Donnerstag 3. Oktober 2024
Pfarre Haslach an der Mühl

Gilbert Schartner, Pfarrer in Haslach 1885 - 1922

 

Vor 100 Jahren wurde Gilbert Schartner, 37 Jahre lang Pfarrer von Haslach, trotz fortgeschrittenen Alters und schlechter Gesundheit als Nachfolger des Generalabtes Norbert Schachinger zum Abt des Stiftes Schlägl gewählt. Bis dahin hatte er auf über 1000 handgeschriebenen Seiten das Haslacher Pfarrgeschehen dokumentiert (rechts). Drei Jahre nach der hohen Berufung starb er am 10. Jänner 1925 im Alter von 71 Jahren.

Der Seelsorger

Geboren am 1. April 1854 in Gallneukirchen, empfing Gilbert Schartner am 16. September 1873 die Ordenskleider des hl. Norbert, wurde 1878 zum Priester geweiht und wirkte fürs Erste als Kooperator in Ulrichsberg. 1885 wurde er zum Pfarrer von Haslach installiert. In die Zeit seines Wirkens fallen die Innenrenovierung der Pfarrkirche, die Anschaffung einer neuen Orgel, die Erneuerung der Kanzel und der Altäre, die elektrische Beleuchtung sowie der große Turmaufbau 1906. Gilbert Schartner war als Ortsschul-inspektor ein Förderer der Kleinkinderbewahranstalt, gründete die Pfarrbücherei, richtete die Pfarrchronik ein und war Wegbereiter zur Errichtung des Krankenhauses. Schon in seiner Aktivzeit wurden ihm viele Ehrungen zuteil. Er war Konsistorialrat der Diözese Linz und Ehrenkonsistorialrat der Diözese Budweis. Die Gemeinde Haslach ernannte ihn am 20. September 1901, schon in der ersten Hälfte seiner Amtszeit und erst 47-jährig, zum Ehrenbürger. 20 Jahre später wurde Gilbert Schartner auch zum Ehrenbürger der Gemeinde Lichtenau ernannt.

 

Der Politiker

Die Vormachtstellung der römisch-katholischen Kirche Österreich, Hausreligion der Habsburger und damit de-facto Staatsreligion, wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Sinne von „Trennung zwischen Kirche und Staat“ zurückgedrängt. Mit der Gründung der Katholischen Volksvereine sollte dem liberalen Einfluss auf die Politik entgegengehalten werden. Gilbert Schartner kandidierte bereits als Kaplan in Ulrichsberg für den Gemeinderat und wurde dafür vom „Linzer Volksblatt“, dem Organ des Katholischen Volksvereines, als Priester beschrieben, der nichts versäumt hatte, um „den kath. Glauben zu befestigen, alles was gegen den Katholizismus gerichtet mit Energie zu bekämpfen.“ Als Pfarrer von Haslach wurde er 1888 erstmals in den Gemeindeausschuss gewählt. Bei der Bürgermeisterwahl machte er gegen den liberalen Kandidaten Notar Edgar Fröhlich Stimmung, konnte aber dessen Wahl nicht verhindern. Bei den folgenden Kommunalwahlen agierte der Haslacher Pfarrer mit Eifer, indem er mit seinem Kaplan in den Dörfern von Haus zu Haus zog und um Stimmen warb. 1909 zog Gilbert Schartner als christlichsozialer Abgeordneter in den Oö. Landtag ein.

 

