Montag 18. November 2024

OÖ-Freiwilliger auf "Friedenseinsatz" im Heiligen Land

Theologe und Friedensaktivist Andreas Paul berichtet im Kirchenpodcast "Wer glaubt, wird selig" und in der KirchenZeitung Diözese Linz von der dramatischen Situation im Westjordanland.

Im Schatten des Gaza-Krieges wird den Palästinensern im Westjordanland von aggressiven Siedlern unter Beihilfe bzw. Duldung von israelischem Militär und Polizei die Lebensgrundlage entzogen. Mit dieser Bilanz ist der oberösterreichische Theologe und Friedensaktivist Andreas Paul (66) von einem dreimonatigen Einsatz in der Region Betlehem zurückgekehrt. In einer neuen Folge des Podcasts "Wer glaubt, wird selig" und in der Kirchenzeitung der Diözese Linz (aktuelle Ausgabe) hat Paul über seine Erlebnisse vor Ort berichtet.

 

Der Oberösterreicher war im Rahmen des "Ökumenischen Begleitprogramms in Palästina und Israel" (EAPPI) vor Ort. Dafür werden vom Weltkirchenrat Freiwillige aus aller Welt entsendet, die sich für ein Ende der Gewalt und ein friedliches Zusammenleben von Palästinensern und Israelis einsetzen. Eine an und für sich schon sehr heikle Angelegenheit, die seit dem 7. Oktober 2023 mit dem Terrorangriff der Hamas und dem danach ausgebrochenen Gaza-Krieg noch schwieriger wurde.

 

Grundsätzlich geht es in diesem Programm darum, dass Freiwillige die Lage vor Ort beobachten und an UN-Stellen berichten. Sie begleiten palästinensische Kinder auf dem Weg zur Schule, Erwachsene auf dem Weg zum Arbeitsplatz, palästinensische Bauern und Hirten auf dem Weg zu ihren Feldern und Herden oder auch Betende auf dem Weg in die Moschee. Sie sind zudem an den Checkpoints präsent, an denen die Palästinenser nach Israel einreisen müssen.

 

Fast alle Begleitaufgaben seien derzeit für die EAPPI-Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen aber nicht möglich, da die Siedler auch vor Gewalt gegen internationale Beobachter nicht zurückschrecken würden, so Paul. Und an den Checkpoints sei wenig los, da diese für die meisten Palästinenser seit dem 7. Oktober geschlossen seien.

 

Möglichst viel rauben

 

Das Westjordanland befinde sich in einer Situation der Rechtlosigkeit. Viele Siedlerorganisationen würden versuchen, den Palästinensern möglichst viel Land zu rauben: "Es wird auch Vieh geraubt, Häuser werden zerstört, den Palästinensern wird de facto ihre Lebensgrundlage geraubt", so Paul. Auf Besuch bei Menschen in den Dörfern sei ihm auch täglich "von Übergriffen des Militärs in Flüchtlingslagern und in Dörfern, von Verhaftungen, die unter größter Brutalität stattgefunden haben, und eben von Drohungen und gewalttätigen Angriffen gegen Palästinenser" erzählt worden.

 

Die Siedler würden einfach auf palästinensischen Landstücken Wohnwagen, Container oder auch nur eine israelische Flagge aufstellen. Ab diesem Zeitpunkt erklärten sie das Land zu ihrem Eigentum und für Palästinenser werde es bereits lebensgefährlich, sich diesen Orten zu nähern, berichtete Paul: "Die Siedler kennen in ihrer Gewalt kein Ende." Das Militär schreite nicht ein.

 

Paul erläuterte, dass die allermeisten Soldaten der israelischen Armee, die bisher im Westjordanland stationiert waren, nun in Gaza kämpfen würden. Sie seien durch Reservisten ersetzt worden, die zum größten Teil aus der Siedlerbewegung stammen. Diese Personen hätten schon bisher den Palästinensern große Probleme bereitet "und mit der Autorität als Soldaten bedrängen und bedrohen sie die Palästinenser nun noch mehr".

