Altheim in römischer Zeit
Die erste archäologische Grabung in Simetsberg, St. Laurenz, fand 1991 statt, und erfasste manche Personen direkt mit einer Art Fieber, denn plötzlich wurde eine geschichtliche Kontinuität und Identität gefunden, die uns einbezog in den großen weiten Kulturraum des römischen Imperiums.Wir gehörten plötzlich dazu – und die spätere Zeit der Besiedlung durch die Baiern, die zweite Christianisierung durch die Klöster und Stifte und Bischofsstädte wie Passau, und Salzburg, die Geschichte mit den Wittelsbacher im Mittelalter und die Zugehörigkeit zur Diözese Passau, schließlich die Abtrennung des Innviertels von Bayern 1779 und die Gründung der Diözese Linz, alles schloss sich im Nachhinein zu einer einzigen, lebendigen Traditionskette zusammen, gehalten von den uns darauf beziehenden Freiheitsentscheidungen.
Plötzlich kreuzten sich 1991/92 in den römischen Ausgrabungen die großen Handels- und Kulturwege des Mittelmeerraumes mit den Straßen des Nordens, und die zweifellos schon hohe Kultur der keltischen Bevölkerung wurde bereichert durch die lateinische Schrift und Sprache, durch den römischen Lebensstil und durch die Kultur des ganzen Einzugsgebietes des römischen Reiches.
Wenn wir jetzt wie selbstverständlich die Hl. Schrift lesen, die Briefe des griechisch schreibenden Paulus, das Rechtswesen etwas kennen, die Straßen bauen, so gewinnt alles eine vorstellbare, natürliche Grundlage.
Ich schreibe hier nur ab, was in dem wunderbaren Buch mit ausgewählten Themen „Die Römer am Unteren Inn. Zur Geschichte einer Kulturlandschaft“, hrsg. v. Katharina A. Heinzl, Wien 1996, im Römermuseum á 10.-€ erhältlich, ausführlich nachgelesen werden kann.
„Die Römer am Unteren Inn“ ist ein viele Themen umspanndes, inhaltsreiches Buch, 246 Seiten, über die allgemeine Geschichte dieser Zeit, von Soldaten und Händlern, von Handwerkern und Bauern, vom Leben in den Städten bis zum Leben auf dem Land, von Landwirtschaft, Ernährung, Handwerk, Schmuck und Mode, vom Totenbrauchtum bis zur Religion.
1) Das Gebäude, das in Simmetsberg freigelegt wurde, wobei durchaus noch andere in der Nähe liegen könnten, umfasste ein Gebäude I in Ausmaßen von 12 x 14 m im Grundriss, als Wohnhaus oder Wirtschaftshaus zu identifizieren, ein Gebäude II in Ausmaßen von 8,5 x 10 m, das sich als Badehaus eindeutig bestimmen lässt, und schließlich ein Gebäude IV in Ausmaßen von 7, 5 m im Quadrat, das ein Speicherturm gewesen sein dürfte.
Das Fundmaterial ist nicht so großartig und reichhaltig, sodass der Besucher des kleinen Römermuseums einen Grabstein, eine Götterfigur, oder einen gesamten Krug sich erhoffen könnte, es sind nur die Grundfundamente und ihre Grundfunktionen freigelegt worden, zudem ist die Anlage jetzt wieder unter der Erde konserviert, und jedes Jahr zieht bereits der Bauer wieder seine Furchen für die neue Aussaat über diese Römerstätten hinweg.
Dank des Bundesdenkmalamtes (abk.= BDA) für Klassische Archäologie der Universität Wien und den Entscheidungen der Gemeinde Altheim konnte der Anschluss an die Vergangenheit geschafft werden.
Es ist, wie gesagt, in diesem besagten Buch alles bestens dokumentiert, und noch detaillierter in dem Buch „Archäologische Forschungen in Altheim 1991- 1998, hrsg. v. Michael Schulz u. Sabine Jäger-Wersonig, Wien 2006, aber rein aus Liebe zur Geschichte bringe ich hier einige Auszüge.
Historisch konkret sprechen wir hier über eine Zeit des ausgehenden 1. bis 3. Jhd. n. Chr. „So weisen die Sigillaten, Gläser, Feinware, Fibeln und die „Gebrauchskeramik“ deutlich in die Zeit zwischen dem ausgehenden 1. und dem beginnenden 3. Jh. n. Chr. und belegen damit die Nutzung des Gutshofes während etwa vier Generationen.“ (Katharina A. Heinzl, Die Römer am Unteren Inn, ebd. S 101).
2) Es fanden in Altheim dann noch weitere „Feststellungsgrabungen“ statt, die 1994 vorallem die große villa rustica in Weirading, Richtung Geinberg, ins Licht der Gegenwart hoben. (Römische Funde sind dort schon um 1913/1914 gemacht worden, aber sonst wusste man wenig.)
Diese Villa in ihren ganzen Ausmaßen konnte durch die modernen Methoden der sogenannten „geophysikalischen“ Prospektion ziemlich genau festgestellt werden. Es wurden dann in einem ausgewählten Bereich die Grabungen durchgeführt und alle prospektiv vorausgesagten Mauerreste konnten ergraben werden. Es wurde dann ebenfalls wieder von einem Team des Bundesdenkmalamtes für Klassische Archäologie der Universität Wien ein kleinerer Teil freigelegt, der aber zu einer dauernden Dokumentation umgeformt worden ist. Ein Lob auf diese interessante Rekonstruktion!
