Bischof Manfred Scheuer würdigte Orient-Experte Hans Hollerweger
Der Gründer und Ehrenobmann der ICO, Professor Hans Hollerweger, hat mit 93 Jahren nochmals ein Buch über jene Gegend in der Südosttürkei verfasst, in der die letzten syrisch-orthodoxen Christen leben und das mit einer faszinierenden kulturellen und christlichen Geschichte aufwartet. „Erlebtes im Tur Abdin“ heißt sein neuestes Werk, das der Priester und Liturgiewissenschaftler am 8. Februar 2024 im Linzer Priesterseminar vorstellte. Zur Buchpräsentation hatten PRO ORIENTE Sektion Linz und die Initiative Christlicher Orient eingeladen. Hollerweger, der in wenigen Tagen seinen 94. Geburtstag feiert, erinnerte in seinen Dankesworten an jene Freunde und Weggefährten, die er im Laufe der Jahrzehnte im Nahen Osten persönlich kennenlernen durfte und die aufgrund ihres Glaubens ermordet worden waren, etwa an Mar Gregorius Yohanna Ibrahim, den Erzbischof von Aleppo, und Paolo Dall'Oglio, den Gründer der Gemeinschaft von Mar Musa in Syrien. „Das sind die wahren Zeuginnen und Zeugen der Ökumene“, so Hollerweger.
Unter den Gästen und Gratulanten waren u. a. Bischof Manfred Scheuer und sein Vorgänger Bischof em. Ludwig Schwarz SDB, der Obmann der Linzer Sektion der Stiftung PRO ORIENTE Landeshauptmann a. D. Josef Pühringer, der Bischofsvikar für Soziales und Weltkirche und ICO-Obmann Slawomir Dadas, die Generaloberin der Marienschwestern vom Karmel Sr. Michaela Pfeiffer-Vogl, der Rektor der Katholischen Privat-Universität Linz Christoph Niemand und der Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg Dietmar W. Winkler.
„Netzwerke des Glaubens, der Freundschaft und der Solidarität geknüpft“
Bischof Manfred Scheuer würdigte das langjährige Engagement von Professor Hollerweger: „Im Orient, etwa im Irak oder in Syrien, ist Prälat Professor Dr. Hans Hollerweger als ‚Father Hans‘ bekannt. Er hat Netzwerke des Glaubens, der Freundschaft und der Solidarität geknüpft mit dem chaldäischen Patriarchen Luis Raphael Sako, mit dem Syrisch-orthodoxen Patriarchen Mor Ignatius Aphrem Karim II. in Sednaya, mit dem Syrisch-katholischen Bischof von Homs Jacques Mourad. Die Priester, die Pastoral- und Caritasverantwortlichen in den Gemeinden kennen ‚Father Hans‘. Hans Hollerweger hat den Christen im Orient durch Wort und Tat das Gefühl vermittelt, nicht vergessen zu sein. Und er hat ihnen geholfen, die Ruinen wieder bewohnbar zu machen. Ich bin sehr dankbar für das Lebenswerk von Hans Hollerweger als Priester, Seelsorger, Liturgiewissenschafter, für alles, was er persönlich und durch ICO für die Christen im Orient getan hat. Gottes Segen zum 94. Geburtstag!“
Der Salzburger Ostkirchenexperte Prof. Dietmar Winkler fasste in einem Vortrag die publizistische Tätigkeit Hollerwegers zusammen, der bislang fünf Bücher über den christlichen Orient veröffentlichte. Der Orient, dessen christliche Kulturlandschaft, das reiche spirituelle Erbe und die Vielfalt der Traditionen hätten den früheren Linzer Liturgiewissenschaftler in den Bann gezogen, so Winkler. Winkler ging auf Hollerwegers erstes Buch „Lebendiges Kulturerbe Tur Abdin“ ein, das in drei Auflagen und 12.500 Stück weltweit verbreitet ist und als – vergriffenes – Standardwerk über den Tur Abdin gilt. Mit seinen weiteren Büchern versuchte Hollerweger stets, den scheinbar fernen Nahen Osten nahezubringen und Brücken zwischen Ost und West zu bauen. Der Bilderreichtum Hollerwegers Publikationen visualisierte das Leben und die reiche Kultur des christlichen Orients. Diese Vermittlung des christlichen Orients habe keinesfalls nur dokumentarischen Wert, sondern sei grundlegend notwendig, „denn die westliche Christenheit wäre ohne den Osten lediglich ein amputierter Teil der Kirche, getrennt von seiner Wurzel“, so Winkler. Die Bücher hätten zudem einen bedeutenden dokumentarischen Wert über eine Welt des gefährdeten christlichen Kulturgutes.