 

Paul: "Ich habe immer wieder so sechs bis sieben Dörfer in der Region Betlehem besucht. Neben jedem Dorf gibt es bereits eine jüdische Siedlung." Wobei er daran erinnern wolle, "dass alle jüdischen Siedlungen im Westjordanland laut internationalem Recht illegal sind. Und manche der Siedlungen sind auch nach israelischem Recht illegal."

 

Wie der EAPPI-Freiwillige weiter berichtete, könnten die meisten Palästinenser derzeit auch nicht vom Westjordanland nach Israel zu ihren Arbeitsplätzen gelangen. Erlaubt sei dies nur Personen, die im Gesundheits- oder Bildungssektor oder in kirchlichen Einrichtungen tätig sind. Die Menschen stünden - wieder einmal - ohne Einkommen da. Immer mehr würden verarmen.

 

Für Andreas Paul gehörten auch Besuche von Gottesdiensten und bei christlichen Gemeinschaften zum Programm. Die einheimischen Christen in Palästina zu stärken sei wichtiger denn je: "In den drei Monaten, in denen ich in Bethlehem gelebt habe, sind 40 christliche Familien, rund 200 Menschen, ausgewandert."

 

Freunde auf beiden Seiten

 

Ein weiterer wichtiger Teil seiner Aufgabe war der Besuch von Organisationen, die sich in für die Rechte der Palästinenser und für Frieden und Verständigung zwischen Palästinensern und Israelis einsetzen, so Paul. Er nannte etwa den "Parents Circle", in dem sich israelische und palästinensische Eltern, die Kinder in diesem blutigen Konflikt verloren haben, zusammengeschlossen haben, oder die israelisch-palästinensische Initiative "Standing Together".

 

Andreas Paul hat selbst jüdische Wurzeln und entfernte Verwandte, die in Israel leben. So habe er Freunde auf beiden Seiten und auf israelischer wie auf palästinensischer Seite oft gleichlautende Formulierungen gehört: "Wir erleben existenzielle Angst. Wir fühlen uns existenziell bedroht. Wir kennen kein Morgen. Wir wissen nicht, ob wir morgen noch leben werden. Und wir haben keine Perspektive für die Zukunft." Es sei eine große Frustration, eine große Desillusionierung und viel Pessimismus wahrzunehmen.

 

Zugleich habe er unter der palästinensischen Bevölkerung auch sehr viel Dankbarkeit für seinen Einsatz erfahren. "Die Menschen sind dankbar, dass wir überhaupt da sind und ihnen zuhören und so Solidarität und Mitmenschlichkeit zeigen."

 

Kein Friede ohne Gerechtigkeit

 

Was ihm bei seinem Einsatz deutlich wurde: "Friede ohne Gerechtigkeit ist nicht möglich." Natürlich habe er kein Patentrezept, was Frieden bringen könnte, er habe für sich selbst aber einige Markierungspunkte definiert: "Mit einem einseitigen Pro Israel oder Pro Palästina ist niemandem geholfen. Es braucht ein neues Konzept, das von Juden und Palästinensern auf Augenhöhe verhandelt wird, und das beiden Seiten eine Lebensgrundlage und Sicherheit zugesteht."

 

Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich beteiligt sich seit 2010 am "Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel" (EAPPI). Die österreichische Koordination für EAPPI wird von der Diakonie Auslandshilfe, dem Internationalen Versöhnungsbund und der katholischen Friedensbewegung Pax Christi im Auftrag des ÖRKÖ gemeinsam getragen. Die Einsätze der "Ökumenischen Begleiter" erfolgen ehrenamtlich und werden durch Spenden finanziert. (Infos: www.oekumene.at)

 

Der von der ökumenischen Radioagentur Studio Omega produzierte Religionspodcast "Wer glaubt, wird selig" ist u.a. auf der Website der katholischen Kirche in Österreich (www.katholisch.at), auf https://studio-omega-der-podcast.simplecast.com sowie auf iTunes, allen Smartphone-Apps für Podcasts und auf Spotify abrufbar.
 

(kathpress)

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