Donnerstag 3. Oktober 2024
Pfarre Haslach an der Mühl

Korrespondenzen 1922

 

1922, Anfang der „Goldenen Jahre“, einer Epoche der Kunst und Kultur, der Tanzbars, Cafés und Kinos in den europäischen Metropolen, der Sehnsucht nach Leben, Lust und Ablenkung. Bei uns war von dieser Faszination wenig zu spüren. Hier herrschte anstelle von Glamour und Tollerei Armut und Tristesse, das Leben war von harter Arbeit am Feld und in der Fabrik bestimmt. Unter dem Titel „Korrespondenzen“ berichteten die „Mühlviertler Nachrichten“ von Woche zu Woche über Vorkommnisse im Bezirk – im Folgenden ein stenogrammartiger Streifzug durch das Alltagsgeschehen von 1922:

Man berichtet über dies und das, über die amerikanische Kinderhilfe, über einen „urgemütlich und anständig“ verlaufenen katholischen Silvesterabend, über das Haslacher Krankenhaus mit seinen 12 Patienten. Die Bauernschaft von Neudorf und Hartmannsdorf spendet 700 kg Roggen für Notleidende in der Gemeinde; für Papst Benedikt XV. und Generalabt Norbert werden Trauergottesdienste in der Haslacher Pfarrkirche abgehalten; in einem „Roten Liebesbrief aus Haslach“ wird der katholische Arbeiterverein Rohrbach als „Idiotenverein“ beschimpft und umgekehrt wird „den Sozis“ ihr „gott- und glaubensfeindliches Tun und Treiben“ vorgeworfen; eine „so schön emporblühende Jugendgruppe“ der katholischen Frauen wird gegründet; nach der Theateraufführung „der G‘moalump“ wird Fräulein Luise Traxler als „Loni“, „die die gewaltigen Gefühlsbewegungen von der mühsam unterdrückten Leidenschaftlichkeit bis zum auflodernden Wahnsinn und zur Verzweiflung wahrhaft erschütternd wiedergab“, gelobt; die Vonwilller’sche Arbeiterschaft spendet eine Überstunde im Wert von 50.874 Kronen als Unterstützung für die Kleinrentner; mit Blick auf das Osterfest wird eindringlich der Gang in den Beichtstuhl eingemahnt und auf die „beschwerliche und verantwortungsvolle Last“ für die Priester hingewiesen: „Oder meinst du, es sei ein Vergnügen, fünf, sechs, sieben Stunden im Beichtstuhle sitzen, in diesem engen Raum. Mancher Priester hat da schon seine Gesundheit eingebüßt.“ Am Ostermontag feiert der hochwürdige Pater Franz Hofer sein erstes heiliges Meßopfer; am 30. April wird Prälat Gilbert Schartner als langjähriger Pfarrer von Haslach verabschiedet; eine Fehde zwischen alkoholisierten Nationalen und Roten in der Windgasse endet mit einer Messerstecherei; am Fronleichnamstag findet in Dorfwirths Gartensalon ein Streichkonzert statt; bei der Kommunewahl am 24. Juni erhält Hermann Miller die meisten (73) Stimmen; im Juli wird Notar Dr. Fritz Zöttl vom Justizminister von Haslach nach Ottensheim versetzt; die Fabriksarbeiter demonstrieren gegen die „Überflutung des Ortes durch Sommergäste, von denen nachgewiesenermaßen unverschämte Hamsterei und Preistreiberei getrieben wird“; am 13. August feiert die Feuerwehr ihr 50jähriges Bestehen: Der Festzug war „schier endlos, immer neue Musikkapellen, immer neue Fahnen, ein fortgesetzter Regen von Blumen und Kränzen fiel von den Fenstern nieder auf den Zug“; mit einem Appell „Zurück zur Hausweberei“ wird gegen Maschinen und Fabriken gewettert: „Wie Pilze nach dem Regen schossen sie hervor und vernichteten das Handwerk….“; die Gründung der Lagerhausgenossenschaft wird als Ausdruck der „sich mehrenden genossenschaftlichen Reife der Bauernschaft“ gewertet; mit Skepsis wird der erkämpfte Achtstundentag kommentiert: „…die Zukunft wird lehren, ob wirtschaftliche Notwendigkeiten unter Umständen den bisherigen Siegeszug des Achtstundentages aufzuhalten geeignet sind.“

Emil Heinel sucht ein Geschäftslokal mit Wohnung; die Sparkasse wirbt mit 7 % Einlagezinsen; mit Eröffnung der Bürgerschule Rohrbach am 6. November wird gehofft, „dass die neu errichtete Bürgerschule eine Wohltat für den Markt Rohrbach und das gesamte obere Mühlviertel werde“; die „Dämmerschoppen-Gesellschaft“ veranstaltet am 5. November einen Unterhaltungsabend, der „an Erfolg seinesgleichen zu suchen hat“; der wöchentliche Ferialtag der Volksschule wird in den Wintermonaten von Donnerstag auf Samstag verlegt. „Holzersparnis ist der Grund dieser Änderung.“ Im Anzeigenteil wird Stroh und Klee feilgeboten, Hermann Dorfwirth kauft „in jeder Menge, auch ganze Waggon-Ladungen Hafer und Speisekartoffel“ und über einen gefundenen Regenschirm würde heute wohl kaum mehr berichtet werden!

 

Gastbeitrag von Norbert Leitner

Heimatverein Haslach

 

Quelle: Mühlviertler Nachrichten,

Nr.01, 02, 04, 05, 06, 07, 10, 11, 12, 14, 16,

17, 13, 23, 26, 29, 36, 37, 38, 40, 43, 46

 

Namenstage
Hl. Adelgott, Hl. Ewald, Hl. Niketius, Hl. Utto (Udo)
Evangelium von heute
Lk 10, 1-12 "Geht! Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe"
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