Liebe Schwestern und Brüder,
Wer fürchtet sich vor dem Schwarzen Mann? - Niemand! - Wenn er aber kommt? Dann laufen wir davon! Wer von den älteren unter uns – mich eingerechnet kennt nicht dieses beliebte Kinderspiel. Aber geht das auch im wirklichen Leben so? Bei gefahren? Gewiss, wenn ein Brand ausbricht oder eine Überschwemmung droht. Manchmal geht das aber nicht mehr, wenn man eingesperrt ist, warten muss auf Rettung, auf jene die nicht davonlaufen, sondern kommen, sich den gefahren stellen und helfen wie die Feuerwehr.
Täglich erleben wir vieles, das uns Angst macht, wovor wir uns fürchten: die Arbeit verlieren oder gar die Heimat, flüchten vor dem Krieg, oder ganz alltäglich die Schüler vor dem Zeugnis, oder vor den Mitschülern, die einen mobben. Sich fürchten, wenn man Verschwörungstheorien auf den Leim geht; die Unsicherheit, ob man den Meldungen noch trauen kann – Fake oder nicht Fake? Wenn das Vertrauen in die Politik flöten geht, weil manche bewußt die Unsicherheit schüren. In Wahlkampfzeiten eine erschreckende Methode.
Auf der anderen Seite ist es sogar notwendig sich zu fürchten, eine wichtige Fähigkeit, um nicht unversehens in Gefahren zu stolpern, die uns an Leben und Gesundheit gehen können. Ein kleines Kind muss erst lernen, sich zu fürchten, um die Gefahren auf der Straße z.B. einschätzen zu können, um ihnen dann entsprechend vorsichtig zu begegnen. Da hilft es auch nicht, als Eltern, sie wie eine Glucke zu bewachen, sondern sie dabei zu begleiten. Von den Brüdern Grimm gibt es ein Märchen, das erzählt von einem, der auszog, um das Fürchten zu lernen.
Aber es hilft auch nicht immer, auf möglich Folgeschäden hinzuweisen, wenn etwa der Gruppenzwang stärker ist, sei es Alkohol oder Rauchen oder wenn uns der Klimawandel vor Augen gehalten wird und wir die Realität nicht sehen wollen. Freilich gibt es auch unbegründete Ängste, die Menschen ausstehen: Platzangst, Höhenangst, Flugangst, die können nur mit einer Therapie behandelt und geheilt werden.
Das heutige Evangelium vom Sturm auf dem See erzählt uns von solchen Todesängsten, die die Fischer auf dem See Gennesareth haben ausstehen müssen. Lebensängste, Angst vor der Zukunft. Realität – wie ihr begegnen. Ist da nicht auch von einer Therapie die Rede? Wie begegnen? Was hilft, wer hilft. Die Fischer im sturmgepeitschten Boot wissen keinen Rat mehr, als Jesus zu wecken, der noch dazu in dieser Not noch seelenruhig schlafen kann. Kennt er die Wetterkapriolen besser als die erfahrenen Fischer, weil er nur einen Vorwurf für sie übrig hat. Habt ihr den keinen Glauben? Es kann euch doch nichts passieren! Und dann ist der See auch schon ruhig, der Sturm so schnell verschwunden, wie er gekommen ist. Jesus ist sich ganz schön sicher. Aber ist es wirklich so einfach mit dem Glauben? Diese aufregende Geschichte, die von einer wahren Notsituation berichtet, nützt der Evangelist Markus, um den Lesern des Evangeliums, auch uns heute, etwas über die Kraft des Glaubens zu erzählen, aus der Jesus selbst gelebt hat. Buchstäblich schlafen kann man, ein Bild für die Sicherheit und Geborgenheit, in der wir grundsätzlich gehalten sind.
Wer glaubt, der zittert nicht, das kann man ja nur im Nachhinein sagen, wenn alles durchgestanden ist und gut ausgegangen. Das Gefühl der Angst kann sich ja trotz des Glaubens einstellen. Ich will mir gar nicht ausmalen, was täglich Schreckliches geschieht, wenn ich an eine junge Mutter denke nach der Diagnose Krebs und dabei auch an ihre Kinder, an den Partner; an eine Freundschaft, die nach Jahren zerbricht, gar an eine Ehe. Wenn der Himmel einfällt, buchstäblich. Ich denke an alle, die flüchten aus den Kriegsgebieten, die alles verlassen müssen. Angstschweiß wie Blutstropfen, wie es Jesus erlebt hat am Ölberg vor seinem Leiden. Was wird noch kommen? Und trotzdem ist er den Weg konsequent zu Ende gegangen. Woher hat er die Kraft geschöpft? Woher hat sich sein Vertrauen genährt? Er hat es sein Leben lang genährt, es aufgebaut in einer täglich geübten Gesprächsbeziehung zum Vater im Himmel. Und trotzdem war er dem Äußersten ausgeliefert bis zum Schrei: Mein Gott, warum, hast du mich verlassen?! Es ging ihm nicht besser, weil er glaubte. Er wurde nicht wie von Zauberhand befreit. Es geschah kein Wunder.
Aber wozu ist dann glauben gut? Einzig und allein, dass wir nicht irre werden vor lauter Angst; dass wir nicht untergehen in unseren Befürchtungen, dass sie uns nicht auffressen.
Ich frage mich manchmal, wie es Menschen geht, die an nichts glauben, die keinen Halt haben, kein Vertrauen in die Zukunft, eben in den, den wir wie Jesus unseren Vater im Himmel nennen dürfen.
Diese Geschichte von der Rettung aus dem Seesturm ist uns aufgeschrieben, dass sie uns bis heute erinnert: Damals kam, die Rettung. Und sie wird wieder geschehen. Gott ist größer, auch als der Tod. Von den Ängsten und Befürchtungen wirst du nicht befreit sein, nicht gefeit sein, wenn du glaubst, aber du kannst die Situation besser bewältigen, wenn du Vertrauen hast in Gott, was immer auch geschehen mag, auch wenn du irdischerweise untergehst.
Genauso wie wir einst das Fürchten haben lernen müssen, um uns den Gefahren stellen zu können, müssen wir auch das Vertrauen lernen, einüben im Kontakthalten zu Gott. Ja, es die Kinder spüren lassen: Du kannst dich auf mich verlassen. Ich halte zu dir, auch wenn ich dir manchmal nicht helfen kann, ich gehe mit, ich lass dich nicht allein. Das macht innerlich stark wie ein Rückgrat, das etwas aushält, standhalten hilft. Und wenn wir auch mit ihnen beten, für sie beten, dass auch sie Vertrauen haben können ins Leben, dann, wenn es nicht eben läuft und geradeaus ohne Kreuzungen, ohne Kreuze. Wir brauchen es und dürfen uns glücklich schätzen, dass wir den Schatz dieses Glaubens haben, so wies Georg Bydlinski sagt:
So oft treiben wir stromab auf den Kähnen der Angst. Aber immer sind wir aufgefangen vom Meer, das Gott ist. Amen.