Pfarrpatronin
Eine Biographie, die das Spannungsfeld aufzeigt, dem sich die heilige Elisabeth als Angehörige des europäischen Hochadels aussetzte, als sie sich nach ihrer Begegnung mit den religiösen Armutsbewegungen ihrer Zeit für ein Leben in radikaler Umsetzung der christlichen Gebote der Armut, Demut und Nächstenliebe entschied.
Heiligsprechung zu Pfingsten 1235
Nun sind 800 Jahre vergangen, seit Elisabeth, die Patronin unserer Pfarrkirche, geboren wurde. Über 800 Jahre ist sie die bedeutendste Heilige aus dem deutschsprachigen Europa geblieben. Welche Faszination ist von diesem jungen Leben ausgegangen, das nur 24 Jahre gedauert und in seiner Wirkung doch die Jahrhunderte überdauert hat?
Sie hat, obwohl aus einem Königshaus stammend und Landgräfin von Thüringen, keine politischen Akzente gesetzt, keine Bücher hinterlassen und keinen Orden gegründet (die Elisabethinen wurden auf ihr Vorbild hin erst mehr als 300 Jahre später durch Apollonia Radermacher in Aachen gegründet), dennoch war bereits vier Jahre nach ihrem Tod eine unüberschaubare Menschenmenge zugegen, als sie heilig gesprochen wurde, und wurden Zeugen, wie Kaiser Friedrich II. selber barfuß und in graues Gewand gehüllt mit anderen ihren Sarg zum Altar erhoben hatte.
Legendenbildung
Natürlich wurde auch ihre Lebensgeschichte im Laufe der Zeit ausgeschmückt mit Legenden, ihre Darstellung auf den Altarbildern und Heiligenstatuen geglättet und idealisiert als die schöne Gräfin, die Brot an die Armen verteilt oder die Rosen in ihrem Kleiderschurz – gemäß der Rosenlegende – zeigt, nichts von der grauen Dienstmagdtracht, in der sie eigenhändig Kranke gepflegt und dürftig versorgt hat, in deren Folge sie übrigens auch mit größter Wahrscheinlichkeit an Tuberkulose starb, oder von den Wunden, die sie – für uns heute unvorstellbar – in körperlicher Züchtigung durch Prügelstrafe von ihrem Beichtvater zugefügt bekommen hatte. Dennoch hat sich über Jahrhunderte genug Wissen über die Biographie dieser jungen Heiligen bewahren lassen, das sich nicht glatt in eine beschauliche Heiligengeschichte pressen lässt, sondern auch viel Widerspenstiges und schwer Verständliches für uns Heutigen enthält:
Kindheit und Jugend
Geboren im Sommer 1207 als Tochter des ungarischen Königspaares, verbrachte sie nur die früheste Kindheit im Elternhaus in Pressburg und wurde schließlich schon im zarten Alter von vier Jahren dem damals 12 Jahre alten Erbprinzen von Thüringen zur Braut versprochen, was in der mittelalterlichen Reichs- und Heiratspolitik nicht unüblich war, und wurde sogleich in die 1500 Kilometer von ihrer Heimat entfernte Burg ihres „Verlobten“ gebracht, um dort als zukünftige Gräfin erzogen zu werden. Aus ihrer Kindheit wird berichtet, dass sie bereits früh respektvollen Kontakt zu Dienstboten und Armen in ihrer Umgebung hegte, was von ihrer adeligen Umgebung eher mit Argwohn beobachtet wurde, und sie habe es schon als Kind unpassend gefunden, mit herausgeputztem Kopfschmuck am Sonntag vor dem zu erscheinen, der für uns die Dornenkrone getragen hat, was ebenso als Auflehnung gegen die adelige Etikette empfunden wurde. So hätte sich im Jahr 1216, als der ihr zum Gemahl versprochene Erbprinz Hermann starb, für das Haus der Thüringer Landgrafen die günstige Gelegenheit ergeben, die nunmehr verwaiste neunjährige Braut entweder in ein Kloster oder zurück in ihr ungarisches Elternhaus zu schicken.
Liebesheirat
Es war aber der nun neue Erbprinz Ludwig IV., der nicht aus politischem Kalkül mit der Prinzessin aus Ungarn eine Verbindung eingehen wollte, sondern weil er sie aufrichtig liebte. Im Jahre 1221 heiratete der 21-jährige Ludwig die 14-jährige Elisabeth in Eisenach und sie wurde Landgräfin von Thüringen auf der Wartburg.
Nach allen Zeugnissen, die uns noch zur Verfügung stehen, war es eine aufrichtige Verbindung in Liebe, so anders als die „arrangierten Ehen“ der Adelshäuser der damaligen Zeit. Dies geht unter anderem aus der bemerkenswerten Notiz hervor, dass sogar der Hofkaplan Berthold sich darüber verwundert zeigte, dass Ludwig seiner Gattin Elisabeth so konsequent treu geblieben war, was man offenbar in der Zeit der politischen Heirat und der außerehelichen Minne auch in Kreisen des Klerus keineswegs vom Grafen erwartet hätte, wie es auch gänzlich gegen die Gepflogenheiten am Hofe war, dass Elisabeth gemeinsam mit ihrem Gatten zu Tische saß, mit ihm ausgeritten war und in gar öffentlich geküsst hatte.
Diese Details aus ihrem Leben scheinen schon deswegen glaubhaft, da sie, als sie berichtet wurden, eher noch als unschicklich denn als positive Charakterzüge galten.