Der Sprecher für Textilarbeiter und Hausweber

Am 31. Oktober 1909 wurde die christliche Textilgewerkschaft gegründet, die sich mit ihren 150 Mitgliedern alsbald zur stärksten Oö. Ortsgruppe entwickelte. Kurz darauf, am 20. Mai 1910 kam es in Solidarität mit den Lederarbeitern bei Poeschl zum Textilarbeiterstreik, worauf die Firmenleitungen von Vonwiller und Foelser mit Aussperrung und Entlassung der Arbeiter antworteten. Gilbert Schartner bemühte sich auf Seite der christlichen Gewerkschafter um einen Kompromiss, so dass im Juli in der Vonwillerfabrik die Arbeit wieder aufgenommen wurde. Anders bei Foelser. Hier blieb die Firmenleitung hart und nahm trotz Intervention des Pfarrers auch bei langdienenden Arbeitern die Entlassung nicht mehr zurück. Die Rolle der Kirche im Verhältnis zu den Arbeitern und insbesondere zum Textilarbeiterstreik ist in Nachbetrachtung schwierig zu bewerten. Einerseits geißelte die katholische Presse den Streik als untaugliches politisches Kampfmittel: „Wie verderblich und selbstmörderisch wurde die sozialistische Streikidee, das so oft und vielgepriesene Allheilmittel der roten Hetzapostel“, zum anderen wurde dem Klerus vorgehalten, sich zu aktiv in das Geschehen eingeschaltet zu haben. Im Landtag bezeichnete der Rohrbacher Lederfabrikant Rudolf Poeschl das Verhalten der Geistlichen als „weder christlich noch katholisch, sondern terroristisch“, was zu einer Entgegnung der Geistlichkeit führte. Als Vertreter des „Vereins zur Förderung der Hausweberei“ wies Gilbert Schartner im Landtag mit Leidenschaft auf die Not der Hausweber im oberen Mühlviertel hin und warb mit Nachdruck für öffentliche Aufträge seitens der Eisenbahngesellschaften und des Militärs. Manchmal waren seine Reden aber auch nicht frei von chauvinistisch rassistischen Untertönen: „…Wenn die Fabrik nicht die notwendigen Webmeister aus dem eigenen Kronland findet, …so kann es nun sehr leicht geschehen, dass ein Tscheche kommt (…) ich brauche Hilfskräfte aus meiner Heimat und so entsteht leicht an solchen Fabriksorten eine tschechische Kolonie (…). Vorbeugen wollen wir also, vorbeugen einer slawischen Invasion…“

 

Das Feindbild Sozialdemokratie

Gilbert Schartner sah im Liberalismus eine Gefahr für die örtliche Religiosität, insbesondere für die Arbeiter in der Vonwillerfabrik mit deren protestantischen Direktoren und Fabrikbeamten. Letztere sorgten wiederholt für Konflikte, die sogar zu einer Anzeige wegen Religionsstörung führten. Einer der Beamten hatte bei einer Fronleichnamsprozes-sion Zigaretten rauchend seinen Hut nicht gezogen. Trotz alledem – wenn es darum ging, den Anfängen der Sozialdemokratie zu wehren, zeigte Gilbert Schartner Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Liberalen. So weit, dass es bei den Reichratswahlen 1897 beinahe zu einer gemeinschaftlichen Kandidatur gegen die Sozialdemokraten gekommen war. Im Zwiespalt von ideologischer Konkurrenz und Kooperation entstand der Nährboden für das „Feindbild Sozialdemokratie“. Der Pfarrer machte von der Kanzel aus Stimmung gegen eine anberaumte Versammlung der Sozialdemokraten und nötigte den Gastwirt Josef Mayr, seine Lokalzusage für die Veranstaltung zurückzuziehen. Als weiteres Gegengewicht zur aufkeimenden Sozialdemokratie erwirkte er die Bildung des Katholischen Arbeitervereines, der sich am 29. September 1895 konstituierte. Das Sagen im Verein hatte der Klerus in der Person eines „geistlichen Ratgebers“, so dass religiöse und moralische Zielsetzungen dominierten und der Verein kaum als echte Interessensvertretung für die Arbeiter wahrgenommen wurde.

