Samstag 26. Oktober 2024

Sexkauf: Ein Tabu-Thema unserer Zeit

"Sexkauf fördert Frauenhandel" – die Initiative "Aktiv gegen Menschenhandel – aktiv für Menschenwürde" lud am 18. Oktober 2024 zu ihrer 11. Veranstaltung in die Katholische Privat-Universität Linz ein. Anlass war der "Europäische Tag gegen Menschenhandel".

Am 18. Oktober 2024 fand die 11. Veranstaltung der Initiative "Aktiv gegen Menschenhandel - aktiv für Menschenwürde" statt. In den Räumlichkeiten des Mitveranstalters, der Katholischen Privat-Universität Linz, konnte Sr. Maria Schlackl, Salvatorianerin und Initiatorin von "Aktiv gegen Menschenhandel – aktiv für Menschenwürde", am "Europäischen Tag gegen Menschenhandel" rund 170 Gäste, darunter Vertreter:innen aus Politik, Religion und Medien, begrüßen. Das Motto des Abends lautete: "Sexkauf fördert Frauenhandel".
 


Sr. Maria Schlackl: "Menschenhandel ist ein Verbrechen - wir dürfen nicht wegschauen"

 

Sr. Maria Schlackl wies in ihrer Begrüßungsrede auf die verheerenden Auswirkungen von Menschenhandel, besonders von Frauen und Mädchen für sexuellen Missbrauch, hin. Kritische Fragen stellt sie zur Gesetzgebung und Vereinbarkeit des Frauenhandels mit der Menschenwürde. Die Salvatorianerin fordert, diese Probleme auf eine menschenrechtliche Ebene zu bringen, um ein Umdenken zu fördern.
 
Die engagierte SOLWODI-Initiative leistet Aufklärungsarbeit, betreibt ein Schutzhaus und eine Beratungsstelle in Wien und setzt auf Bewusstseinsbildung sowie Prävention. Mittels Vorträgen und Workshops wird das Thema in die öffentliche Diskussion getragen. Kunst, Wissenschaft und das Engagement von Personen und Gruppen sind dabei wichtige Partner. Zum zehnjährigen Bestehen von SOLWODI vergleicht sie die Initiative mit einem Kind mit 10 Jahren: „Das ist in der Regel aufgeweckt – entdeckt, fragt, provoziert, freut sich am Leben und will wachsen und die Umgebung herausfordern – ja, das wollen wir auch!“
 


Plakatserie und Ausstellung machen auf die Problematik aufmerksam

 

In den letzten Wochen war in Linz eine auffällige Plakatserie präsent, die mit der Headline "Sexkauf tötet Frauenwürde" auf Thema und bevorstehende Veranstaltung hinwies. Gestaltet wurde das Plakat von der Wiener Künstlerin Vivian Kabar, die sich in ihrer kunstvollen Arbeit dem Kampf gegen Gewalt an Frauen und Kindern verschrieben hat. Der Titel "Bondage" bringt ihre Intention prägnant auf den Punkt: das Gefühl geistigen Eingesperrtseins. Begleitet wurde die Serie von einer Ausstellung unter der Leitung von Ilaria Hoppe vom Institut für Kunst in gegenwärtigen Kontexten und Medien an der Katholischen Privat-Universität Linz. Gemeinsam mit Studierenden setzte sie sich intensiv mit Menschenhandel und Sklaverei auseinander.
 


Sandra Norak: "Zwangsprostitution ist Seelenmord"

 

Die Hauptrednerin des Abends war die engagierte Aktivistin und Juristin Sandra Norak. Sechs Jahre lang war sie in der Prostitution tätig, sowohl im Escort-Service als auch in verschiedenen Bordellen. Ihre familiären Verhältnisse waren äußerst schwierig. Mit 17 Jahren begegnete sie online einem älteren Mann, einem Zuhälter, der ihr vorgaukelte, ihre große Liebe zu sein, und ihr ein besseres Leben versprach. Von ihrem sozialen Umfeld isoliert, emotional abhängig und ohne Bewusstsein für ihre Opferrolle, willigte sie ein, für diesen Mann in einem sogenannten Flatrate-Bordell zu arbeiten. "Er erzählte mir von immensen Schulden bei bestimmten Leuten; nur ich könnte ihn retten."
 
Loverboy-Masche. Diese Vorgehensweise ist als "Loverboy-Masche“ bekannt. „Er brachte mich in ein Flatrate-Bordell, wo ich innerhalb von vier Wochen 400 bis 500 Sexkunden bedienen musste“, berichtet Norak. Unabhängig davon, ob jemand vermeintlich freiwillig mitmacht oder nicht, das ändert nichts daran, dass man als Objekt degradiert wird. Man verliert irgendwann die Fähigkeit, sich selbst als fühlendes Wesen wahrzunehmen. Es ist eine Zerstörung der Identität – viele verharren in der Prostitution. "Man hat sie durch Gewalt gebrochen; man raubte ihnen Würde, Seele, Menschsein."
 
