Dienstag 25. März 2025
Pfarre Dorf an der Pram

Osterpredigt

von Diakon Reinhart Daghofer

Predigt für das Hochfest der Auferstehung des Herrn 2020 für die Feier der Osternacht und für den Ostertag.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer wurde im Morgengrauen des 9. April 1945 im KZ Flossenbürg in der Oberpfalz wegen seiner Beteiligung am Widerstand gegen Adolf Hitler und sein Regime erhängt.

Die letzten Worte, die von ihm überliefert sind, hat er bei der Aussonderung aus dem Gefangenentransport, dem er angehörte, am 8. April 1945 gesprochen:

Dies ist das Ende. Für mich der Beginn des Lebens.

Nach meiner jahrzehntelangen, immer wieder neu ansetzenden, Beschäftigung mit seinem Leben und seinem Werk zählt er für mich zu den glaubwürdigsten Zeugen der Auferstehung Jesu Christi und damit der Auferstehung schlechthin.

Was führte Dietrich Bonhoeffer zu der tiefen Überzeugung, dass die gewaltsame Beendigung seines irdischen Lebens seine Geborgenheit in Gott nicht beenden kann?

 

In der Weihnachtszeit 1944 befand er sich im sogenannten Reichssicherheitshauptamt in der Prinz Albrecht-Straße in Berlin in einem Keller der Gestapo in Haft. Und das war ganz gewiss kein idyllischer Ort. Es wurden dort ständig Gefangene auch unter "verschärften" Bedingungen, also unter Einsatz der Folter, verhört. Das ist ihm zwar erspart, aber natürlich nicht verborgen geblieben. Einer seiner Brüder, der ebenfalls noch ganz kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges von Gestapoleuten ermordet wurde, wurde fürchterlich gefoltert und schreibt im Abschiedsbrief an seine Frau, dass er nicht mehr weiter leben will, weil er die hasserfüllten Visagen seiner Folterer nie mehr wieder sehen will.

In dieser Lebenssituation verfasst Dietrich Bonhoeffer für seine Braut Maria von Wedemeyer, seine Eltern, Angehörigen und Freunde "das" Gedicht des 20. Jahrhunderts, in dem, wie von der in Auschwitz ermordeten holländischen Jüdin Etty Hillesum, die tiefe und unverbrüchliche Überzeugung ausgedrückt wird, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt (Römer 8,28).

Es handelt sich dabei um das inzwischen auch in katholischen Gottesdiensten häufig gesungene "Von guten Mächten".

Wer die Lebenssituation nicht bedenkt, in der dieses Gedicht geschrieben wurde, könnte in Versuchung geführt werden, sich beim Singen in eine wohlige religiöse Idylle hinein zu flüchten, obwohl es in der dritten Strophe heißt:

"Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern,

des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,

so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern

aus Deiner guten und geliebten Hand."

 

Liebe Schwestern und Brüder,

wir dürfen gerade in der Zeit der Corona-Pandemie nicht ausblenden, dass der Auferstehung das Kreuz vorangeht. Es wäre allerdings vermessen, das Kreuz zu suchen. Es wurde auch von unserem Erlöser Jesus Christus nicht gesucht, er ist ihm aber auch nicht ausgewichen. Es wäre auch vermessen, die derzeitige Krisenzeit mit den Schrecknissen des Zweiten Weltkrieges und den damals geschehenen, vollkommen unfassbaren, Verbrechen gleichzusetzen. Aber es handelt sich natürlich um eine tiefe Krise, die auch nicht verharmlost werden darf. Sie bietet aber, wie jede echte Krise, auch die Chance, nicht nur unseren bisherigen Lebensstil, sondern auch unsere oft schnell dahingesagten religiösen Überzeugungen zu überdenken und wieder neu zu vertiefen.

Dietrich Bonhoeffer befand sich vor seiner Überstellung in das Kellergefängnis der Gestapo im Reichssicherheitshauptamt schon etwa 1,1/2 Jahre im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin-Tegel in Haft. Es ist denkbar, dass er im Sommer 1943 dort auch Franz Jägerstätter einmal gesehen hat. Die beiden Männer haben aber sehr wahrscheinlich nichts voneinander gewusst.

In dieser Zeit ist in ihm immer mehr und mehr der Gedanke aufgestiegen, dass die Christen die Göttlichkeit ihres Erlösers viel zu wenig ernst nehmen. Würden sie das tun, würden sie erkennen, dass ihr Gott ein ohnmächtiger und leidender Gott am Kreuz ist, ein Gott, dem die Angst im Garten Gethsemane die Kehle beinahe zuschnürt. Und in diesem Gott zeigt sich die ganze Liebe des Vaters zu den Menschen und zu seiner gesamten Schöpfung.

Und diese Liebe des Dreifaltigen Gottes achtet den Eigenstand seiner Schöpfung und damit die Eigenverantwortlichkeit seiner Menschen, die ER in die Freiheit hinein entlassen hat.

Sie zwingt niemand und erzwingt nichts.

Denn Gott ist nicht nur Liebe, er ist nichts als Liebe (P. Francois Varillon). Aber Liebe ist keine Einbahnstraße. Die, wie Etty Hillsum 1943 verstorbene, französisch-jüdische Christusmystikerin Simone Weil spricht daher von einem demütigen Gott, der um unsere Liebe bettelt. Die schon erwähnte Etty Hillesum liebt Gott mit jeder Faser ihres hingebungsvollen, ungemein zärtlichen weiblichen Herzens.

Alle drei erkennen, dass Gott zwar nichts an ihrem Lebensschicksal ändert, sie aber in ihrem Schicksal begleitet und von ihnen begleitet werden will. Und sie wissen schon in ihrem irdischen Leben, dass der Auferstandene sie auch im Tod in den Mantel seiner göttlichen Barmherzigkeit eingehüllt. Denn seine Allmacht zeigt sich als Allmacht seiner Liebe, die auch die für uns unüberwindlichen Grenzen des Todes überwindet. Daher kann man mit gutem Grund sagen, dass sie schon in ihrem irdischen Leben wie Auferstandene gelebt haben.

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn wir in uns immer mehr und mehr dieses Bild des Dreifaltigen Gottes wachsen lassen, werden wir einerseits, wie Dietrich Bonhoeffer, Simone Weil und Etty Hillesum, zu tätigen Menschen, die die ihnen jeweils zufallende Verantwortung in diesem Leben nicht scheuen und können andererseits irgendwann einmal mit Dietrich Bonhoeffer sagen:

"Wie das Bild des Gekreuzigten, so wird auch das Bild des Auferstandenen die umgestalten, die es sehen."

Gelobt sei Jesus Christus!

 

Reinhart Daghofer

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