 

Die Mühlviertler Nachrichten

„Duldet in eurem Hause keine kirchenfeindliche Zeitung!“ Mit diesem Aufruf behaupteten die Mühlviertler Nachrichten als „Katholisch-konservatives Wochenblatt für das Mühlviertel“ ihr politisches Meinungsmonopol. Der politische Teil der Zeitung wurde von Gilbert Schartner von 1893 an bis zu seinem Tode redigiert, wobei es wiederholt zum Schlagabtausch mit der sozialdemokratischen „Wahrheit“ kam. Diese bezeichnete die Mühlviertler Nachrichten als „Leibblättchen“ des Haslacher Pfarrers. Im Bericht über die erste christlich-sozialen Vereinsversammlung 1905 ist die Rede von den „bisherigen Leistungen der christlichen, sozialen Partei für das christliche Volk, im Gegensatz zum Judentum und der verjudeten Sozialdemokratie“. 1909 wettert die Zeitung gegen die hohen Mitgliedsbeiträge des sozialdemokratischen Landarbeitervereines, „wie sie die roten Juden aus den Landarbeitern herauspressen wollen“. Und zur Wahl 1909 warb das Blatt für den christlichsozialen Kandidaten Gilbert Schartner, „wie es sich für charakterfeste, christliche Männer geziemt“.

 

Der Krieg

Am 2. August 1914 verlas Gilbert Schartner den Hirtenbrief „Zum Krieg“ von der Kanzel, in dem es u.a. hieß: „Mit jubelnder Begeisterung hat ganz Österreich erfüllt das entscheidende Wort: es ist Krieg! Und dieses in Kriegsbegeisterung aufjauchzende Österreich: Kaiser! Das ist Dein erster Sieg in diesem Krieg!“Doch bald nach den euphorischen Anfangserfolgen wurde mit Josef Ganser, Neudorf 5, das erste Kriegsopfer gemeldet. Zugleich mit den Meldungen über die Verleihung von Verdienstkreuzen und Tapferkeitsmedaillen füllte sich die Pfarrchronik mit eingeklebten Totenbildern von Haslachern, die „Auf dem Feld der Ehre den Heldentod fürs Vaterland“ starben. Zu Kriegsende gestehen die Mühlviertler Nachrichten ein: „Die vaterländische Begeisterung der ersten Kriegsjahre ist im Zusammenbruch der letzten Tage gänzlich erloschen.“ Unter dem Kapitel „Österreichs Zusammenbruch“ berichtete Gilbert Schartner nicht ohne mitschwingende Wehmut vom letzten Kaiseramt mit Te Deum, bei dem die ersten zwei Strophen der Volkshymne gesungen wurden: „Zum Amt erschienen wenige Schulkinder mit ihren Lehrern, aber keine Beamten, keine Gemeindevertreter, auch die Gendarmerie fehlte…“Er bedauerte auch die behördlich angeordnete Entfernung der Kaiseradler auf Ämtern und Tabaktrafiken: „Fremde wussten jetzt nicht, wo Zigarren zu bekommen sind.“ Und mit der Meldung über drei Kirchenaustritte schlug der Pfarrer nach 37-jähriger Amtsausübung seine über 1000 Seiten umfassende handgeschriebene Pfarrchronik zu.

 

Ehre und Tod

Vor 100 Jahren wurde Gilbert Schartner mit der Berufung zum Abt die krönende Würdigung seines Lebenswerkes zuteil. Zwölf Jahre später, nicht einmal zwei Jahrzehnte nach einem mörderischen Weltkrieg, schossen Österreicher auf Österreicher. Die leidvolle Erfahrung, dass in der Folge von Rassismus, politischer Ausgrenzung und Polarisierung das dunkelste Kapitel unserer jüngeren Geschichte geschrieben wurde, blieb Gilbert Schartner durch seinen frühen Tod erspart.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gastbeitrag von Norbert Leitner,

Heimatverein Haslach

 

Quellen: Pfarrchronik I-III, Haslacher Heimatbuch,

Mühlviertler Nachrichten 1, 52/1905, 11,16, 19/1909, 8, 23, 50/2010, 45/1914, 47/1918, 3/1925

P.A.Bayer: „Die sozialpolitische Tätigkeit des Schlägler Abtes Gilbert Schartner als Pfarrer von Haslach (1885-1922)“, 2000

Namenstage
Hl. Adelgott, Hl. Ewald, Hl. Niketius, Hl. Utto (Udo)
Evangelium von heute
Lk 10, 1-12 "Geht! Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe"
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