Freitag 21. März 2025

Thomas-Akademie: Illusion Europa

Wie kann ein gemeinsames Europa gelingen? Dieser und weiterer Fragen ging der Belgrader Erzbischof Kardinal Ladislav Nemet am 18. März 2025 in seinem Festvortrag anlässlich der Thomas-Akademie zu Ehren des großen Denkers Thomas von Aquin an der Katholischen Privat-Universität Linz nach.

Rektor Michael Fuchs begrüßte rund 100 Gäste zur Veranstaltung, darunter hochrangige Vertreter:innen aus den Bereichen Politik, Bildung und Religionen. Das Thema des Abends passe durchaus auch zum Thomas’schen Werk als Vorbereitung der Europäischen Aufklärung: „Glaube und Vernunft sind international, Thomas von Aquin denkt supranational, er steht für die Internationalisierung der Wissenschaften, der Theologie und der Philosophie“, so Fuchs.


Hatte man noch vor einigen Jahren das Gefühl, dass die europäischen Staaten zusammenwachsen, so scheint das Projekt Europa nun ins Wanken geraten, merkte Slawomir Dadas, Regens des Priesterseminars der Diözese Linz, an. Können Themen wie Überreglementierung oder Zentralisierung Europa als Union, als Gemeinschaft in Frage stellen? Und braucht es wirklich einen amerikanischen Präsidenten, der alle Bündnisse in Frage stellt, um sich auf Gemeinsames zu besinnen? Europa sei ein existenzielles Thema, das uns alle betreffe und zum Handeln bewegen müsse, betonte Dadas. Bischofsvikar Hans Hintermaier unterstrich in seinem Grußwort, dass es die besondere Aufgabe von Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen sei, Wirklichkeiten nachzuspüren und essenzielle Fragen zu thematisieren. Vizerektorin Klara Antonia Csiszar übernahm die Vorstellung des Vortragenden.

 

Thomas-Akademie

Bild von links: Bischofsvikar KonsR Dr. Slawomir Dadas, Regens des Priesterseminars der Diözese Linz, Vizerektorin Dekanin Univ.-Prof.in Dr.in Klara Antonia Csiszar, KU Linz, Kardinal Dr. Ladislav Nemet SVD, Erzbischof von Belgrad, Rektor Univ.-Prof. Dr. Michael Fuchs, KU Linz, Bischofsvikar KonsR Dr. Hans Hintermaier. / © KU Linz / Hermine Eder


Mit Bezug auf das Themenheft „Illusion Europa?“ der Theologisch-praktischen Quartalschrift und die gesellschaftsrelevante Forschungsarbeit der KU Linz warf Kardinal Ladislav Nemet – nicht zuletzt angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen – in seinem Vortrag einen auch biografisch dichten Blick auf Gegenwart und Zukunft Europas.


Europa sei für ihn „weit mehr als ein geografisches Konzept oder eine politische Union […]. Europa ist eine Gemeinschaft, die auf einer tiefen Verwurzelung in gemeinsamen zivilisatorisch-kulturellen Werten basiert“, die nicht immer ident seien, aber dennoch eine verbindende Kraft hätten. Die unantastbare Würde jedes einzelnen Menschen, Freiheit, die den Respekt vor anderen einschließt, Streben nach Gemeinwohl und Religionsfreiheit zählen zu den Grundprinzipien.


Nemets Gedanken über Europa sind stark geprägt von seinen persönlichen Erfahrungen: Einer ungarischen katholischen Familie aus der Wojwodina im ehemaligen Jugoslawien entstammend, wurde er als Kind und Jugendlicher aufgrund seiner Muttersprache und seines Glaubens verspottet. Als Student bei den Steyler Missionaren in Polen erlebte er ganz unmittelbar die epochemachende Wahl von Papst Johannes Paul II., der stets die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellte und so auch politisch höchst wirksam wurde. In Rom kam Nemet erstmals mit der Vielfalt der Weltkirche in einer demokratischen Gesellschaft in Kontakt. Während seiner anschließenden mehrjährigen Tätigkeit auf den Philippinen lernte er die Errungenschaften des Sozialstaats in Europa ganz neu schätzen, gleichzeitig aber auch erfuhr er in der Mission die große Lebensfreude der Filipinos, ihren tiefen Glauben und die hohe Qualität ihrer menschlichen Beziehungen, gerade auch in einer schwierigen und vielfach ungesicherten Lebenswirklichkeit. Einschneidend für ihn auch die Wende in Europa – das Epochenjahr 1989 – und die Balkankriege der 1990er Jahre.


Wichtig für die Zukunft Europas sind für Nemet – lernend aus den Erfahrungen der Balkankriege – die Integration von Minderheiten, Friedensförderung, Respekt für Verschiedenheiten, Bildung sowie die Förderung der Einheit der Kirche und der Austausch der christlichen Kirchen untereinander, insbesondere mit den orthodoxen Kirchen – vor allem aber ein wertschätzender Dialog auf Augenhöhe. Es geht um die Wechselseitigkeit zwischen den alten und neuen Demokratien, die sich auch im konkreten Alltag zeigen soll.


Angesichts aktueller Herausforderungen seien namentlich die politisch und wirtschaftlich einflussreichsten Staaten Europas gezwungen, über eine gemeinsame Zukunft auf neue Weise nachzudenken. Das Ziel sollte ein dauerhafter Frieden weltweit sein, was nicht bedeute, „eine Aufrüstungswelle ins Leben zu rufen, sondern vielmehr, alle diplomatischen und friedlichen Mittel einzusetzen“, so Nemet. Wichtig seien dabei Initiativen, die für ein gutes Miteinander auf viele kleine Selbstständigkeiten, Selbstzwecke und Alleingänge verzichten würden. Der weltweite synodale Prozess übe das unter dem Motto „von einem Ich zum Wir zu kommen“.


Die Kirche müsse realisieren, dass demokratische Werte wie Teilhabe und Mitverantwortung sowie eine offene, dialogbereite Haltung und der Mut, Neues zu wagen, nicht nur die Gesellschaft bereichern, sondern auch das Leben innerhalb der Kirche positiv beeinflussen. Aufgabe sei nicht nur, die Demokratie zu schützen, sondern ganz klar auch Religion und das Religiöse vor Missbrauch zu bewahren. Damit hänge auch zusammen, dass Religion zunehmend als verbindender Aspekt und nicht als trennende, Hass schürende Wirklichkeit in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Die Religionsgemeinschaften und Kirchen dürfen den religiösen Diskurs nicht Neu-Fundamentalisten und identitären Populisten überlassen. Kirche sollte so „als brückenbauende, vermittelnde Instanz in einer polarisierenden Welt [agieren], wo nicht die Macht das Recht hat, sondern das Recht die Macht“.

 

 

KU Linz / Hermine Eder

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