Kein Interesse an den Reichtümern der Welt
In ihrer sechs Jahre dauernden Ehe hatte Elisabeth drei Kinder geboren, Gertrud, das jüngste, bereits nach dem Tode ihres Gatten Ludwig.
Es wird dem Leben der hl. Elisabeth sowie ihrer Ehe mit Ludwig nicht gerecht, wenn im Hochgebet des Festes dieser Heiligen gebetet wird, dass sie sich in den Dienst Gottes stellte, nachdem ihr Gatte Ludwig gestorben war. Sie war sehr wohl auch in ihrem ehelichen Leben gerade mitten in diesem Dienst. Ihr Einsatz und ihre Arbeit für Arme und Kranke hat schon ihre Ehejahre mit Ludwig geprägt, unter dessen ausdrücklicher Unterstützung sie dies alles leistete und gegen den Willen des übrigen Adels, der sie für „töricht und irr hielt, weil sie die Reichtümer der Welt zurückwies“.
So gründete sie in den Jahren 1223 und 1226 Hospitäler in Gotha und am Fuß der Wartburg, in denen sie schon als Gräfin „mit eigenen Händen“ Kranke pflegte.
Widerspruch und Ablehnung
Gänzlich zog sie sich den Widerspruch und die Ablehnung der Gesellschaft am Hof zu, als sie - wieder mit Genehmigung ihres Gatten Ludwig, nach ihrem Gewissen entscheiden zu dürfen – in den Hungerjahren 1225/26 die Vorratsspeicher der Wartburg für die Hungerleidenden öffnete, um möglichst viele Menschen vor dem Hungertod zu bewahren. Ihre täglichen Ausgänge zu den Notleidenden am Fuß der Wartburg waren von ihrem Gatten Ludwig gutgeheißen und vom übrigen Adel verschmäht. So hatte sie gewiss Kenntnis von den religiösen Frauenbewegungen ihrer Zeit, die als „Schwestern der Welt“ sich um Notleidende und Kranke kümmerten und der noch ganz jungen franziskanischen Bewegung in Italien einem Armutsideal und einem ganz radikalen Evangelienbezug sich verpflichtet fühlten. Inwiefern sie direkte Beziehung zu dieser Armenbewegung der Beginen in Deutschland hatte, ist nicht klar, sicher ist jedoch ihr Kontakt zur franziskanischen Bewegung über den Franziskaner Guardian Rodeger von Halberstadt, der einer ihrer geistlichen Lehrmeister war.
Weggang von der Wartburg
Erst mit der franziskanischen Idee des Armutsideals und dem Ziel, sich den Werken der Barmherzigkeit zu widmen, war ihr Lebensideal ganz in Einklang zu bringen.
Das aus ihrem Witwengut finanzierte Hospital in Marburg benannte sie schließlich nach dem kurz zuvor heiliggesprochenen Franz von Assisi.
1227 verstarb auf dem Weg zum 5. Kreuzzug ihr geliebter Gatte Ludwig IV. im italienischen Otranto, der sie bisher in ihren sozialen Aktivitäten gegen die Missgunst des übrigen Adels geschützt hatte. So war sie nun wehrlos allen Anfeindungen am Hof ausgesetzt und hatte die Wartburg, der sie vorher als Fürstin vorstand, verlassen.
Christusvision-Karfreitagsgelübde
Über die turbulenten Monate nach dem Weggang aus der Wartburg bleibt Einiges im Dunkeln, jedenfalls scheint sie Armut und Ausgestoßensein in diesen Wintermonaten 1227/1228 durchlebt zu haben, bis nach einer Christusvision in ihr der Entschluss eines Armutsgelübdes am Karfreitag 1228 reifte. Nach einer Aussprache mit ihren Angehörigen auf der Wartburg zeigt ihre Biographie wieder klarere Züge: Aus dem ihr ausgehändigtem Witwengut gründet sie ein Hospital in Marburg, in dem sie selber an der Pflege Kranker und Notleidender mithalf und es fehlt nicht an Zeugnissen darüber, dass keine Arbeit ihr zu gering erschien. Im grauen Gewand der Dienstboten hat sie ihre Arbeit verrichtet, nun so anders als im Gewand der Landgräfin, und hat nach dem Zeugnis ihrer Dienerinnen selbst dort zugepackt, wo jenen ekelte, mit einer bemerkenswerten Fähigkeit zum Gleichmut und zur Freude inmitten der tiefsten Bedrängnis. Daher stammt die Ermunterung an ihre Umgebung: „Wir sollen die Menschen froh machen“, die zum Leitsatz der elisabethinischen Orden wurde. Sie selber war, erst 24-jährig, kurz vor dem Morgengrauen des 17. November 1231 entschlafen, wohl an den Folgen einer Erkrankung, die sie in Ausübung ihres Dienstes an den Ärmsten ereilt hatte.
Josef Aichinger
Zusammenstellung der Biographie:
Mag.theol. Dr.med.univ. Josef Aichinger, Oberarzt an der Intensivstation im Krankenhaus der Elisabethinen in Linz.
Josef Aichinger hat bewusst Stilelemente der alten Chroniken in die Zusammenfassung einfließen lassen, um ein Verständnis für die Gedankenwelt der Kreuzzugszeit zu vermitteln.
Quellenangaben: Justin Lang: „Elisabeth von Thüringen“, Sadifa Media Verlag