Hinweis: die aktuellen "Gedanken zum Sonntag und für die Woche" von Pfarrer Franz Starlinger sind jeweils ab Sonntag 8:00 auf der Homepage zu finden
Aber fangen wir von vorne an: vor über 2.000 Jahren wurde die Orgel, ursprünglich als Wasserorgel, erfunden und verbreitete sich sodann über das gesamte Römische Reich. Technisch gesehen wurde über einen Wasserkessel mit darin befindlichem Luftgefäß und durch ständiges Pumpen ein konstanter Luftdruck erzeugt, mit dem die Orgelpfeifen bespielt wurden. Mangels Radio war es nicht unüblich, dass bei reichen römischen Bürgern eine kleine Tischorgel zu Hause stand. Große Wasserorgeln standen hingegen in den Arenen, um die Gladiatorenkämpfe und vermutlich auch die Christenverfolgungen musikalisch zu untermalen.
Etwas komisch mutet es an, wenn dann später gerade die Orgel - etwa ab dem 11. Jhdt. - zum kirchlichen Statussymbol erhoben wurde. Als Instrumente, mit denen ohne Verstärker und Lautsprecher, nun aber mit einem Wind-/ Balgwerk statt Wasserkessel, auch noch so große Kirchen bis in den letzten Winkel mit Musik erfüllt werden können, waren sie aber freilich prädestiniert dafür. Gerade in der Romantik und im Barock wurden Orgeln daher immer größer, pompöser, künstlerisch aufwändiger und technisch ausgereifter und sie wird daher auch als die „Königin der Instrumente“ bezeichnet. Eine der größten Orgeln der Welt steht mit etwa 18.000 Pfeifen im nahen Passauer Dom. Die beiden mit mehr als 28.000 Pfeifen größten Orgeln der Welt stehen aber bemerkenswerterweise in amerikanischen Kaufhäusern.
Dagegen erscheint unsere Orgel mit ihren 1.734 Pfeifen (wie nahe waren Sie dran?) winzig. Nur, auf die Größe alleine kommt es nicht an (die größte Orgel kann z.B. nur teilweise bespielt werden). Passen muss sie also! Und die unsrige passt! Seit 35 Jahren, genauer gesagt seit 11.06.1988 bzw. 1.827 Sonntagen werden Gottesdienste und Orgelkonzerte von gerade dieser Orgel musikalisch untermalt. Vielleicht fällt dem einen oder anderen noch ein, was er damals gerade gemacht hat. Als unsere Orgel geweiht wurde, hieß jedenfalls der Bundeskanzler noch Franz Vranitzky, der Landeshauptmann Josef Ratzenböck, der Bürgermeister Karl Neuwirth und der Orgelbauer Bruno Riedl. Letzterem, aber auch dem damaligen Orgelkomitee unter dem Vorsitz von Karl Scheldt und der großen Spendergemeinschaft ist es zu verdanken, dass unsere Stadtpfarrkirche heute mit 5 Meter langen bis hin zu 9 Millimeter kurzen Pfeifen klangvoll erfüllt werden kann. Dazu müssen unsere bereits im Pfarrblatt September 2022 vorgestellten Organisten, den etwa 55.000 Einzelteilen über den „Spieltisch“ und mit viel Fingerspitzengefühl (unterstützt durch ein ausreichendes Maß an Tritten) die melodischen Klänge entlocken.
„lch will dir singen und spielen. Wach auf, meine Seele!" (Ps 108,2). Trotz des gewaltigen Klanges gepaart mit der Akustik des Kirchenbauwerks, kann unsere Orgel mit ihren Klangmöglichkeiten vom sanften Pianissimo bis hin zum donnernden Fortissimo derart spielen, dass sie zur perfekten Begleitung für den Gesang unserer Kirchengemeinde wird. Perfekt, nicht nur, weil sie auf die jeweilige Stimmung eingestellt werden kann, sondern auch den ein oder anderen schiefen Gesangston einfach verschluckt. Schon aus diesem Grund muss - zumindest ich - dankbar für dieses wunderschöne Instrument in unserer Kirche sein.
Beitrag als PDF - erschienen im Pfarrblatt 2023-06, Seite 3