Tag des Judentums: Was schert sich der liebe Gott darum, was wir essen?
Am 16. Jänner 2024, dem Vorabend des Tags des Judentums, waren zahlreiche Besucher:innen der Einladung des christlich-jüdischen Komitees OÖ, der Katholischen Privat-Universität Linz und anderer Kooperationspartner:innen zur Vortrags- und Diskussionsveranstaltung "Alles Koscher? Essen als Glaubens- und Identitätsfrage" gefolgt. Als Ehrengäste konnte der Hausherr Rektor Universitätsprofessor Christoph Niemand die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Charlotte Herman, Diözesanbischof Manfred Scheuer, Senior Pfarrer Martin Eickhoff der Evangelischen Kirche OÖ und Landeshauptmann a.D. Josef Pühringer als Vorsitzenden von Pro Oriente Sektion Linz, begrüßen.
© KU Linz/Eder
Den Hauptvortrag hielt Rabbiner Schlomo Hofmeister, der in der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, aber auch in vielen Teilen Österreich als Seelsorger, Lehrer und Gutachter tätig ist. Seine sehr lebendigen und anschaulichen Ausführungen begann er mit der Frage "Was schert sich der liebe Gott darum, was wir essen?" Die Antwort beginnt mit der Tora, die die Grundlage aller Vorschriften im Judentum darstellt. Die Tora hat viele verschiedene Bedeutungsebenen und existiert nach jüdischem Verständnis als eine Art "Bauplan", "DNA" oder "Filmrolle" schon seit jeher bei Gott. Die Auserwählung des Volkes Israel am Berg Sinai bedeutet Verantwortung und den Auftrag, Licht für die Völker zu sein. Neben den 7 Geboten des Noach, die für alle Menschen zu halten sind, gibt es für Jüdinnen und Juden zusätzlich zahlreiche rituelle, spirituelle Gebote, die den "Gesundheitszustand der Seele" betreffen, so Rabbiner Hofmeister. Diese machen aber Jüdinnen und Juden zu keinen besseren Menschen oder das Judentum nicht zu einer besseren Religion. Vielmehr gibt es verschiedene "Betriebssysteme", wie Rabbiner Hofmeister bildlich ausführte. Den Interreligiösen Dialog, vor allem zwischen den monotheistischen Religionen, sieht er als religiöse Verpflichtung und Heiligung des Namens Gottes sowie als gesellschaftliches Zeichen.
Der katholische, in Linz lehrende Moraltheologe Universitätsprofessor Michael Rosenberger ging in seinem Eingangsstatement auf die strukturierende und ordnende Funktion von Speisevorschriften ein. Als verbindendes Element von Judentum und Christentum in Bezug auf Ernährung sieht er das Tischgebet, den Dank für Nahrung, also das Bewusstsein, sich Gott zu verdanken. Er erwähnte auch das Thema "Schächten" und bedauerte, dass es im Christentum keine religiöse Beschäftigung mit Schlachtvorgängen gibt.
Auch in der anschließenden von Gudrun Becker, Referentin für Ökumene und Judentum der Diözese Linz, moderierten Diskussion wurde unter anderem über Schlachtmethoden, Fastentraditionen, Eucharistie bzw. Abendmahl debattiert. Auch ganz praktische Fragen wurden beantwortet, etwa warum Blütenhonig koscher ist und Waldhonig nicht.
Bei der Verkostung von koscherem Wein und koscheren Snacks wurden im Anschluss Austausch und Diskussionen noch weitergeführt.