Fest der Unschuldigen Kinder 28. 12.
Am Tag der Unschuldigen Kinder,
in einem vergangenen Jahr,
das immer in mir noch daheim ist,
hat Herr Herodes sein Schwert geschickt
herab auf das Kind meiner Kindschaft.
Seither weicht die ganze lebendige Zeit
dem Herodesjahr aus und flieht nach Ägypten
samt Morgen, Mittag und Abend.
Und hätte ich Vater und Mutter und Kind,
ich musste sie alle aufs Eselchen setzen,
das draußen vorbeirennt bei Tag und bei Nacht
mit den Stunden der Nachbarn, des Hunds und des Hahns,
wie gut, dass ich niemanden habe.
Mein Herz horcht zwar immer dem Eselchen nach
und klopft schon ganz so wie vier flüchtende Hufe,
doch kommt es nie um das Schwert ganz herum,
kommt nie, auch im Traum nicht, über Herodes,
der immer noch traurig und furchtsam und krank
mein Jesu-Kind umbringt bei Tag und bei Nacht
wie am Tag der Unschuldigen Kinder.
Christine Lavant, Zu Lebzeiten veröffentlichte Gedichte, 2014.