Quell der Hoffnung: die Weihnachtsbotschaft
„Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage, rühmet, was heute der Höchste getan“ …
Was habe ich es geliebt, wenn mich am Morgen des 24. Dezember Pauken und Trompeten weckten. Jedes Jahr legte mein Vater die alte Schallplatte mit Bachs Weihnachtsoratorium auf. Es war unsere kleine, private Generalprobe für den abendlichen Gottesdienst, bei dem ich, damals 12 und das erste Jahr im Kirchenchor, voller Inbrunst den Choral „Wie soll ich dich empfangen und wie begegn dir“ sang. Habe ich das damals als Frage verstanden? Als Frage an mich? Ich weiß es nicht mehr. Doch tatsächlich ist es die zentrale Frage der Weihnachtsbotschaft: Wie gehen wir mit dem Geschenk seiner Liebe um?
Zeit des Schenkens
Heute eile ich am Weihnachtsmorgen für letzte Besorgungen zum Biomarkt, bestelle zur Sicherheit schnell noch eine Kiste Wein und habe das Gefühl, dass zwischen Besorgungen und Bestellungen die eigentliche Weihnachtsbotschaft in den Hintergrund gerät. Da bestelle nämlich nicht ich – Gott, Jesus bestellt bei mir: Ich, wir sollen uns kümmern, seine Liebe tätig weitergeben. Dieser Auftrag reicht weit über Familie, Freunde, Nachbarn hinaus. In der Weihnachtsgeschichte nach Matthäus tauchen nicht zufällig drei Weise aus dem Morgenland auf. Sie kommen, von einem Stern geführt, nach Bethlehem, um dort dem Jesuskind zu huldigen. Caspar, Melchior und Balthasar stehen für die damals bekannten drei Kontinente Europa, Afrika und Asien. Sie sind Fremde, doch selbstverständlich in das Geschehen an der Krippe integriert. Heute würde man von Vielfalt, Integration, Völkerverständigung sprechen. Angesichts dessen, was sich in vielen Teilen der Welt abspielt, drängt sich der Gedanke auf, dass wir die Weihnachtsbotschaft nicht wirklich verstanden haben.
„Es begab sich aber zu der Zeit, als ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging“
Täusche ich mich, oder wird die Weihnachtsgeschichte mitunter wie ein erbauliches Märchen gelesen, aus längst vergangener Zeit? Dabei siedelt sie mitten in der Welt, nennt einen konkreten Zeitpunkt und Ort mit konkreten Menschen. Im Lukas-Evangelium sind mit der Geburt Jesu die politischen Ereignisse der damaligen Zeit verknüpft, um deutlich zu machen, dass es sich hier nicht um irgendeine herzerwärmende Geschichte handelt, sondern um ein Geschehen von weltgeschichtlicher Bedeutung. Eines, das bis heute wirkmächtig ist. Was damals geschehen ist, kann in jeder Gegenwart geschehen.
„Die Geburt Jesu gibt zu verstehen, dass Gottes Ankunft in jeder Zeit gegenwärtig werden will“, sagt der katholische Fundamentaltheologe Knut Wenzel. Die Weihnachtsbotschaft offenbart sich auch nicht vor den Mächtigen dieser Zeit, sondern am Rand. Bei den Hirten, die nachts auf dem Feld ihre Tiere hüten, bei einfachen, um ihre Existenz bangenden Menschen. Hier kommt Gott in die Welt. Gegen die Härte des Daseins, gegen das Leiden und die Verzweiflung setzt er Liebe, Gerechtigkeit und Hoffnung.
„Ich steh an deiner Krippen hier“
Wenigstens ein einziges Mal wollte der Poverello „mit eigenen Augen die Geburt des göttlichen Kindes sehen“. So berichtet es sein Biograf Thomas von Celano. Unweit von Greccio in der Region Latium, einem Dorf reich an Armut, bildete Franz von Assisi vor genau 800 Jahren zusammen mit den einfachen Menschen dieser rauen, kargen Landschaft die Geburtsgrotte von Bethlehem nach.
Die Weihnachtsbotschaft in dieser Weise zu verkünden, war damals etwas völlig Neues. Die Inszenierung des Weihnachtsgeschehens war indes nicht zur besinnlichen Unterhaltung gedacht. Franziskus verstand sie als Weckruf, die Weihnachtsbotschaft ernst zu nehmen, sie im Dienst am Nächsten zu leben und die Not, wo auch immer sie uns begegnet, zu lindern.
Das Weihnachtsgeschehen richtet den Blick nicht allein auf die Freude über die Geburt Jesu, sondern auf das ganze Sein, schildert die Mühsal, die Sorge um ein Dach über dem Kopf, das Ärmliche des Stalls ebenso wie den leuchtenden Stern in dunkler Nacht.
