Friedhof und Grabkultur
Der Friedhof ist ein ganz zentraler Teil jedes Ortes. Gerade zu Allerheiligen und Allerseelen schmücken wir unsere Gräber ganz besonders. Die Segnung der Gräber an diesen Tagen ist erlebbares Zeichen, dass unsere Verstorbenen in unserem Herzen weiterleben. Sie ist Ausdruck unseres Glaubens an ein Weiterleben nach dem Tod, des Glaubens, dass das Leben stärker ist als der Tod.
Der Friedhof als Ort des Grabes erfüllt dabei einige ganz zentrale Aufgaben:
Grab als Ort der Erinnerung
Das Grab ist ein Ort der ganz speziellen Erinnerung. Es ist jener Ort, an dem wir die sterblichen Überreste unserer Angehörigen würdevoll beigesetzt wissen. Auch wenn wir gerade in der unmittelbaren Trauerphase nach dem Sterben eines Angehörigen das Gefühl haben, dass die Verstorbenen immer und überall bei uns sind, so beschreiben doch viele Menschen das Grab schon sehr bald als einen besonderen Begegnungsort mit unseren verstorbenen Angehörigen. Viele Menschen sprechen davon, dass sie am Grab mit ihren Angehörigen reden können, ihnen von ihrem Alltag erzählen und ihn so weiterhin mitleben lassen. Gerade in der ersten Zeit nach dem Sterben besuchen viele Angehörige (beinahe) täglich das Grab, um der/dem Verstorbenen nahe zu sein.
Grab als Ort der Erinnerung an die eigene Sterblichkeit
Doch nicht nur die Erinnerung an unsere Verstorbenen passiert auf einem Friedhof. Beim Besuch der Gräber erinnern wir uns auch an unsere eigene Sterblichkeit. “Lebe jeden Tag so, als wäre es dein letzter.” Die Erinnerung an unsere eigene Sterblichkeit kann uns auch helfen, über unser eigenes Leben nachzudenken. Woran will ich, dass sich die Menschen erinnern, wenn sie an mich und mein Leben denken? Wie kann ich mein Leben ausrichten, damit es mit meinen Prioritäten zusammenpasst? Fragen, die ich mir oft stelle, wenn ich durch einen Friedhof gehe und dabei Gräber sehe mit Menschen, die nicht älter wurden als ich schon bin.
Grab als Ort der Hoffnung
Wir pflanzen Blumen auf unsere Gräber, auf manchen Friedhöfen findet man sogar Bäume auf Gräbern. Viele Menschen entzünden regelmäßig ein Licht am Grab. Diese Symbole wollen der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass der Tod eben nicht das letzte Wort, dass wir in Christus das Leben von Gott her haben. Aber diese Hoffnung geht weiter, wie wir beim Begräbnis beten: “die Hoffnung, dass wir uns einst wiedersehen in der ewigen Heimat bei Christus.” Dahinter steht die Idee, dass die Ewigkeit kein fremder unbekannter Ort, sondern ewige Heimat bei Gott ist. Es ist ein Ort der liebenden Geborgenheit, an dem wir uns wohlfühlen können und zur Ruhe kommen dürfen. Es ist eben eine Wohnung, die Gott uns bereitet.
Friedhof als öffentlicher Ort
Rechtlich gesehen erlöschen mit dem Tod alle Persönlichkeitsrechte. Der Körper eines Verstorbenen (Leichnam) gehört den unmittelbaren Angehörigen, die auch für die Beisetzung Sorge tragen müssen. Wenn jemand keine Angehörigen hat, so übernimmt die öffentliche Hand (Gemeinde oder Bezirk) diese Aufgabe. Welche Formen der Bestattung möglich sind, ist von Bundesland zu Bundesland in Österreich unterschiedlich. Daher ist nicht alles, was in Niederösterreich oder Salzburg erlaubt ist, auch hier erlaubt. Auskünfte dazu gibt es bei den Bestattungsunternehmen.
Doch kein Mensch — auch wenn er verstorben ist — tatsächlich jemand anderem gehören? Wir sind doch alle eingebunden in verschiedene soziale Strukturen (Familie, Arbeitsplatz, Vereine, …). Alle diese Menschen wollen sich vielleicht auch verabschieden. Der Friedhof als öffentlicher Ort bietet dazu die Möglichkeit. Wobei Abschied nehmen selbstverständlich nicht bedeutet, dass ich an einem fremden Grab Veränderungen vornehmen kann. Doch an einem Grab eines Menschen, den wir kennen, kurz zu verweilen, um dieses Menschen zu gedenken, ist eine ganz wichtige Aufgabe eines Friedhofs.
Friedhof als neue Wohnung unserer Verstorbenen
Auf einen Aspekt möchte ich noch hinweisen, weil dieser Aspekt im Sterbefall immer schwierig ist und daher oft unter den Tisch fällt. Wenn das Grab und der Friedhof tatsächlich die neue Wohnung unserer Verstorbenen sind, dann ist es auch ein wichtiger Aspekt, dass wir unsere Verstorbenen jederzeit besuchen können, sie aber auch auf dem Friedhof zurücklassen. Hier geht es mir darum, dass unser Leben weitergeht, sich wieder verändert und vielleicht manchmal in neue Bahnen geworfen wird. Wenn wir nun beispielsweise eine Urne am Kamin im Wohnzimmer stehen haben, dann hilft uns das am Beginn bei der Aufarbeitung der Trauer. Irgendwann einmal kann diese Urne aber auch zum Problem werden, weil man sich beobachtet fühlt, nicht abschließen kann und daher in der Trauer gefangen bleibt. Hier empfehle ich, ein Foto des Verstorbenen aufzustellen, das man weggeben kann, wenn man soweit ist.