Zwang als "Freiwilligkeit". Von diesem Zustand profitieren Zuhälter, Menschenhändler und Sexkäufer, denn in einem solchen Zustand wehrt man sich nicht mehr. "Frauen, betäubt durch Alkohol oder Drogen, lagen reglos und ließen die schlimmsten Dinge über sich ergehen." In diesem Zustand kann man nicht einfach in ein normales Leben zurückkehren. Man trägt den Verlust von Würde und Seele in sich, ist psychisch gefangen. All das hält Frauen in der Prostitution, was dann oft als "Freiwilligkeit" verkauft wird.
 
Ein "normaler" Job. Als ihr "Loverboy" sie das erste Mal in ein Bordell mitnahm, wusste sie nicht, was sie tun sollte. „Mein Zuhälter meinte, es sei ganz normal und ein Job wie jeder andere“, erinnert sich Norak. „Und das sagt ja auch im Prinzip unsere Gesellschaft.“ Die Legalität der Prostitution in Deutschland und Österreich suggeriert Normalität, erschwert Strafverfolgung. Frauen sagen meist nicht aus, da sie Angst haben oder nicht glauben, dass ihnen nach einer Aussage Hilfe geboten würde. Erst nach einem langen und schwierigen Prozess gelang es Norak, ihrem Zuhälter und der Prostitution zu entfliehen. Die Polizei erhielt einen anonymen Tipp und holte sie aus der Wohnung des Zuhälters. Dennoch beschreibt sie, wie hoffnungslos und manipuliert sie war, dass sie keine Aussage machte und letztlich zu ihm zurückkehrte.
 
Kampf gegen Verharmlosung. Heute ist Norak eine engagierte Juristin. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Frauen aus Osteuropa, die in Deutschland in der Prostitution leben und oft keine eigene Stimme haben, zu helfen. Sie miterlebte, wie viele an ihrem Schicksal zerbrochen sind. Norak will, dass die Öffentlichkeit besser informiert wird und gegen die Verharmlosung dieses ernsten Themas ankämpft. Sie hält Vorträge an Schulen, um Jugendliche über die Gefahr von Loverboys aufzuklären.
 
Seelenmord. Ihre Zeit als Prostituierte bezeichnet Norak als "Seelenmord". Nach ihrem Ausstieg litt sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Ihr Körper fühlte sich taub an, sie hatte Schwindelgefühle, stotterte und es fiel ihr schwer, klar und strukturiert zu denken. Diese Symptome sind Anzeichen von Dissoziation, die bei Traumaopfern häufig auftreten. Norak litt auch unter Flashbacks und Panikattacken.
 

Ausstellung "Sklav:innen: Geschichte und Visialität des Menschenhandels in Europa"
Univ.-Prof. Dr. Ilaria Hoppe (Institut für Kunst in gegenwärtigen Kontexten und Medien der KU Linz), Künstlerin Vivien Kabar, Moderator Peter Wesely.
Univ.-Prof. Michael Fuchs, Rektor der Katholischen Privat-Universität Linz, begrüßt die Gäste.
Ausstellung "Sklav:innen: Geschichte und Visialität des Menschenhandels in Europa"
Mag. Sandra Norak, ehemals Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution
Veranstalter:innen, Organisator:innen, Vortragende.

©  KU Linz / Hermine Eder


Zudem kritisiert Norak die gesellschaftliche Stigmatisierung der Opfer von Prostitution und deren ungleiche Behandlung im Vergleich zu Freiern. Abschließend fordert sie mehr Aufklärung und Sensibilisierung, insbesondere für Kinder und Jugendliche, sowie staatliche Maßnahmen zur Reduzierung der Nachfrage nach Prostitution. Die Juristin kritisiert die Normalisierung der Prostitution durch legale Rahmenbedingungen und fordert eine stärkere Anerkennung der damit verbundenen Risiken und Schädigungen.
 
Nordisches Modell. Norak engagiert sich für das nordische Modell zur Regulierung der Prostitution in Deutschland und Österreich. Bei diesem Ansatz wird der Erwerb von sexuellen Diensten strafrechtlich verfolgt, während die Ausübung der Prostitution legalisiert bleibt, um Betroffenen den Zugang zu Unterstützung zu erleichtern. Unterstützungsangebote für den Ausstieg werden bereitgestellt und die Öffentlichkeit wird über die Schattenseiten und Risiken der Prostitution informiert und sensibilisiert.

 

 

 

Text: Robert Sonnleitner / Fotos: Hermine Eder
 

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