und hat selbst Kinder aufgenommen.
Durch die Tschernobyl-Kindererholungsaktion wurden nicht nur insgesamt mehr als 11.000 weißrussischen Kindern Erholung vom radioaktiv verstrahlen Leben geschenkt, sondern auch die Gastfamilien erlebten die Zeit mit den Gastkindern als bereichendes, wenn auch mitunter anstrengendes Geschenk. Veronika Pernsteiner ist auch eine eifrige Leserbriefschreiberin zu gesellschaftlich relevanten Themen. In diesen setzt sie sich vehement für die Menschenrechte ein. Für sie sind es nicht nur Menschenrechte, sondern auch Verpflichtung: „Menschenrechte“ sind auch „Menschenpflichten“. Sie ist als politisch denkende und handelnde Frau ehrenamtlich in dieser Grundhaltung schon seit Jahrzehnten aktiv.
Seit 2006 ist Veronika Pernsteiner Mitarbeiterin im Katholischen Bildungswerk der Diözese Linz, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit.
Anlässlich des Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit, der Reaktorkatastrophe von Fukushima und des 25. Jahrestages der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ist die Verleihung des Menschenrechtspreises des Landes OÖ an Veronika Pernsteiner ein besonders wertvolles Zeichen für die über 2.500 Gasteltern und alle, die sich für den Atomausstieg einsetzen.
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, liebe Festgäste, die alle schon namentlich begrüßt wurden, liebe Familie, liebe Gastfamilien, liebe KollegInnen aus dem Katholischen Bildungswerk mit meinem Chef Dr. Günther Leitner, liebe Festgäste, die mit uns die Menschenrechtspreisverleihung 2011 des Landes OÖ feiern!
„Stell Dir vor, ich hab heute einen Brief von der Marina bekommen“, erzählte mir vor ein paar Tagen eine ehemalige Gastmutter freudestrahlend. „Marina lebt am Stadtrand von Baranowitschi in einer Zweizimmerwohnung und hat zwei Kinder“. Ich habe ihr geantwortet: „Schön langsam werden wir Gastmütter zu Gastgroßmüttern.“ - Nachrichten von Briefen aus Weißrussland erreichen mich immer wieder und sie beweisen, dass die Brücken, die die Gastfamilien zu den Menschen in einem 1000 km entfernten Land gebaut haben, weiter bestehen.
Ich darf hier stehen, weil sich von 1991 bis 2008, insgesamt 20 Mal, viele Menschen in Oberösterreich von mir motivieren haben lassen, für vier Wochen ein oder zwei erholungsbedürftige Kinder aus dem radioaktiv verseuchten Weißrussland in ihrer Familie aufzunehmen. Sie haben ihnen unvergessliche Ferienerlebnisse geschenkt. Sie alle haben das Jesus-Wort „Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen“ eins zu eins verwirklicht! Über 500 Kinderaufenthalte konnte ich dadurch organisieren und begleiten. Dafür danke ich an dieser Stelle noch einmal und deswegen nehme ich diesen Preis auch stellvertretend für die vielen gastfreundlichen Menschen in Oberösterreich an.
Danken möchte ich vor allem meiner Familie, die meine Kindererholungsaktion Jahr für Jahr mitgetragen und unterstützt hat. Mein Mann hat die erste Kindergruppe im November 1991 sogar selbst in Minsk abgeholt. Und meine Schwiegereltern, die mich auch mit unseren eigenen Kindern sehr unterstützt haben, haben auch Nadja ins Herz geschlossen. „Opa, magst a Eis“, war einer der ersten Sätze, die unser Gastkind Nadja 1991 auf Deutsch gelernt hat. Sie hat mir nach einigen Sommerferien bei uns einmal erzählt, dass sie schon besser Deutsch spricht als ihre Deutschlehrerin im Dorf Assarewitschi. Nadja ist auch der Motor für mein Weiterarbeiten für die Tschernobyl-Kinder gewesen. Nadja - zu Deutsch Hoffnung - ist 1991 als blasses, zartes, schüchternes Kind zu uns in die Familie gekommen. Für Tochter Angela und Sohn Christoph ist sie wie eine Schwester geworden. Und mich hat Nadja vor zwei Jahren zur Gastgroßmutter gemacht. Ihr erstes Kind hat sie Veronika getauft, bei ihrer Hochzeit in der Stadt Mosyr war ich dabei.
Das Lied „Heidschi bum beidschi“, das ich mir für heute gewünscht habe, hab ich auch ihr vorgesungen. „Veronika, du bist meine zweite Mama“, war ihre Antwort darauf.