Denn ein Wohngebäude wurde in seinen Grundmauern, inklusiv Heizungsanlage, versetzt zu den originalen Grundmauern, wieder aufgebaut, sodass ein heutiger Besucher auf einen Blick diese ganze Anlage des römischen Hauses erkennen kann. Die geschichtlichten Schautafeln rund um die Anlage komplettieren die archäologischen Ergrabungen und archäologischen Befunde des Gutshofes Weirading – und gewähren zudem eine zusammenhängende Schau der ganzen Bebauung und Besiedlung der am Inn entlang bis Passau situierten Gutshöfe.
3) Es gibt dann noch eine dritte Feststellungsgrabung in Wagham, einer Ortschaft südlich von Altheim, ebenfalls 1994 durchgeführt, wo ein Teil einer Mauer mit ca. 13, 5 m Länge freigelegt wurde, aber durch die starke landwirtschaftliche Nutzung konnten keine ergiebigeren Funde mehr erwartet werden, sodass man sich mit dieser kleinen Dokumentation begnügte.
Insgesamt sind in näherer Umgebung bis Wildenau sieben Belege von landwirtschaftlichen Gutshöfen bekannt.
4) Es freut mich, dass in unserer Gemeinde die Römerzeit dokumentiert wird, besonders in der Anlage Weirading, aber auch in dem kleinen Museum im Ochzethaus.
Sicherlich, die Funde sind nicht so bedeutend und berühmt. Das Landesmuseum Linz gewährte uns viele Ausstellungsstücke, aber sie passen zu den wenigen Resten und Funden von Altheim-Simetsberg logisch hinzu.
5) In dem Buch „Die Römer am Unteren Inn“ wird ja herrlich beschrieben, was die allgemeine Geschichte zu unsrer Gegend „Norikum“ sagt, aber auch wie man sich konkret das Leben auf einem Gutshof vorstellen darf. So eine „villa rustica“ hatte die Funktion der Selbstversorgung einer größeren Familie und war zur Erwirtschaftung von Produkten für benachbarte Städte oder Kastelle am Limes bereit. Über die hergestellten Güter auf einem römischen Gutshof, über die Viehhaltung, über Handel und Gewerbe, siehe alles dort in dem Buch.
6) Sehr sehenswert und empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang ein Besuch des neu eingerichteten Museums Museum Boitro auf der Innseite in Passau, falls Sie einmal dorthin kommen sollten! Dort wird unsere Welt in Altheim-Simetsberg in einen größeren Zusammenhang gestellt.
Ich betrachte ja Passau als unsere Heimatstadt in der kirchlichen Entwicklung vor Ort, da wir bischöfliche, passauische Eigenkirche waren. Die kirchliche Entwicklung baut aber oft auf römerzeitlichen Fundamenten auf, sei es kultureller und schriftlicher Natur, sei es in den materiellen Dingen der Gebäude und Straßen. So hat der Hl. Severin entweder direkt im Kastell Boitro oder unmittelbar daneben, wo heute die Kirche St. Severin steht, die Mönchszelle gegründet. Die Heiligenvita dieser Zeit ist ja das wertvollste Dokument dieser spätrömischen Zeit und erzählt von Juvavum über Passau bis Lauriacum und Favianis von Stätten und Namen, die uns wertvolle Hinweise geben.
Es verlief auch eine Straße von Passau nach Salzburg dem Inn und der Salzach entlang, schließlich eine Straße quer durch OÖ von Ovilava/Wels in Richtung Augsburg. Irgendwo in unserer Gegend muss sie dann den Inn überquert haben. (Bitte um nähere Belege).
7) Die Versorgung von Passau, sei es des Soldatenlagers Boiodurum mit der Zivilstadt auf der Innseite, oder des Lagers Batavis auf der Altstadtseite, oder des Kastells Boitro, das darf man sich indirekt im Zusammenhang mit den Gutshöfen entlang des Inns vorstellen.
Es heißt dort im Museum Boitro:
„Zum Schutze Oberitaliens begann Rom ab 25 v.Chr. mit einer langfristig angelegten militärischen Offensive. Als Erstes erlangte man die Kontrolle über die Alpenpässe. Es folgte der erfolgreiche Feldzug des Drusus und seines Bruders Tiberius 15. v. Chr. in das Alpenvorlang gegen die Raeter und Vindeliker.“ (zur weiteren Geschichte siehe eine dortige Schautafel bzw. im Link Nr. 19)
Der ostbayerische Raum um den Inn lag zuerst noch außerhalb des Interesses der Römer. Erst während der Regierungszeit des Kaisers Claudius (41 – 54 n. Chr.), also zwei Generationen nach Eroberung des Alpenvorlandes, wurden die Provinzen neu organisiert und eine Provinzadministration etabliert.
Die Grenze zwischen Norikum und Rätien verlief genau am Inn, und die Zollgrenze des ganzen westlichen Teils aller römischen Provinzen bis zum Atlantik einerseits, wie des ganzen östlichen Teils der römischen Provinzen andererseits, verlief genau in Passau. Zufällig wurde dazu ein schöner Beweis aus dem Inn geborgen, ein Grabstein eines Zollvorstandes - siehe im Museum, Nr. 24, Grabstein im Original, St. Severinskirche.
SIehe anbei Grabstein für einen römischen Weinhändler - download
und Allgemeines zur römischen Zeit - download
Alles im Museum Boitro.
12. 10. 2014, Dr. Franz Strasser, Pfarrer