Die Reformation - Segen oder Fluch? - Prof.in Dr.in Athina Lexutt
Die meisten Wirkungen, welche die reformatorischen Bewegungen hervorbrachten, müssen wohl als beides angesehen werden, je nachdem. Die Unterscheidung zwischen „den Reformationen“ (im Plural = die ganz unterschiedlichen reformatorischen Bewegungen) und „dem Reformatorischen“ (das, was sie bei aller Verschiedenheit im Kern eint) kann eine Hilfe sein, die unmittelbaren sowie mittelbaren historischen Folgen und die theologischen Implikate zu differenzieren, „Segen“ oder „Fluch“ weniger schematisch anzugehen und vor allem die Frage, was heute durch den Blick in die Vergangenheit an Reformen angestoßen werden kann, stärker von diesem inhaltlichen Kern aus zu entfalten. Folgen der reformatorischen Bewegungen wie Kirchenspaltung, Verhältnis zwischen kirchlicher und weltlicher Obrigkeit, Kampf um das Evangelium, religiöse Individualität, Kirchen- und Amtsverständnis, Bildungswesen, Diakonie als fester Bestandteil der Theologie in Lehre und Praxis (exemplarische Themen, auf die der Vortrag eingeht) sind zurückzubinden an den genannten Kern, der mit den Stichworten „spannungsreiche Existenz des Menschen“, „Neubestimmung der Ethik“, „Wahrnehmung eines politischen Auftrags“, „Rechtfertigungserfahrung“, „Schrift als einzige Autorität“ und „Assertio als bekennend-demütige Redeweise des Theologen“ im Vortrag umschreiben wird. Mit diesem Kern kann das Reformatorische auch heute zum Segen werden, auch dann, wenn in der Historie manche Folgen weniger segensreich gewesen sein mögen.