Ich war jeden Sommer immer wieder erstaunt und bereichert, wie viele Herzen und Hände sich in OÖ. und darüber hinaus für die weißrussischen Kinder geöffnet haben. Einen Menschen möchte ich noch besonders hervorheben, der mich all die Jahre sehr unterstützt hat: Dorli Rammerstorfer aus Niederwaldkirchen.
Ich meine, dass die Kindererholungsaktion auch ein Modell für weitere interkulturelle Begegnungen sein könnte. Nur die direkte Begegnung von Mensch zu Mensch kann Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit abbauen. So danke ich auch Christine Haiden, die den Start dieser Aktion durch Spenden der Welt-der-Frau-Leserschaft ermöglicht hat und ich danke der Caritas Auslandshilfe für die viele bürokratische Arbeit rund um diese Aktion. Den Medien danke ich für ihre Berichterstattung in diesen 17 Jahren: sie haben – neben der Mundpropaganda - den größten Beitrag dazu geleistet, dass die Kindererholungsaktion ins Bewusstsein der Menschen gekommen ist und ich immer wieder Gastfamilien gefunden habe. Diese positive Medienberichterstattung ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Einsatz für die Menschenrechte wesentlich von den Medien unterstützt werden kann. Ich selber habe ja durch die Linzer Kirchenzeitung von der Aktion erfahren.
Die Tschernobylkindererholungsaktion ist meines Erachtens nicht nur eine Aktion zur Erholung von Kindern aus den radioaktiv verseuchten Gebieten, sondern sie ist eine bereichernde Begegnungsmöglichkeit geworden zwischen Menschen aus zwei Staaten, die sich vor 70 Jahren im Krieg noch feindlich gegenüber gestanden sind.
Viele Einzelpersonen, Pfarren und Firmen haben dazu beigetragen, dass jedes Jahr gemeinsame Ausflüge und Unternehmungen der Kindergruppen mit ihren Dolmetscherinnen möglich waren. Auch ihnen möchte ich hier danken. Die Dolmetscherinnen konnten in vielen Pfarren die Lage in Weißrussland nach der Atomkatastrophe darstellen, wir waren jeden Sommer mit den Gastfamilien zu Gottesdiensten und Pfarrcafes eingeladen. An diese Pfarren ein großes Danke-Schön!
Zu meinen Dankesworten möchte ich aber auch einen Aufruf hinzufügen:
Wegweisend für eine christlich inspirierte Theorie und Praxis der Gastfreundschaft bleibt die Grundeinsicht aus der Begegnung zwischen Abraham und den drei Engeln: Im Gast oder im Fremden begegnet uns Gott selbst. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zu interkulturellen Begegnungen nützen jedoch nichts, wenn nicht wirkliche Begegnungen von Mensch zu Mensch stattfinden. Denn nur dadurch können Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile abgebaut werden. Gerade pfarrlichen Einrichtungen wie den KBW- und SPIEGEL-Treffpunkten, Runden der Katholischen Frauenbewegung sowie Caritas-Teams gelingt es immer wieder, Begegnungsmöglichkeiten für Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen zu schaffen. Und gerade in der Vorweihnachtszeit werden wir durch die Herbergsuche von Maria und Josef – besonders auch in dem Lied „St. Josef geht von Tür zu Tür“ - intensiv darauf hingewiesen, dass es Jesus selbst sein kann, dem wir Herberge geben, wenn wir hilfsbedürftigen Menschen Herz und Hand öffnen. Forciert werden kann das jedoch nur, wenn auch die politischen Signale in der Gesetzgebung für die Menschenrechte sprechen. Dazu gehört für mich z. B. auch der gesetzlich verankerte humanitäre Aufenthalt für Menschen, die schon viele Jahre mit uns leben.
Mit einem Zitat des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber möchte ich schließen: Alles wirkliche Leben ist Begegnung.
In diesem Sinne: DANKE !
Veronika Pernsteiner,
Menschenrechtspreisträgerin 2011 des Landes Oberösterreich
Ein besonderer Dank gilt der 1. Gastfamilien-Gruppe (Fam. Veronika und Leopold Pichler, Fam. Anna Bumberger, Fam. Margit und Johann Simader, Fam. Anna und Josef Schöbinger, Fam. Veronika u. August Pernsteiner, Fam. Rosemarie u. Gerhard Engleder, Fam. Maria u. Leopold Rammerstorfer), durch deren Engagement und Hilfsbereitschaft die Kinderaktion in unserer Pfarre zu diesem großen Erfolg werden konnte.
Das Interview von Radio Oberösterreich mit Veronika Pernsteiner vom 12.12.2011 kann hier nachgehört werden.