32. Sonntag im Jahreskreis 10. 11. 2024
Der Prophet Elija wird von Gott zu einer Witwe geschickt. Sie soll ihn versorgen. Das ist ungewöhnlich, zählen doch die Witwen zu den Ärmsten der Armen, sind sozial durch keine Witwenpension oder staatliche Versicherung geschützt und ganz auf sich gestellt. Gerade deshalb wird im Alten Testament die Gerechtigkeit und Gottesfurcht des Volkes Israel unter anderem daran gemessen, wie es für seine Witwen sorgt. Die Unterdrückung von Witwen wird von Propheten wie Jesaja oder Jeremia scharf verurteilt und gilt als ähnlich schweres Vergehen wie Götzendienst. Und doch soll hier im Text der 1. Lesung ausgerechnet eine Witwe für den Propheten sorgen.
Dieser Aspekt verbindet die Lesung mit dem heutigen Evangelium. Auch hier liegt der Akzent auf der Freigiebigkeit einer Witwe. Doch das Beispiel dient nicht nur dem Aufzeigen von Freigiebigkeit. Es dient auch dazu, der Witwe und ihrer Gabe Wertschätzung und Würde zuteilwerden zu lassen. Welchen Blick hat Jesus!
Evangelium: Mk 12,38-44
In jener Zeit
38 lehrte Jesus eine große Menschenmenge und sagte:
Nehmt euch in Acht vor den Schriftgelehrten!
Sie gehen gern in langen Gewändern umher,
lieben es, wenn man sie auf den Marktplätzen grüßt, (…)
Der Abschnitt Mk 12,37-44 bildet den Abschluss der Auseinandersetzung Jesu mit seinen Gegnern seit seinem Einzug in Jerusalem (Kapitel 11). Was vorher im Markusevangelium angedeutet wird (etwa 8,15), wird jetzt klar ausgesprochen. Die „Lehre“ Jesu (V. 38) besteht hier aus einer Warnung vor den Schriftgelehrten, deren Beschreibung und einer abschließenden Gerichtsandrohung. Kritik an den Schriftgelehrten findet sich auch in zeitgenössischen jüdischen Schriften, wenn auch selten in dieser Schärfe.
Im Zusammenhang mit den Schriftgelehrten verstehe ich das so, dass Jesus hier in der armen Witwe eine Botschaft der Propheten herausliest: Gott möchte sein Volk neu sammeln, zum Reich Gottes sind die Menschen eingeladen – doch die Schriftgelehrten können die Zeichen der Zeit nicht erkennen. Sie sind trotz ihrer Belesenheit blind für das, was bei Gott zählt und was Gott will. Die Trostbotschaft der Propheten des Ersten Testamentes (neben den Drohbotschaften) gilt den Witwen, „Schwangeren und Wöchnerinnen, als große Gemeinde kehren sie hierher zurück“ (30. So., Jer 31). Sie sind die eigentlichen Gottesfürchtigen und „Helden“ der Geschichte, wenn in diesen Tagen das Wort von den „Helden“ öfter verwendet wird. Diese Leute bewundere ich, die mit einem schweren Schicksal zu kämpfen haben, einer körperlichen Behinderung ertragen, seelischen Nöten ausgesetzt sind, die verfolgt oder verleumdet werden, in unerträglicher Unterdrückung leben. Ich bewundere ebenfalls die wahren Schriftgelehrten, die die Zeichen der Zeit mit der Hl. Schrift deuten können.