Das war der „Tanz auf der Orgel”!
Zu einer klangfarbenprächtigen Reise durch Europa mit Kompositionen aus mehr als 500 Jahren lud ECHO-Klassik-Preisträger Gerhard Gnann beim „Tanz auf der Orgel“.
Tänzerische Zeitreise durch Europa!
Mit einem schwungvollen Hüpftanz aus dem Elsass – dem „Kochersberger Spanieler“ von Hans Kotter – eröffnete der frühere Domorganist am Freiburger Münster den Konzertabend. Daran schlossen Jan Pieterszoon Sweelincks wunderbar interpretierte Variationen „Ballo del Granduca“ und Pierre du Mages „Tierce en Taille“ an.
Jan Pieterszoon Sweelinck: Ballo del Granduca, SwWV 319
Bernardo Storaces „Balletto“ entstammt einer Sammlung aus dem Jahr 1664, in der eine Reihe von Variationswerken über höfische Tänze zu finden sind. Mit voller Sprungkraft ging es für den Professor für künstlerisches Orgelspiel an der Hochschule für Musik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz weiter: in Johann Sebastian Bachs „Gigue“, BWV 577, einem Springtanz und dem traditionellen Abschluss einer Suite, erklang eine virtuose Fuge. Virtuos musiziert wurde im Anschluss daran auch Eugène Gigouts „Minuetto“.
Leidenschaftliche Tangos auf der Orgel!
Kunst mit Humor gespickt erwartete die Besucher anschließend in Guy Bovets „12 Tangos Ecclesiasticos“. In dieser Sammlung komponierte er einen Tango für Orgel in jeder Kirchentonart: „Alle diese Stücke beziehen sich entweder auf ein kirchenmusikalisches Repertoire […] oder auf Anekdoten mit kirchlichen Personen.“ [1] Interessant und ungewöhnlich ist sie, diese Kombination aus kirchlichem Stil und Tango, aus Kirchenmusik und Tanz.
Gnann – übrigens selbst einst Student bei Bovet – hatte für’s Konzert vier sehr verschiedene Tangos ausgewählt: den Tango im sechsten Ton nach dem Modell der spanischen Schlachtstücke, den Tango im vierten Ton, der die Stile des Tangos und der italienischen Elevationstoccata vermischte. Dann erklang ein Tango im fünften Ton mit einer Melodie im Bass geprägt von einem charakteristischen Soloregister. Beim fulminanten Tango im zweiten Ton schließlich handelte es sich um den einzigen Tango für Pedalsolo auf einer modernen Orgel – übrigens geschrieben „für die teutonischen Barbaren, die die Musik mit Füßen treten“.
Virtuoser Bolero trifft jazzartige Toccata!
Pierre Cochereaus „Boléro sur un thème de Charles Racquet“ wurde ursprünglich mit einer snare drum uraufgeführt – Gerhard Gnann ließ diese nicht vermissen, klangen doch gleichsam tiefe Orgeltöne wie die den Bolero so unverkennbar machende Trommel. Nicht umsonst erklärte Domkapellmeister Josef Habringer im Anschluss an das Konzert: „Da glaubt man, es kann keine Steigerung mehr kommen… und dann kommt doch immer wieder noch eine. Einfach überwältigend!“
Am Ende des Konzerts erklang Anton Heillers „Tanz-Toccata“, die mit jazzartigen Akkorden und ungeradzahligen Takten die Rudigierorgel zum Tanzen brachte. Das Werk entstand übrigens für die Internationale Orgelwoche Nürnberg des Jahres 1970, die unter dem Motto „Tanz & Orgel“ stand. Und die Rudigierorgel erwies sich einmal mehr als ideales Instrument für die Interpretation von Heillers Orgelwerken, was nicht verwundert, war Anton Heiller doch maßgeblich an der Konzeption der bedeutenden Orgel im Linzer Mariendom beteiligt.
Nach einem nicht enden wollenden Applaus gab’s von Gerhard Gnann schließlich noch eine Zugabe, eine berühmte Melodie, denn dieses Stück wurde vor mehreren Jahrzehnten vom berühmten Regisseur François Rochaix in einem brasilianischen Priestergewand am Harmonium gespielt und ist auch diesem gewidmet: Guy Bovets „Tango de undecimo tono, a modo de bossanova“ in subtilen, changierenden Farben.
Ein nahezu perfektes Konzert, inspiriert gespielt!
Die Begeisterung stand den Konzertbesucherinnen und Konzertbesuchern förmlich ins Gesicht geschrieben – ob Cembalist und Spezialist für alte Musik Lorenz Duftschmid, Apotheker Martin Duftschmid, Pastoralamtsdirektor Wilhelm Vieböck, Orgel- und Glockenreferent Siegfried Adlberger oder Organist am Dom Heinrich Reknagel. Man bewunderte das „anregende, rhythmische und überwältigende Programm“ und die „wunderbare, farbenreiche Darstellung“. Man rühmte die „souveräne, mit Humor gespickte Interpretation“ und das „rundherum feine Konzert“.
Auch Domorganist Wolfgang Kreuzhuber, der schon in seiner Begrüßung verraten hatte, dass er sich sehr glücklich schätze, Gerhard Gnann nach mehreren Jahren Anlauf endlich hier in Linz begrüßen zu dürfen, zeigte sich beeindruckt: „Ein nahezu perfektes Konzert, inspiriert gespielt! Er hat den Charakter der Stücke hundertprozentig getroffen und der Rudigierorgel fein registrierte Klänge entlockt. Technisch und musikalisch souverän!“
Sechs Fragen, sechs Antworten!
Dem mehrfach mit dem Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichneten Gerhard Gnann wurden – wie auch schon Franziska Leuschner und Wolfgang Kreuzhuber – sechs Fragen rund um sein Konzert gestellt. Darin verriet er, welchem schweißtreibenden Tanze er mitunter frönt und was Tanzen auf der Orgel für ihn bedeutet. Und außerdem ließ er sich entlocken, was er an diesem Sommerabend gemacht hätte, wenn er nicht die Hände auf der Rudigierorgel hätte tanzen lassen…
(sp)
[1] Bovet, Guy (2002): Tangos Ecclesiasticos - Deutsche Texte. URL: http://www.guybovet.org/textes_en.html [Stand: 08/2016]