© Stefan Maier / ICO
Tur Abdin als Ausgangspunkt der ICO-Aktivitäten
Der Tur Abdin ist das einstige Kerngebiet der Syrisch-orthodoxen Kirche. Es beherbergt Klöster und Kirchen, die bis in die ersten christlichen Jahrhunderte zurückreichen. Um 1900 gab es in der Region noch 200.000 Christinnen und Christen, aktuell sind es nur mehr rund 2.500. Im Tur Abdin haben die Aktivitäten der ICO Mitte/Ende der 1980er-Jahre ihren Anfang genommen. Hollerweger schildet in seinem neuen Buch neben einigen bereits bekannten Episoden auch bislang noch nicht veröffentlichte Ereignisse und Erlebnisse bei seinen zahlreichen Besuchen im Tur Abdin. Er berichtet von verbotenen Besuchen in Miden und im Kloster Mor Yakob, von Begegnungen mit der Polizei und dem Geheimdienst, über den misstrauischen Abt des Klosters Mor Malke, über österliches Brauchtum, Nächte im „1.000-Sterne-Hotel“, unersetzliche Großmütter, Jugendliturgien oder auch seinen Ärger über zu viel westlichen Einfluss in den syrisch-orthodoxen Kirchen. Wie immer bei Hollerweger-Büchern tragen die vielen Fotos, die alle vom Autor selbst stammen, ganz wesentlich zum Lesevergnügen bei.
Syrisch-orthodoxer Erzbischof verfasste das Vorwort
Timotheos Samuel Aktas, Abt des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel und Erzbischof des Turabdin, hat das Vorwort verfasst. Hollerwegers Besuche hätten die letzten Christen des Tur Abdin bestärkten, in ihrer Heimat zu bleiben, schreibt der Erzbischof. Hollerwegers Besuche hätten auch dazu beigetragen, das Gebiet bekannt zu machen und die verbliebenen Christen einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.
Der Autor seinerseits erinnert eingangs an die Anfänge seines Engagements im Turabdin. Es war bei seinem vierten Besuch vor Ort im Jahr 1989, als ihm – laut eigenem Bekunden – so richtig die Augen aufgegangen seien. „Beim Gang durch die Dörfer kam es zu Begegnungen und Gesprächen über Schwierigkeiten mit der Gendarmerie und der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), über die vielen Christen, die aus den Dörfern ausgewandert waren, und die Unsicherheit, in der man lebt“, berichtet Hollerweger. Bürgermeister Aziz Üstün von Miden, dem größten Dorf des Tur Abdin, der einige Jahre in Deutschland arbeitete und gut deutsch sprach, schilderte die Not: „Viele Christen verlassen den Tur Abdin, niemand besucht uns, niemand hilft uns, viele Kämpfe zwischen Gendarmerie und PKK, überall Unsicherheit. Haben wir hier eine Zukunft?“ Dieses Gespräch mit dem Bürgermeister habe ihn tief beeindruckt und weithin den Anstoß für die künftige Hilfe gegeben, so Hollerweger. Im September 1989 gründete er den Verein „Freunde des Tur Abdin“, die Vorgängerorganisation der ICO. Die ICO und die Stiftung PRO ORIENTE arbeiten seit Jahrzehnten eng zusammen. So veranstalten die ICO und die Salzburger PRO ORIENTE-Sektion beispielsweise jedes Jahr eine hochkarätige Nahost-Tagung im Salzburger Bildungshaus St. Virgil.
Buchtipp:
Hans Hollerweger:
Erlebtes im Tur Abdin. Mit einem Vorwort von Erzbischof Timotheos Samuel Aktas.
Initiative Christlicher Orient, Linz, 2023
15 Euro