Theorie der Reform
Die Idee der Reform kann erst entstehen, wenn die Unbeweglichkeit der Welt überwunden wird, wenn das moderne Fortschrittsmodell die Idee des ständigen Wandels selbstverständlich werden lässt, wenn die Welt nicht mehr Schicksal ist, sondern menschlicher Machbarkeit unterliegt. Dann erst tut sich das sprachliche Feld auf, in dem Reform am Platze ist: Krise, Zeitenwandel, Diskontinuität, Innovation, Zukunftsfähigkeit. Schon die moderne, erst recht die spätmoderne Welt ist immer in der Krise – und deshalb im Modus ständiger Krisenbewältigung im Großen und im Kleinen. Es ist eine Welt der Anpassung, wirklich oder vermeintlich. „Gemachter Wandel“ ist selbstverständlich. Reformen werden manchmal angegangen, manchmal durchgeführt, manchmal bloß inszeniert, manchmal aufgeschoben – mit jeweils unterschiedlichen Folgen. Reformverweigerung kann, gerade in einer turbulenten Welt, im Desaster enden. Man kann sich mit Reformen überbeanspruchen, wenn man Machbarkeits- oder Planungskompetenz in einer komplexen Welt überschätzt. Zuweilen schlagen Reformen in „Revolutionen“ um. Was eine Reform hätte sein sollen, wird dann zu einer Systemveränderung, zu einer Spaltung, zum Kampf – oder endet einfach im Kollaps.
Lebenslauf
Nach dem Studium der Rechtswissenschaften (Dr. jur. 1974) und der Volkswirtschaftslehre (Mag. rer. soc. oec. 1977) an den Instituten für Rechtsphilosophie, für Volkswirtschaftslehre und Volkswirtschaftspolitik sowie für Soziologie an der Universität Graz tätig. Habilitation für Soziologie 1985. tit. ao. Univ.Prof. 1994. 1987/88 an der Rijksuniversiteit Limburg (Maastricht, NL); 1995/96 Schumpeter-Gastprofessur an der Harvard University (Cambridge/Boston); 2005/06 Visiting Scholar an den Universitäten von New Orleans, Little Rock, Las Vegas. 1997-2001 wissenschaftlicher Leiter der Technikum Joanneum GmbH (steirische Fachhochschulen). Korr. Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Mitglied des Österreichischen Wissenschaftsrates.
Publikationen
- Prisching, Manfred, Krisen. Eine soziologische Analyse, Wien-Köln-Graz 1986
- Prisching, Manfred, Die McGesellschaft, Graz 1998
- Prisching, Manfred, Good Bye New Orleans, Graz 2006
- Prisching, Manfred, Die zweidimensionale Gesellschaft, Wiesbaden 2006
- Prisching, Manfred, Bildungsideologien, Wiesbaden 2008
- Prisching, Manfred, Das Selbst. Die Maske. Der Bluff: Über die Inszenierung der eigenen Person, Wien 2009
- Prisching, Manfred / Motschnig, Franz, Verrückt. Verspielt. Verschroben. Unsere spätmoderne Gesellschaft: Texte und Bilder, Wien u.a. 2014