Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Dass wir in politisch sehr unsicheren Zeiten leben, wird uns mit jedem Tag mehr bewusst, wenn mit immer gröberen Mitteln gedroht wird und wir immer mehr hineingezogen werden in den Sog von Gewalt. Wie eine Schraube sich immer höher hinauf dreht. Wird sie bis zur Spitze getrieben zur Explosion kommen und alles mitreißen? Wir spüren, wie die Angst uns in Griff hat. Und wir wundern uns zugleich, wie in immer mehr Ländern gerade jene die Macht überantwortet bekommen, die sie dann erst recht jene spüren lassen, die sie gewählt haben und sie missbrauchen. Sind wir noch zu retten von dieser teuflischen Verführungskunst der Macht? Was sind die Hindernisse, das zu durchschauen? Dass das Fazit immer dasselbe ist, dass ein autoritäres Unrechtsgefüge nur das andere ablöst? Dass einer immer sich fügen und beugen muss, damit der andere nicht beleidigt ist, in seinem Wertgefühl sich angegriffen meint? Psychologen haben längst herausgefunden, dass nicht selten Erfahrungen der Kindheit und Jugend dahinterstecken, Ängste, sich selbst zu verlieren, und deshalb in ihren Machgelüsten sich nicht bremsen lassen wollen. Wurden sie nicht rechtzeitig in die Schranken gewiesen, nicht nur durch klare Regeln, die eingefordert werden, nicht mit Gewalt, aber bestimmt. Und vor allem mit einer grundsätzlichen Achtung und Wertschätzung. Verletzungen des Selbstwertgefühls sind tiefe Kränkungen und machen krank, süchtig nach Macht, zeigen wollen: Ich bin – trotzdem - jemand. Es ist ja ein Urbedürfnis des Menschen, jemand zu sein und es auch fühlen dürfen, an Haut und Haar, mit Herz und Hand. Vertrauen dürfen: Es ist gut mit mir. Ein Mangel daran schmerzt, macht einsam oder gewalttätig.
Heute steht im Evangelium Jesus vor uns, als einer ohne Macht, und nennt sich König. Gibt es einen größeren Kontrast? Im Spottgewand und mit Dornen als Krone. Mit einem Rohrstab, der nicht zum Schlagen sich eignet. Ein seltsames Szepter, mit dem er nicht dirigiert und in die Schranken weist, nicht Angst verbreitet mit einem zornigen: Ich bin der Herr im Haus. Was hat ihn so weit gebracht? So deutlich zu zeigen: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Und er sagt es schon früher seinen Jüngern, als sie darüber streiten, wer denn von ihnen der Größere sei. Bei euch soll es nicht so sein, wie es in dieser Welt zugeht, immer schon, seit Kain und Abel. Dass Menschen unterdrückt werden, dass Macht missbraucht wird, dass ein Menschenleben nichts gilt um ein paar Quadratmeter scheinbaren Rechtes.
Ja, er ist ein Außerirdischer. Er schlägt nicht zurück, nur mit Worten fragt er und bringt zum Nachdenken: Warum schlägst du mich? Und als Petrus das Schwert zieht, um ihn zu verteidigen: Stecke das Schwert weg, sonst kommst du selber dadurch ums Leben. Aber diese unsere Welt kann nicht bestehen, ohne sich zu verteidigen mit Waffen.
Jesus weiß das. Aber er zeigt eine Alternative auf, er sagt ein Trotzdem! Er macht einen Anfang: Vergeben statt vergelten, keine Schuldzuweisungen, kein Ausgrenzen, Mitleid statt Verurteilen, keine Besserwisserei, sondern hinhören, Geduld, Achtung und Wertschätzung. Geradestehen für seine Überzeugung, belächelt werden und verfolgt, wie so viele Christen, noch nie so viele wie heute.
Schwestern und Brüder, immer wieder einen Anlauf machen, alternativ zu leben, sich nicht schämen ein Alien zu sein, das können wir. Uns nicht anstecken lassen von jenen, die sich durchlavieren, sich nicht abhalten und ängstigen lassen von dem vielen Bösen und Tragischen, zu dem Menschen fähig sind und von dem die Welt überzugehen droht wie ein Kochtopf, sondern von den Lichtblicken des Gottesreiches schon hier auf Erden, es nicht übersehen und uns aufrichten lassen, auch von der Hoffnung, wie sie Kurt Marti formuliert in dem prägnanten Wort: Die Herren dieser Welt kommen und gehen, unser Herr kommt. Eine gute Einstimmung in den kommenden Advent und was er uns zu bieten hat. Amen.