Diese beiden Dimensionen spiegeln sich auch im Bach-Choral „Ich steh an deiner Krippen hier“ wider und in besonders anrührender Weise in dem Weihnachtslied „Maria durch ein Dornwald ging“. Dem abgestorbenen Dornwald, Sinnbild von Unfruchtbarkeit und Tod, stehen blühende Rosen gegenüber als Zeichen der guten Hoffnung. Gott wird Mensch, teilt mit uns die Freuden und die Abgründe des Lebens bis in den Tod.
Die Weihnachtsbotschaft führt Freud und Leid zusammen
Sie ist Bangen und Zagen, aber eben auch „jauchzet, frohlocket“. Hoffnung kommt von Hüpfen! Sie beflügelt die Vorstellungskraft, die Kreativität, die die Welt nachweislich immer wieder auf den Kopf gestellt hat.
Der Philosoph Ernst Bloch sieht in der Hoffnung „eine Bedingung für das menschliche Leben, die eine neue Wirklichkeit schafft“. Genau das vollzieht sich mit der Geburt Jesu. Hoffnungsfroh ist eine Lebens- und Glaubenshaltung, die uns gerade jetzt, wo man angesichts der vielen Krisen und Kriege schier verzweifeln möchte, gut ansteht. Die heute fast vergessene Schriftstellerin Pearl S. Buck schrieb einmal: „Die Hoffnung aufzugeben, bedeutet, nach der Gegenwart auch die Zukunft aufzugeben“.
Wer nichts mehr erhofft, hat keinen Grund, sich einzusetzen, er hat nicht mal einen Grund, am Leben überhaupt teilzunehmen.
Doch woher die Hoffnung nehmen, wo gerade so ziemlich alles da draußen droht, in die Binsen zu gehen? Vielleicht indem wir die Weihnachtsgeschichte immer wieder lesen. Auch damals waren die Zeiten mehr als unsicher. Und genau dann wird ein Kind geboren, das so ganz anders ist, als man es sich vorstellt. Auf einmal ist da ein Mensch, der seine Macht aus der Liebe schöpft. Ein Realist, der gegen alle Widerstände Gottes Werk hier auf Erden verwirklicht und keine Sekunde daran denkt, die Hoffnung und den Glauben an das Gute im Menschen aufzugeben.
Hoffnung wurzelt im Herz
Ich höre schon wieder die Einwände von gut informierter Seite, die auf die „harten Fakten“ verweist, bis ich ganz kleinlaut werde. Dabei weiß ich, dass Hoffnungslosigkeit etwas für Leute ist, die etwas zu gut informiert sind und sich deshalb nicht vorstellen können, dass etwas Besseres kommt: Der Triumph der Güte über die Macht, der Klugheit über die Bosheit, der Liebe über Gewalt und Tod.
In Sachen Hoffnung sollten wir auf unser Herz hören, meint der vor 50 Jahren verstorbene und zum Katholizismus konvertierte Philosoph Gabriel Marcel. „Hoffnung“, so Marcel, „besteht in der Behauptung, dass es im Herzen des Seins, jenseits aller Daten, jenseits aller Inventare und aller Berechnungen, ein geheimnisvolles Prinzip gibt, das mit mir im Bunde ist.“ Wir nennen dieses Prinzip Gott. Er ist mit uns im Bund und genau das erlaubt es, trotz allem hoffnungsvoll zu sein.
Diese Hoffnung im Herzen richtet sich nicht auf ein bestimmtes Ziel oder die Erfüllung von Wünschen. Sie vertraut auf die eigene innere Stärke, darauf, an den Widrigkeiten des Lebens nicht zu zerbrechen. „In einem tieferen Sinn“, so der Philosoph Giovanni Maio, „hofft man nicht auf etwas, sondern auf sich selbst.“ Im Umkehrschluss bedeutet das, wer die Hoffnung aufgibt, gibt sich selbst auf. Und das kommt nun wirklich nicht infrage.
Ein Strohhalm Hoffnung
Weihnachten ist „Gnade in menschlichen Abgründen“, schrieb einmal der katholische Theologe Karl Rahner. Wozu Weihnachten einlade, sei die Zustimmung zu einem Grundvertrauen in das Leben. Das ist sein Weihnachtsgeschenk. Am 24. feiern wir nicht uns, sondern die unbedingte und ungeteilte Liebe Gottes, die durch alle Sorgen und Mängel auf das gelingende Leben verweist und ohne Druck und Zwang „wenn nicht, dann aber …“ Raum zum Wachsen gibt.
Im Erzgebirge, in der Lausitz und in Polen legt man zur Erinnerung an das Jesuskind in der Krippe traditionell Stroh unter die Weihnachtsdecke. Legen wir jeden Tag einen Strohhalm Güte, Fürsorge, Hilfsbereitschaft und Trost in seine Krippe. Damit wir und andere Hoffnung schöpfen können.
Uns allen eine gesegnete, fröhliche und hoffnungsfrohe Weihnacht.
Xenia Frenkel
Quelle: Leben jetzt. Das Magazin der Steyler Missionare, www.lebenjetzt.eu
, In: Pfarrbriefservice.de